Wahlkampf in Bayern:Die AfD will mit den Kirchen brechen

Germany Bavaria Allgaeu Allgaeu Alps field cross PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY WGF000707

Bayern und das Kreuz, das gilt auch in zunehmend säkularen Zeiten als bewährte Verbindung. Die AfD will nun ein klare Trennung.

(Foto: Imago)
  • Im Programm für die Landtagswahl in Bayern kritisiert die AfD die Amtskirchen als "Lobbygruppen".
  • Die Partei will die staatliche Förderung von Religionsgemeinschaften beenden, auch Seelsorge in privaten Schulen und Kliniken soll nicht mehr unterstützt werden.
  • Die stellvertretende AfD-Landeschefin Katrin Ebner-Steiner nennt das Kirchenkapitel im Wahlprogramm "unglücklich".

Von Johann Osel

Die Provokation war punktgenau gesetzt, darauf versteht sich die AfD. Die Kirchen verdienten "unter dem Deckmantel der Nächstenliebe" Milliarden mit der Flüchtlingskrise, sagte vor zwei Jahren Petr Bystron, damals Chef der bayerischen AfD, zum Kirchentag in Leipzig. Er sprach von einer "gigantischen Wohlfahrtsindustrie" und der Ausbeutung von Ehrenamtlichen. Die katholische und die evangelische Kirche reagierten empört, viele Parteifreunde aber jubelten.

Die AfD ist - auch wenn sie und ihr Umfeld eine angebliche Islamisierung bekämpfen und sich auf das "christliche Abendland" berufen - zutiefst antiklerikal. Kardinal Reinhard Marx und EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm ziehen im Netz kaum weniger Hass auf sich als die Kanzlerin. Ihnen wird, neben dem Engagement für Flüchtlinge, immer wieder vorgeworfen, einmal bei einem interreligiösen Treffen am Tempelberg in Jerusalem ihre umgehängten Kreuze abgelegt zu haben. "Verräterisches Pfaffen-Pack" oder "Unterwerfung vor dem Islam" - derlei liest man im AfD-Facebook-Kosmos allenthalben.

Da ist es nicht verwunderlich, dass sich diese Haltung im AfD-Programm für die Landtagswahl findet. Dessen finale Fassung ist seit Montag öffentlich, nach redaktioneller Überarbeitung eines Entwurfs vom Landesparteitag (es ging weitgehend um sprachliche Fehler). Darin steht viel Erwartbares, vor allem mit Blick auf Migration und Islam. Der Kirchen-Aspekt, gleich in Kapitel eins, überrascht in seiner Schärfe. Laut AfD soll der Freistaat mit den Kirchen brechen. Es ist fraglich, wie das im - trotz vieler Kirchenaustritte - christlich geprägten Freistaat ankommt.

Gerade in AfD-Hochburgen bei der Bundestagswahl, wie die nieder- und oberbayerische Grenzregion, sind Glaube und Kirchgang im Alltag vieler durchaus verankert. Als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) per Erlass Kreuze in den Landesbehörden aufhängen ließ, ergab eine Umfrage für den BR-"Bayerntrend": 77 Prozent der AfD-Anhänger goutieren den Erlass, mehr als bei CSU-Anhängern (71 Prozent).

Konkret werden im Programm die Amtskirchen als "Lobbygruppen" gegeißelt. Die Staatskirchenverträge des Freistaats seien umgehend zu kündigen. "Die AfD will keine staatliche Förderung von Religionsgemeinschaften." In den Gesetzen sind staatliche Zuwendungen geregelt, vor allem für die Besoldung der Bischöfe und hoher Würdenträger - sie werden vom Freistaat bezahlt, angelehnt an Beamte. Seelsorge in privaten Schulen oder Kliniken solle nicht mehr finanziell unterstützt werden.

Die AfD will Mittel nur "zur Pflege sakraler Baudenkmäler als Bestandteil der Kulturgeschichte" behalten. Auch muslimische Religionsgemeinschaften dürften nicht mehr staatlich finanziert werden, auch nicht aus dem Ausland. Dies beträfe den Moscheeverband Ditib, der unter dem Einfluss der Türkei steht. Gegen den Bau einer Ditib-Moschee in Regensburg hatte die AfD im März demonstriert, die Vize-Landeschefin Katrin Ebner-Steiner sagte, die AfD werde "dafür sorgen, dass Bayern nicht zu einer islamistischen Dönerbude verkommt".

"Jeder Dorfpfarrer wettert gegen die AfD"

Politischer Aschermittwoch - AfD

Katrin Ebner-Steiner nennt das Kirchenkapitel "unglücklich". Sie selbst sei gläubig, die Kirche solle sich aber deutlich vom Islam abgrenzen.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Die niederbayerische Listenführerin ist ein gutes Beispiel für die Kluft zwischen Programm und Wählerschaft. Ebner-Steiner ist gläubig, an Fronleichnam lud sie über die Kanäle der Deggendorfer AfD zur Wallfahrt. Sie sagt: Nur mit einem starken Christentum und einer starken Kirche, "ungeachtet ihrer strukturellen Defizite", bleibe "der geistig-spirituelle Kit" in der Gesellschaft lebendig. Nötig sei aber eine "eindeutige Abgrenzung zu anderen Religionen, von denen sie mehr trennt als verbindet". Gemeint ist: der Islam. Dafür müsse sich die Kirche "aus der Politik raushalten und sich wieder um ihre Schäfchen kümmern"; eigentlich sei die Kirche "unser natürlicher Verbündeter gegen die Islamisierung". Bei manchen Bischöfen sehe sie "positive Signale für eine Rückbesinnung".

Alle Gesprächskanäle zwischen Kirchen und AfD sind, zumindest offiziell, geschlossen. Im Frühjahr sprachen Bayerns Bischöfe bei ihrer Augsburger Konferenz auch über den Umgang mit der AfD. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sagte der Augsburger Allgemeinen: "Eine Partei, die sich christlich nennt, muss christliche Positionen vertreten. Von AfD-Politikern gibt es aber Äußerungen, die nicht mit dem christlichen Menschenbild vereinbar sind."

Ebner-Steiners Wort in der AfD hat Gewicht, im Wahlkreis Deggendorf holte sie bei der Bundestagswahl fast 20 Prozent. Dennoch hat beim Programm ihr Einfluss nicht gereicht. "Unglücklich" findet sie das Kirchenkapitel, es werde aber "keine Rolle spielen". Der Bürger habe andere Sorgen als Bischofsgehälter. "Sicherheit, Zuwanderung, Familie - damit gehe ich ins Rennen." Die Kirchenkritik "wird niemand groß aufhängen". Dass die Sache im Programm gelandet ist, sei nicht im Sinne der ländlichen Kreisverbände.

Ein AfD-Mann, der nah dran ist an allen Gremien, erklärt das so: "Es ist der Wind, der uns aus den Kirchen entgegenweht, jeder Dorfpfarrer wettert gegen die AfD." Daraus sei "ein Retourkutschen-Bedürfnis" entstanden, das erkläre den scharfen Ton. Auch wenn Wähler das Programm kaum lesen - im heißen Wahlkampf "wird der politische Gegner unser Programm nach Angriffsflächen durchforsten". Im Mai hieß es in einem CSU-Strategiepapier: "Wir sind entschlossen, die AfD als zutiefst unbayerisch zu bekämpfen." Zunächst hatte Söder versucht, AfD-Anhänger über rechtskonservative Inhalte zurückzuholen - was laut Umfragen nicht gelingt. Gut möglich, dass die CSU demnächst die direkte Konfrontation einleitet, womöglich inklusive Kirchenpolitik.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: