Wahlkampf:Den Grünen droht plötzlich die Flaute

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Trotz vieler Neueintritte junger Menschen sinken die Umfragewerte. Dabei könnte die Partei es gerade in Bayern leichter haben als im Rest der Republik.

Von Lisa Schnell, München

Eigentlich habe die Woche den Grünen doch recht gegeben, dachte Katharina Schulze, Fraktionschefin im Landtag. Die Erde heize sich noch schneller auf als gedacht, berichtete eine Studie. In Frankreich kamen die Rechtspopulisten in die Stichwahl um das Präsidentenamt. Themen, bei denen die Menschen doch grün wählen müssten, meint Schulze. Und dann kam die Umfrage.

Auf traurige sechs Prozent kamen die Grünen im Bund, so wenig wie schon lange nicht mehr. Aktuell stehen sie bei sieben oder acht, je nach Umfrage. Ihr Ziel, mindestens wieder neun Abgeordnete nach Berlin zu schicken, erreichen sie damit immer noch nicht.

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Besonders bitter ist das Umfragetief für Margarete Bause. Nach dreißig Jahren in der bayerischen Politik und 14 Jahren an der Spitze der Fraktion sollte der Bundestag die Krönung ihrer politischen Karriere sein. Jetzt scheint ihr Platz neun auf der Liste alles andere als sicher. Was sind die Gründe für den rapiden Absturz der Grünen? Und: Kriegen sie das bis September wieder hin?

Auch wenn Schulze die Erderwärmung für eines der drängendsten Themen hält, sie nimmt zur Kenntnis, dass viele das gerade anders sehen. Innere Sicherheit, Zuwanderung und soziale Gerechtigkeit bestimmen bis jetzt den Wahlkampf. Nicht gerade die Kernthemen der Grünen. Wenn in Aleppo die Bomben fliegen und in Deutschland ein Laster in einen Weihnachtsmarkt gesteuert wird, wer interessiert sich da noch für Trinkwasser oder Klimaerwärmung?

Die Grünen müssten deshalb auf alle Fragen eine Antwort geben können, sagt Schulze. Sie selbst beackert seit Jahren das Thema Innere Sicherheit und das durchaus mit Erfolg. Aber auch Schulze weiß, dass kaum jemand die Grünen wegen ihrer Sicherheitspolitik wählt.

Man könne bei dem Thema Stimmen verlieren, aber keine gewinnen, sagt ihre Vorgängerin Bause. Einhellige Meinung bei den Grünen ist deshalb, dass sie sich auf ihre Kernthemen konzentrieren müssen: Klima- und Umweltschutz und den Kampf für eine weltoffene Gesellschaft.

In Bayern könnten es die Grünen leichter haben als im Rest der Republik

"Mit diesen Themen werden wir verbunden, deswegen treten die Leute bei uns ein", sagt Schulze. Die Grünen müssten sich beim Thema Zuwanderung als klaren Gegenentwurf zur CSU und ihrer Leitkultur präsentieren. Manche monieren, statt eher vagen Bekenntnissen zur Weltoffenheit sollte mehr über konkrete Konzepte zur Zuwanderung gesprochen werden.

Trotzdem könnten es die Grünen in Bayern leichter haben als im Rest der Republik. In der CSU haben sie einen klaren Gegner. Sich gegen die CDU und ihre Willkommenskanzlerin Angela Merkel zu positionieren, dürfte in anderen Bundesländern dagegen schwerer fallen, sagt ein Parteimitglied.

Ihr Ziel, Ökologie und Nachhaltigkeit mehr in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken, kann man dagegen durchaus eine Herausforderung nennen. Die objektive Weltlage ist eben nicht von einem zweiten Fukushima bestimmt, sagt Politikwissenschaftler Jörg Siegmund von der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Die Grünen könnten probieren, ihre Kompetenzen mit den Megathemen zu verbinden. Nachhaltige Sicherheit oder ähnliches. Aber das sei schwer.

Man müsse sich deshalb auch auf die Themen vor Ort konzentrieren, sagt Bundestagsabgeordneter Dieter Janecek. Er denkt da etwa an den Verkehr in München, der manche im Alltag vielleicht ähnlich beschäftigt wie die aktuelle Weltlage. Oder das Trinkwasser, der Flächenfraß, ergänzt Fraktionschef Ludwig Hartmann. Wenn man hier konkrete Lösungen anbiete, könne man die Leute erreichen.

Die Grünen müssten außerdem wieder mehr auf Festivals gehen statt auf Kirchentage. Bei den Jungen sei der Zuspruch nicht so stark eingebrochen, sagt Hartmann. Die Grünen sollten sich als Partei präsentieren, die der jungen Generation als einzige keine Hypothek hinterlasse.

Nur, wie kommt man damit in die Schlagzeilen? Dort ist vor allem vom Zweikampf zwischen Kanzlerin Merkel und SPD-Kandidat Martin Schulz zu lesen. Wie schnell der Schulz-Zug gerade fährt und wohin und ob Schulz nun wirklich übers Wasser gehen kann oder nicht. Für die Qualität des Wassers interessieren sich außer den Grünen dagegen eher wenige.

Das liege auch an dem wenig charismatischen Spitzenduo, Kathrin Göring-Eckhart und Cem Özdemir, von denen außerdem keiner für das grüne Kernthema Umweltpolitik stehe, heißt es. Die zwei seien mindestens zur Hälfte an der Misere der Grünen schuld, sagt ein Parteimitglied. Mal werde man vom Bundestrend eben hochgehievt und mal runtergezogen.

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Offiziell zeigt in Bayern niemand mit dem Finger nach Berlin. Das eigene Spitzenpersonal schlecht reden, sei das dümmste, was man machen könnte, sagt Bause. Hartmann erinnert sich an kaum einen Grünen, der so in den Medien präsent war wie Özdemir beim Thema Türkei-Referendum.

Das Spitzenduo bestehe aus zwei verlässlichen Persönlichkeiten, wenn auch nicht gerade aus Rampensäuen, sagt Landeschef Eike Hallitzky. Er persönlich findet das sympathisch. Trotzdem sei es ein Problem, dass die Medien sich immer mehr auf Personen fokussierten. Die Grünen aber mit Inhalten punkten wollen.

In Bayern vollzogen die Grünen personell gerade den Generationenwechsel. Mit Schulze und Hartmann haben sie zwei junge Vorsitzende. Seitdem sich Bause zurückgezogen hat, fehlt zwar eines der bekanntesten Gesichter, an Kampfgeist würde es Schulze und Hartmann aber nicht fehlen, heißt es.

Die schlechten Umfragewerte riefen in ihr eher Trotz statt Trauer hervor, sagt Schulze. Es gebe so viele Neumitglieder wie nie, alle hoch motiviert. Jetzt schmeiße man sich in den Wahlkampf. Jammern könne man hinterher. Hartmann würde sogar wetten, dass die Grünen in Bayern bei der nächsten Umfrage über dem Bundesdurchschnitt liegen.

In den Umfragen sei gerade so viel Bewegung. Wenn es so rapide nach unten gehen könne, warum dann nicht auch nach oben. "Das kann man locker noch drehen", sagt er. Schulze stimmt zu, eine Prognose aber will sie nicht abgeben. Hartmann ist da freimütiger: Zweistellig sei das Ziel. Mit acht Prozent könne man in Bayern nicht zufrieden sein.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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