Technosan aus Krailling:Ein Haufen Schmutz

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Wo ist der Giftschutt abgeblieben? Der Chef der Recycling-Firma Technosan aus Krailling steht wegen betrügerischer Giftmüll-Geschäfte vor Gericht. Doch im Prozess geraten auch die Kontrolleure in Erklärungsnöte.

Von Christian Deussing, München/Neuötting

Sein Credo hieß, "Lösungen für eine saubere Umwelt" zu finden. Alexander C. galt als Vorzeigeunternehmer in der Entsorgungsbranche, innovativ und eloquent. Der Chef der liquidierten Recycling-Firma Technosan aus Krailling bei München ließ sich sogar noch zum Vorsitzenden des IHK-Umweltausschusses für München und Oberbayern wählen, als die betrügerischen Giftmüll-Geschäfte und Machenschaften auf seiner Verwertungsanlage in Neuötting schon längst liefen.

Alexander C. wurde im Februar 2013 wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr festgenommen und saß bis vor Kurzem in Untersuchungshaft. Er muss sich derzeit mit drei weiteren Angeklagten seit dem 30. April vor dem Landgericht München II wegen illegaler Entsorgung von Industriemüll in 406 Fällen verantworten.

Es geht in dem Umweltskandal-Prozess um gewerbs- und bandenmäßigen Betrug. Und darum, dass 435 000 Tonnen Gleisschotter, Bauschutt und verseuchtes Erdreich meist unbehandelt in ungeeignete Gruben und Deponien gelandet sind - etwa in den Landkreisen Altötting und Mühldorf. Laut Anklage beträgt der Schaden knapp 13 Millionen Euro. Der Technosan-Gründer hat gleich zu Prozessauftakt ein Teilgeständnis abgeliefert.

Prozess gegen Technosan
:Anklage wegen illegaler Müllentsorgung

Der Vorwurf wiegt schwer: Eine Firma aus Krailling bei München soll belastete Materialen unsachgemäß entsorgt haben, darunter auch krebserregende Stoffe. Kunden waren unter anderem das Münchner Wasserwirtschaftsamt und die Stadtwerke Augsburg.

Aber auch betont, dass ihm die Ausmaße der Manipulationen auf seiner Anlage in Neuötting nicht bekannt gewesen seien. Diese hat bereits im November 2012 schließen müssen. Er habe sicherlich "Fehler gemacht" und übernehme die Verantwortung. Doch viele Vorwürfe seien "zu pauschal", wehrt sich der 47-jährige Abfall-Unternehmer, der die thermische Behandlungsanlage von Schadstoffen selbst entwickelt hat.

Doch der Prototyp war störanfällig und fiel häufig aus. Das allerdings bemerkten behördliche Kontrolleure offenbar nicht immer oder ignorierten, dass sich hochbelasteter Müll unerlaubt auch außerhalb der Hallen zeitweise so hoch türmte, dass Lastwagen auf dem Areal nicht mehr wenden konnten.

"Und das ist über Jahre passiert, ohne dass jemand etwas merkt?", fragt der Vorsitzende Richter Rupert Heindl immer wieder in dem Verfahren. Er wundert sich über laxe Kontrollen, fehlende Abfallbilanzen und Laboranalysen sowie mangelhafte Messungen von Quecksilber-Abgasen. Unklar ist oft, wo der Giftschutt und andere Materialien abgeblieben sind. Die Kontrolleure des zuständigen Landratsamtes Altötting geraten daher im Gerichtssaal in Erklärungsnöte.

Es scheint so, dass sich die Umweltschutz-Prüfer von einem zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb haben blenden und täuschen lassen. Gleichzeitig wurde entweder nachlässig oder gar nicht kontrolliert. Haben die amtlichen Prüfer also weggeschaut oder ist man wegen Personalnot überfordert gewesen, die betrieblichen Abläufe näher unter die Lupe zu nehmen?

Es zeichnet sich nach nunmehr 25 Prozesstagen ab, dass es dieser Firma zumindest leicht gemacht wurde - zum Beispiel Proben zu beschönigen, Abfallhaufen umzudeklarieren oder Leistungen überteuert abzurechnen, ohne die Reinigungsnachweise zu erbringen. Nach akribischen Nachfragen des Gerichts musste der Umweltschutz-Abteilungsleiter der Altöttinger Kreisbehörde, Robert Müller, einräumen, dass die Überwachung des Entsorgers "nicht gut genug gewesen" sei.

"Blöd, blind oder bestochen?"

Da passt auch die Aussage einer seiner Mitarbeiter ins Bild: Der Abfallprüfer gibt zu, es mit den Auflagen in den eigenen Genehmigungsbescheiden nicht so streng genommen zu haben - weil "gewisse Regeln der Praxis widersprechen" würden. Dazu gehört auch das "Vermischungsverbot" von Abfallhaufen. Häufig sagt der Zeuge vor den Richtern: "Das ist mir nicht aufgefallen und das weiß ich nicht."

"Blöd, blind oder bestochen?" Diese provokative Frage wirft einer der Verteidiger in diesem Prozess auf, der Ende August weitergeht und sich weit ins kommende Jahr hineinziehen wird. Den acht Anwälten spielt es in die Karten, dass sich offensichtlich eklatante Lücken im Kontrollsystem auftun und die Aufsichtsbehörden zunehmend ins Blickfeld des Verfahrens geraten. Dennoch: Auf der Anklagebank sitzen neben dem einstigen Technosan-Chef Alexander C. auch sein damaliger Betriebsleiter sowie ein Maschinenführer aus Neuötting.

Beide haben die Machenschaften weitgehend gestanden - hierbei jedoch erklärt, auf Anweisungen des Chefs und der Firmenzentrale in Krailling gehandelt zu haben. Der Druck sei enorm gewesen, sagen sie. Das hat die Projektleiterin, die ebenfalls angeklagt ist, so beschrieben: "Ich habe nur noch wie im Hamsterrad funktioniert." Die Betrugsvorwürfe weist die Assistentin der Geschäftsleitung aber zurück.

So wird sich in diesem langen Prozess noch erweisen müssen, ob der Unternehmer Alexander C. als Boss alles autoritär selbst gesteuert hat, oder sich in Neuötting eine kriminelle Eigendynamik entwickelte. Der Umweltschaden ist jedenfalls erheblich.

© SZ vom 13.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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