Prozess um Angriff auf Polizei:Sprechchöre im Gerichtssaal

Lesezeit: 1 min

Weil er bei einer Demo in Nürnberg mit einer spitzen Holzstange Polizisten attackiert hat, muss ein 19-Jähriger zweieinhalb Jahre in Haft. Nach dem Urteil kommt es zum Eklat - und der Richter lässt den Saal räumen.

Katja Auer, Nürnberg

Muss zweieinhalb Jahre ins Gefängnis: Deniz hat mit einer Fahnenstange Polizisten attackiert. Sein Verteidiger Martin Heiming (rechts) hatte einen vierwöchigen Jugendarrest gefordert. (Foto: dapd)

Mit einem Eklat ist der Prozess um den 19 Jahre alten Mann zu Ende gegangen, der bei einer Demonstration in Nürnberg mit einer angespitzten Fahnenstange auf Polizisten losgegangen ist. Zwei Jahre und sechs Monate muss er dafür ins Gefängnis. Kurz nachdem Richter Dieter Weidlich das Urteil verkündet hatte, protestierten die Unterstützer lautstark, die schon seit der Festnahme des jungen Mannes "Freiheit für Deniz" fordern.

Weidlich ließ den Saal räumen, nachdem er Provokationen, abfällige Bemerkungen für die Zeugen und auch Beifall für Deniz und seine Verteidiger vier Prozesstage lang geduldig hingenommen hatte. Draußen gingen die Sprechchöre weiter.

"Das ist kein politischer Prozess und es geht auch nicht um den Kampf irgendwelcher politischer Systeme", betonte Weidlich in seiner Urteilsbegründung. Dass Deniz bei der Demonstration des Antifaschistischen Aktionsbündnisses im März Polizisten angegriffen habe, sei allerdings zweifelsfrei erwiesen. Das Gericht verurteilte ihn schließlich wegen zweifacher versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruchs.

Damit fällt die Jugendstrafe hoch aus, wenngleich die ursprünglichen Vorwürfe stark abgemildert wurden. Angeklagt war der junge Mann aus Baden-Württemberg des fünffachen versuchten Totschlags, seit fast sieben Monaten sitzt er in Untersuchungshaft. Allerdings konnte der 19-Jährige nicht für alle Angriffe eindeutig als Täter identifiziert werden. Und zudem erlitt nur ein Polizist eine Schürfwunde, die anderen blieben dank ihrer Schutzausrüstung unverletzt.

"Er sonnt sich hier in der Rolle des Märtyrers"

Oberstaatsanwältin Ulrike Pauckstadt-Maihold hatte dafür plädiert, den Mann wegen zweifachen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung, zweifacher versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruchs zu drei Jahren und sechs Monaten Jugendhaft zu verurteilen. Sie bescheinigte ihm schädliche Neigungen und ein Reifedefizit. "Er sonnt sich hier in der Rolle des Märtyrers, als politisch Verfolgter", sagte sie.

Seine Verteidiger forderten für ihren Mandanten nur einen vierwöchigen Jugendarrest. Rechtsanwalt Martin Heiming machte indirekt gar der Stadt Nürnberg einen Vorwurf für die Eskalation. Die nämlich hatte den ursprünglich geplanten Verlauf der Demonstration durch die Fußgängerzone nicht erlaubt. Deniz habe die Änderung der Route als Provokation empfunden, argumentierte Heiming. "Ich kann das nachvollziehen."

Der zweite Verteidiger Iñigo Schmitt-Reinholtz kritisierte die Polizei, die mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgegangen war. Gewalt von beiden Seiten also. "Die einen schlagen, er sticht, die anderen schieben", sagte er. Gegen einen Polizisten wird noch ermittelt. Er soll seinen Schlagstock zu aggressiv gebraucht haben.

© SZ vom 15.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: