Stromtrassen in Bayern:Aigner im Energiestress

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Ilse Aigner im Bayerischen Landtag. (Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Obwohl Bayern das Bundesland mit dem höchsten Atomstromanteil ist, will es am schnellsten raus aus der Kernkraft.
  • Ministerpräsident Seehofer hat auf dem Weg zusätzliche Hürden aufgebaut: die Windkraft geschwächt und eine Großdebatte um Stromleitungen vom Zaun gebrochen.
  • Wirtschaftsministerin Ilse Aigner soll das Problem nun lösen. Von ihrem Konzept hängt auch ihre Karriere ab.

Von Frank Müller, München

Anspannung zwischen Aigner und Seehofer

Damit Strom mit einer gewissen Stärke fließen kann, gilt ein einfaches Gesetz: Je größer der Widerstand, desto höher muss die Spannung sein. Übertragen auf die bayerische Staatsregierung heißt das: Eine Energiewende auf die Beine zu stellen, wird umso spannender, je größer die Widerstände sind.

Momentan gibt es Widerstände praktisch überall. Zwischen Ilse Aigner und Horst Seehofer nimmt die Spannung erkennbar zu - das ist in Kreuth bei der CSU-Klausur in dieser Woche hinreichend deutlich geworden. Einiges spricht dafür, dass alle Seiten auch in den nächsten Tagen kräftig unter Strom stehen. Es beginnt die letzte Woche, bevor Energieministerin Ilse Aigner nach Monaten der öffentlichen Debatte ihr Energiekonzept vorstellen will. Und beim Ministerpräsidenten steigt die Nervosität erkennbar.

In Kreuth gab es zwischen beiden zusammen mit Fraktionschef Thomas Kreuzer ein Gespräch, das die Fraktion als Krisentreffen wahrnahm - wogegen Aigner und Seehofer die Situation danach heruntermoderierten. Man rede ja ständig miteinander. Wahr daran ist auf jeden Fall, dass es zwischen den beiden sogar schon gröbere Zusammentreffen gab als jetzt in Kreuth. Die Frage ist, wie belastbar das Verhältnis zwischen beiden noch ist, auch wenn das keiner der beiden öffentlich sagt.

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Wirtschaftsministerin Ilse Aigner sorgt mit ihren Plänen für die Energiewende für Ärger und muss in Wildbad Kreuth zu einer "sehr ernsten" Unterredung mit CSU-Chef Seehofer. In Nordbayern fällt dagegen eine Entscheidung - für den Bau einer Stromtrasse.

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Seehofer macht sich offenkundig Sorgen, dass Aigner mit ihrem Konzept nicht die bestmögliche Ausgangsbasis für die anstehenden schwierigen Verhandlungen mit der Bundesregierung liefert. Aigner dagegen scheint immer mehr Schwierigkeiten zu machen, dass Seehofer weniger an den komplizierten Verästelungen des Energiemarkts interessiert ist. Sondern mehr am Großen und Ganzen und an einem vorzeigbaren bayerischen Erfolg.

Warum Bayern die Energiewende schwerfällt

Die Ausgangslage war von Anfang an kompliziert. Das Bundesland mit dem höchsten Atomstromanteil will am schnellsten raus aus der Kernkraft. Seehofer hat auf dem Weg zusätzliche Hürden aufgebaut: die Windkraft geschwächt und eine Großdebatte um Stromleitungen vom Zaun gebrochen. Ilse Aigner musste den Ball aufnehmen.

Seit fast drei Monaten sitzt sie mit Vertretern von Industrie, Energiewirtschaft, Bürgerinitiativen und Verbänden in einem pausenlosen und mit großem Trara angekündigten "Energiedialog" zusammen. Die Ergebnisse sollen die Basis liefern für alle Entscheidungen, die Berlin trifft: Welche großen Stromtrassen bekommt Bayern ab, wie realistisch ist der bayerische Wunsch, die Atomlücke mit Gaskraftwerken zu schließen?

Aigner will "Eckpunkte" vorstellen

Am Freitag und an diesem Samstag standen die letzten Detailsitzungen auf dem Programm, Montag in einer Woche gibt es eine Abschlussveranstaltung. Sofort danach will Aigner "Eckpunkte" vorlegen und diese auch am Tag danach im Kabinett verkünden. Mancher dieser Punkte wird keine Überraschung mehr sein: Von den ursprünglich geplanten zwei Großleitungen in den Freistaat wird Bayern eine, den westlicher gelegenen "SuedLink" akzeptieren und versuchen, ihn für die Bevölkerung erträglicher zu gestalten. Vermutlich wird die Leitung an mehr Stellen als bisher geplant unter der Erde verschwinden. Auch dass die Masten kleiner werden könnten als die bislang viel kritisierten 70 Meter zeichnet sich ab. So weit, so einfach.

Doch für beide, Aigner und Seehofer, geht es um viel mehr. Seehofer will unbedingt einen bayerischen Erfolg in Berlin, um die Wähler zu Hause bei Laune zu halten. Da stört es, wenn Aigner vorzeitig über Details plaudert. Ihm missfällt auch, dass Aigner zu viel über die Risiken redet. Seehofer will bayerische Botschaften und das sind solche, die positiv klingen.

Auch Aigner aber braucht dringend einen Erfolg - in eigener Sache. Sie will unbedingt beweisen, dass sie die Jahrzehntaufgabe Energiewende aus eigener Kraft meistern kann. Es ist eine Vorprüfung dafür, ob sie für höhere Aufgaben noch in Betracht kommt. Die Lage ist nicht einfacher geworden, seitdem ihr Dauerkonkurrent Markus Söder im Urteil der Bayern bei der Frage enteilt ist, wer kommender CSU-Spitzenkandidat werden soll.

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"Die Ilse steht an einer Weggabelung", sagt jemand, der die Entwicklung mit höchstem Interesse verfolgt. Entweder sie schafft es oder eben nicht. Wenn nicht, dann könnte das auch Seehofers sorgsam gepflegte Parteistatik bedrohen. Seehofer will mehrere annähernd gleich starke Möchtegern-Nachfolger und nicht einen übermächtigen. Deswegen scheint es ihn manchmal regelrecht zu betrüben, dass "die Ilse" aus ihren Möglichkeiten bislang zu wenig macht - jene Ilse, die er selbst erst aus Berlin nach München geschwatzt hatte. Sie kam als Bundeslandwirtschaftsministerin und wurde in München Wirtschaftsministerin - ein Posten, der vom Tourismus über die Start-Up-Szene viele Möglichkeiten zur Profilierung bietet.

Auch im Verhältnis zwischen Söder und Seehofer gab es vor nicht langer Zeit eine ernste Krise: Das war im September, die Lage war wie jetzt. Söder hatte aus seiner Sicht zu viel über den Länderfinanzausgleich geredet, damit sah Seehofer ebenfalls seine Berliner Verhandlungsposition geschwächt. Söder macht das seitdem nicht mehr. Seehofer gefällt's. Weniger Widerstand, weniger Spannung.

© SZ vom 24.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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