Antisemitismus:US-Neonazis hetzen mit Klammer-Trick gegen jüdische Journalisten

  • Amerikanische Nazis schreiben die Namen von jüdischen Journalisten in Klammern.
  • Die Klammern sind eine antisemitische Botschaft.
  • Wer Jude ist, entscheiden die Nazis - auch in einer Erweiterung für den Chrome-Browser.
  • Soziale Netzwerke ignorieren Klammern in der Suchanfrage - der Hass kann deshalb ungestört verbreitet werden.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Amerikanische Neonazis schreiben den Namen von Jonathan Weisman in drei Klammern. (((Jonathan Weisman))) also. Weisman arbeitet als Journalist für die New York Times und ist stellvertretender Leiter des Hauptstadtbüros in Washington.

So wollen die Rechtsextremen Weisman 'identifizieren'. Ihrer kruden Logik zufolge symbolisieren diese drei Klammern eine vorangeschrittene Weltverschwörung des "internationalen Judentums". Wer mit den Klammern gebrandmarkt ist, dem unterstellen die Neonazis, aufgrund gebürtiger oder religiöser Zugehörigkeit interessengetriebene Politik zu betreiben. Im Sinne Israels zu handeln, als vermeintlich jüdische Einheit.

Die Klammern werden "Echos" genannt

Die Nazis sprechen von "Echos", wie die Webseite Mic Anfang der Woche schrieb. Mic hat die Betreiber des rechtsgerichteten Podcasts The Right Stuff gefragt, was es mit den Klammern auf sich hat. Die Betreiber antworten den Journalisten von Mic: Die drei Klammern stünden für je eine Form der jüdischen "Zersetzung": Die innerste Klammer soll heißen: Juden zerstören das Prinzip Familie. Die Klammer in der Mitte stehe für das Zerstören der Nation durch massenhafte Immigration. Die äußerste Klammer hingegen stehe für das internationale Judentum. So zitiert Mic die Betreiber.

Wie diese Taktik in der Praxis aussieht, hat Weisman in einem Artikel beschrieben. "Hello (( Weisman ))", wurde der Journalist angetwittert. Auf seine Nachfrage, was es mit den Klammern auf sich habe, antwortete der Account @Rusted_Ovum: "Es ist eine Hundepfeife, du Trottel."

Angriffe von selbsterklärten Trump-Fans

Der Twitterer hängt ihm also eine Glocke um. Kurz danach wird Weisman mit Nachrichten überhäuft. "Der antisemitische Hass, ein Großteil von selbsterklärten Fans von Donald Trump, hat seitdem nicht aufgehört", schreibt Weisman.

Unter anderem erhielt Weisman ein digital manipuliertes Bild, auf dem Donald Trump, der wahrscheinliche republikanische Präsidentschaftsbewerber, eine Gaskammer in Betrieb nimmt. Weisman ist in der Gaskammer. Ein weiteres gephotoshopptes Bild, darauf zu sehen: Der Eingang zum Konzentrationslager Auschwitz. Anstatt "Arbeit macht frei" steht über den Toren "Machen Amerika Great". Das offizielle Motto von Trump lautet: "Make America great again".

Auf Nachfrage sagt Weisman per Twitter-Nachricht, dass der alt-right-Bewegung in den USA medial viel Platz eingeräumt werde. Das alt steht für alternativ, das right für extrem rechte Überzeugungen, jenseits des konservativen Mainstreams: "Ich glaube, es ist wichtig, das Bewusstsein in Sachen Antisemitismus zu schärfen. Die meisten Amerikaner glauben nicht, dass dieser existiert."

Die Nazis können ihren Hass ungestört verbreiten

Es ist eine Art des Antisemitismus, wie ihn auch die Journalistin Julia Ioffe erleben musste. Sie hatte für das Magazin GQ ein Porträt über die Ehefrau von Donald Trump, Melania, geschrieben. Daraufhin bekam sie unter anderem Drohanrufe, in denen ihr Hitler-Reden vorgespielt wurden. Dem Guardian erklärte sie, dass ein Anrufer ihr erzählt habe, dass ihr Gesicht gut auf einem Lampenschirm aussehen würde.

Als Reaktion auf den Hass erwiderte Melania Trump in einem Interview, dass sie ihre Fans nicht kontrolliere: "Ich heiße nicht gut, was sie tun. Es gibt Menschen, die vielleicht zu weit gegangen sind. Sie (die Journalistin, d. Red.) hat sie provoziert."

Im Fachjargon sind die Klammern Teil eines Prinzips, das sich dog-whistle politics nennt. Ähnlich wie Hundepfeifen, die auf einem Frequenzbereich liegen, der von Menschen nicht wahrgenommen wird, wollen die Nazis ihren antisemitischen Hass möglichst offen verbreiten. Sie verhüllen ihn nur dürftig in einem Code, einer Klammerlösung, die nur von Insidern verstanden wird.

Klammern werden von Suchmaschinen ignoriert

Ob diese Menschen dem jüdischen Glauben nahestehen oder nicht, ob sie sich als Juden identifizieren, spielt übrigens keine Rolle. Wer ein Jude ist (und wie dieser denkt), entscheiden die Nazis. Dafür installierten viele aus der Szene sogar eine Erweiterung für den Chrome-Browser von Google, die sich "Zufallsdetektor" nennt und Mic zufolge all jene markiert, die eine "jüdischer Identität" oder "anti-weiße" Position haben sollen (sie erfasste wohl unter anderem den Schwiegersohn von Donald Trump, Jared Kushner). Die Erweiterung wurde heftig kritisiert, mittlerweile wurde sie gelöscht.

Dass Nazis diese Technik einsetzen, ist damit zum ersten Mal öffentlichkeitswirksam bekannt geworden. Denn: Klammern werden von Suchmaschinen generell ignoriert. "Wr zeigen dieselben Resultate, unabhängig davon, ob Klammern eingesetzt werden oder nicht", erklärt eine Google-Sprecherin. Facebook und Twitter haben bislang auf Anfragen dazu nicht reagiert.

"Wir haben keine Angst vor diesen Menschen"

Diese technische Lücke ermöglicht es Nazis, ungestört ihre Hetze zu verbreiten. Denn die Nazis können nicht ohne Weiteres exponiert werden. Die Person, die antisemitisch beleidigt wird, muss sich jedes Mal von selbst dazu entscheiden, den Angreifer zu enttarnen.

Einige Journalisten, darunter auch Weisman, schreiben ihre Namen auf Twitter mittlerweile selbst in Klammern. Es sei ein Zeichen dafür, dass es von Seiten der Nazis ein sinnloses Unterfangen sei, sie zu outen, schreibt Weisman. "Jüdische Journalisten setzen ihre Namen in Klammern, um zu zeigen, dass wir keine Angst vor diesen Menschen haben und uns nicht für unsere Identität schämen. Je mehr Journalisten das tun, desto weniger einschüchternd sind diese Symbole. Es ist eine Form der kulturellen Aneignung."

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