Spendenaffäre in Regensburg:Die bayerische SPD am absoluten Tiefpunkt

Auftakt Winterklausur  der bayerischen SPD-Landtagsfraktion

SPD-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher, bei der Klausur in Irsee.

(Foto: dpa)
  • Der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und zwei Beteiligte an der Spendenaffäre sitzen in Untersuchungshaft.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Bestechlichkeit, Bestechung und Beihilfe zur Bestechung vor. Alle Details lesen Sie hier.
  • In der Bayern-SPD ist der Schock groß, nur der Landtagsfraktionsvorsitzende findet, dass die schlechten Nachrichten zusammenschweißen.

Von Olaf Przybilla und Christian Rost

Die Serie an Tiefschlägen für die Bayern-SPD reißt nicht ab. Erst die Festnahme ihres Augsburger Landtagsabgeordneten Linus Förster, dann der überraschende Tod des erst 46-jährigen Memminger SPD-Oberbürgermeisters Markus Kennerknecht. Und während die Jusos einen Aufstand wegen eines Streits um Listenplätze lostraten, flatterte auch noch das Ergebnis einer Wahlumfrage ins Haus, bei der die SPD im Freistaat mit nur 14 Prozent Zustimmung völlig in den Keller abrutscht. All dies konnten die Genossen noch gar nicht richtig verdauen, da wurde der Haftbefehl für den Regensburger OB Joachim Wolbergs ausgestellt.

Eiseskälte herrscht draußen vor der Tür, völlige Niedergeschlagenheit bei der SPD-Landtagsfraktion im Kloster Irsee. Am Mittwochvormittag informiert die Generalsekretärin der SPD, Natascha Kohnen, die Abgeordneten über die Verhaftung. Zuvor ging bereits das Gerücht um, dass es in Regensburg zur Eskalation kommen könnte.

Die Bestätigung trifft die Sozialdemokraten trotzdem wie ein Schlag. Von "wahnsinnig großer Betroffenheit" in der Fraktion spricht Kohnen. Die Regensburger Abgeordnete Margit Wild packt sofort ihre Koffer und fährt nach Hause. Dort wollten am Mittwochabend die Mitglieder der Parteigremien zusammenkommen. Sie sei "total schockiert", sagt Wild vor ihrer Abreise, mahnt aber zur Ruhe.

Man dürfe "nichts übers Knie brechen". Tags zuvor, zum Auftakt der Klausur, stellte sich Fraktionschef Markus Rinderspacher noch schützend vor Wolbergs. Es gelte die Unschuldsvermutung, sagte Rinderspacher: "Ich bin überzeugt, dass der Regensburger OB nicht käuflich ist." Auf die Unschuldsvermutung verweist der Fraktionsvorsitzende auch nach dem Zugriff der Staatsanwaltschaft noch, und er meint, ein Richter müsse den Sachverhalt erst bestätigen.

Als dann die Nachricht kommt, Wolbergs müsse in Untersuchungshaft, erreicht die Stimmung ihren absoluten Tiefpunkt: "Auch das noch", ächzt die Fraktion. Rinderspacher sagt, er sei "nicht glücklich". Rinderspacher wäre aber nicht Rinderspacher, würde er aus der gefühlt hundertsten schlechten Nachricht für die Partei in den vergangenen Monaten nicht auch etwas Positives herauslesen. "Das schweißt zusammen", sagt er ohne jede Ironie und glaubt, dass "die SPD mehr denn je gebraucht wird".

Für Nürnbergs SPD-OB Ulrich Maly ist das ein schwarzer Tag. "Entsetzt, erschrocken, fassungslos" sei er über die Festnahme des Kollegen. Maly ist nicht für Dramatisierungen bekannt, am Mittwoch aber wirkt er beklommen. "Eine schreckliche Nachricht" sei das, "für den gesamten Berufsstand".

Maly fürchtet sogar Folgen für das Ansehen von Rathauschefs im Allgemeinen. "Da heißt es ganz schnell: Die sind doch alle so." An einschneidende Konsequenzen für die bayerische SPD glaubt er dagegen nicht. Immerhin, sagt Maly, sei es ein ranghoher Sozialdemokrat gewesen, der die Sache maßgeblich ins Rollen gebracht habe: der Schatzmeister der Landesverbandes, Thomas Goger, der Auffälligkeiten an die Staatsanwaltschaft gemeldet hatte. "Ein aufrechter Kerl", sagt Maly.

Malys SPD-Kollege aus Fürth, Thomas Jung, war früher selbst Staatsanwalt. Er weiß, was alles erfüllt sein muss, bis die Staatsanwaltschaft jemanden festnimmt. Ein "komplett deprimierendes Gefühl" empfindet er. Immerhin habe er den Kollegen als Hoffnungsträger wahrgenommen. "Endlich mal ein legerer, offener, sympathischer und gewinnender Typ", habe er sich gedacht, ein "großer Gewinn für die SPD". Verglichen damit sei das jetzt "ein irre harter Schnitt". Auch wenn er zuletzt schon ins Grübeln gekommen sei. Mit höchstens einem Viertel des Geldes, das in Regensburg für den Wahlkampf ausgegeben wurde, kommt die SPD im ähnlich großen Fürth aus. Spendengeld? Etwa 20 000 Euro gehen für die SPD in ganz Fürth ein, das ist ein Bruchteil dessen, was ein Ortsverein in Regensburg einheimste.

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