Union:Die CSU ist zerrissen wie lange nicht

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Mit dem Titel "Die Ordnung" hat die CSU ihr Grundsatzprogramm überschrieben. Grundsätzlich in Ordnung ist die Partei aber gerade nicht. (Foto: Sven Simon/imago)

Während die Parteispitze demonstrativ die neue Einigkeit mit der CDU proklamiert, rumort es an der Basis. Schuld sind der Friedensschluss, die SPD und die CSU-Führungsdebatte.

Von Wolfgang Wittl, München

Vielleicht hat dieses Papier ja doch noch seinen Wert. Diese fünf Seiten, die CDU und CSU bei ihrer Friedensklausur vollmundig als "Münchener Erklärung" präsentierten, und die in Wahrheit nichts anderes sind als ein Kanon von Selbstverständlichkeiten. Der Titel allerdings könnte sich für die CSU noch als hilfreich erweisen: "Orientierung geben - Zukunft sichern". Gerichtet ist er zwar an alle Menschen in ganz Deutschland, noch mehr aber dürften sich die eigenen Anhänger angesprochen fühlen.

Orientierung und eine gesicherte Zukunft, beides können die Christsozialen gut brauchen. Denn so zerrissen wie im Moment war die Partei lange nicht, dabei sollte von der Klausur mit der CDU vor allem eines ausgehen: ein Signal der Geschlossenheit. Stattdessen dominieren Unzufriedenheit und die Frage, wie es weitergeht.

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Glaubt man den Umfragen, zuletzt von GMS im Auftrag von Sat 1, hat die CSU eine Menge Arbeit vor sich, ihre Anhänger wieder zu vereinen. Nur 59 Prozent begrüßen die Entscheidung, dass Angela Merkel wieder als Kanzlerkandidatin der Union antreten soll, 39 Prozent sind dagegen. Mit derart hohem Widerspruch hat keiner in der Parteispitze gerechnet, weder Merkels Unterstützer noch ihre Kritiker. Zu lange, zu massiv habe Horst Seehofer die Kanzlerin attackiert. Zu sehr habe der CSU-Chef die Basis aufgebracht, um sie wieder schnell beruhigen zu können. So sagen die einen. Andere sehen die Schuld bei Merkel und ihrer "Sturheit in der Flüchtlingspolitik".

Statt Aufbruchsstimmung ist von dem Friedensgipfel vor allem Merkels Gesicht in Erinnerung geblieben, das sie vor einer Woche in der Pressekonferenz aufsetzte. Bitterernst, kaum ein Schmunzeln: Recht viel anders hatte die Kanzlerin auch nicht dreingeblickt, als Seehofer sie beim Parteitag 2015 auf offener Bühne maßregelte.

Merkels Miene - die Erklärungsversuche beschäftigen die CSU bis heute. Die Kanzlerin sei nur konzentriert gewesen, lautet einer. Der nächste, sie sei von der Umfrage überrascht worden, die den SPD-Kandidaten Martin Schulz erstmals vor der CDU-Chefin auswies. Und schließlich: Merkel habe der Schwesterpartei nach Monaten der persönlichen Fehde kein freundliches Gesicht spendieren wollen.

Auch wenn die Kanzlerin auf die Attacken aus Bayern nie reagierte, vergessen habe sie nichts, sagt einer, der sie näher kennt. Den Zettel mit der Rechnung für Horst Seehofer trage sie bereits in der Tasche. Offen sei nur noch, wann sie ihn vorlege. Unter solchen Voraussetzungen will die Union vereint in den Wahlkampf ziehen?

Selbst in der CSU, nicht gerade ein Hort mangelnden Selbstvertrauens, wächst die Skepsis. Bereits ein Drittel ihrer Wähler hält einen Sieg von Schulz für möglich. Man werde den SPD-Mann konkret stellen müssen, rät zwar die oberbayerische CSU-Chefin Ilse Aigner: "Nur schöne Worte werden ihm nicht reichen." Trotzdem dämmert den Parteigranden, dass von dem Politikertyp Schulz - volksnah, offen, emotional - ernsthafte Gefahr dräut. Und ankommen wird es ausgerechnet auf die Frau, die 17 Monate unter bayerischem Verbalbeschuss stand und die 39 Prozent der CSU-Anhänger derzeit ablehnen: Merkel.

Merkel "wird sich wohl noch einmal neu erfinden müssen"

Wie schwer das alles zusammenpasst, lässt sich im CSU-Binnenklima nachvollziehen. Finanzminister Markus Söder, einer ihrer größten Kritiker, rief Merkel in der jüngsten Fraktionssitzung nach Angaben von Teilnehmern auf, sie müsse endlich zeigen, dass ihr Deutschland am Herzen liege. Wie die CSU Bayern in den Mittelpunkt rücke, müsse Merkel das mit Deutschland machen, forderte Söder unter Applaus. Sogar jene in der Partei, die es gut mit Merkel meinen, sagen: "Sie wird sich wohl noch einmal neu erfinden müssen."

Als hätte die CSU nicht genügend eigene Sorgen, die Stimmung ist explosiv. Als gleich mehrere Abgeordnete in der Fraktionssitzung von harschen Protesten gegen Merkels Kür berichteten, manche sprachen gar von einem Glaubwürdigkeitsproblem, reichte es Seehofer. Man könne ihn ja köpfen, wenn die Wahl schiefgehe. Er verstand die Beiträge als persönliche Kritik, obwohl sie als Zustandsbeschreibung gedacht gewesen seien, wie einer der Wortführer versichert. Aber für Missverständnisse ist in der CSU im Moment viel Raum.

Söders Staatssekretär Albert Füracker soll vielen in der Fraktion aus dem Herzen gesprochen haben: Er breche zwar nicht in Begeisterung aus, aber eine bürgerliche Regierung unter Merkel sei ihm immer noch lieber als Rot-Rot-Grün unter Schulz, sagte Füracker. Das müsse man der Bevölkerung klar machen. In Merkels Worten hieße das wohl: Die Kanzlerin sei alternativlos. Ob sich die Anhänger allerdings so mobilisieren lassen?

Immerhin: Die Wähler geben sich versöhnlicher als die Mitglieder, jedenfalls am traditionellen Berchinger Rossmarkt war das so, wo Seehofer eine Art Bewerbungsrede für eine dritte Amtszeit als Ministerpräsident hielt. "Die letzte Chance" habe die Union, dass sie sich zusammenraufe, grummelte ein Rentner: "Immer dieses Rumkaschpern vor der Wahl." Für eine Frau ist es "höchste Zeit, dass die sich endlich zusammenreißen" - wegen der SPD.

Das erwartet auch Seehofer von seiner Partei, doch die zeigt sich auch in anderen Fragen gespalten. Nicht jedem CSU-Politiker hat es gefallen, dass er in Frank-Walter Steinmeier einen SPD-ler zum Bundespräsidenten wählen musste. Und dann ist da noch die Führungsdebatte. Seehofer bietet den Parteivorsitz an, aber was dann? Söder liegt mit 38 Prozent in Front, allerdings nur noch fünf Punkte vor Innenminister Joachim Herrmann. Ob Seehofer in beiden Ämtern weitermachen soll, spaltet die Basis ebenfalls: 43 Prozent sind dafür, 36 dagegen. Geschlossenheit sieht anders aus.

"Aber immer sind wir eine gemeinsame Union, die zum Miteinander und zum gemeinsamen Erfolg fest entschlossen ist", heißt es in der "Münchener Erklärung". Fragen zu dem Papier wurden in der Sitzung abgeblockt, angeblich auf Merkels Wunsch hin. Mancher zeigte sich irritiert. Wenn nicht einmal mehr über Allgemeinplätze gesprochen werden dürfe, zeige das nur, wie fragil das Gebilde derzeit sei.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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