Shopping im Internet:Online bestellen beim Metzger um die Ecke

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Der Kunde wird fauler: Davon gehen Experten aus. Waren - ob Wurst oder Winterstiefel - werden immer öfter im Netz bestellt.

(Foto: Illustration: Dennis Schmidt/Fotos: dpa)
  • Im Auftrag des bayerischen Wirtschaftsministeriums werden Kaufleute in Coburg, Günzburg und Pfaffenhofen zum Thema digitaler Handel beraten.
  • "Digitale Einkaufsstadt Bayern" heißt das Modellprojekt.
  • Alle drei Städte haben mittlerweile Online-Portale aufgelegt, zentrale "Schaufenster" für Händler.

Von Johann Osel

In der Metzgerei Krammer in Pfaffenhofen geht es an diesem Vormittag um Kurzfristiges und Langfristiges. Der Tagesbetrieb beginnt und vorne im Laden, bei den Kunden und den Angeboten der Woche - "Kalbsbraten von der Schulter, marinierte Grillbauchscheiben, bayerische Milzwurst (auch paniert), Zillertaler Bergkäse" - bekommt man den Trubel hinten kaum mit. Metzger, Köche, Küchenhelfer sind da zu Gange, vor allem auch für das Mittagsgeschäft im dazugehörigen Restaurant in ein paar Stunden.

Gyrospfanne mit Paprikareis oder Zander in Mandelbutter stehen heute auf der Karte. Christiane Krammer lässt das Geklapper der Küche hinter sich, im noch leeren Stüberl des Lokals trifft sie Philipp Schleef: Absprachen für die langfristige Aufgabe. Schleef ist Projektmanager bei der Wirtschafts- und Servicegesellschaft Pfaffenhofen, die 25 000-Einwohner-Stadt an der Ilm soll "Digitale Einkaufsstadt" werden. Genauer gesagt: Örtliche Geschäftsleute sollen künftig die Chancen des Internets nutzen. Oder, zugespitzt formuliert: Der Krammersche Kalbsbraten erprobt bald die Zukunft des Einzelhandels.

Vor anderthalb Jahren war Startschuss für das Modellprojekt "Digitale Einkaufsstadt Bayern", seitdem werden im Auftrag des Wirtschaftsministeriums drei Städte von Experten beraten. Sie sollen experimentieren - und feststellen, wie sich der stationäre und der digitale Handel am Ort verschränken lassen. Aus drei Dutzend Bewerbern wurden ausgewählt: das fränkische Coburg, das schwäbische Günzburg und eben Pfaffenhofen in Oberbayern.

Es geht um Städte mit mindestens 10 000 Einwohnern, mit gutem Handelsmix; nicht um die häufig beklagten sterbenden Dorfkerne, die bereits Probleme dabei haben, den letzten Lebensmittelladen zu halten. "Immer mehr Menschen informieren sich und bestellen im Internet. Der mittelständische Handel und die Städte müssen sich auf diese neue Situation einstellen. Jammern hilft nicht!", heißt es aus dem Ministerium von Ilse Aigner (CSU). Bis 2018 sollen "Modelle" entstanden sein, das Projekt ist auf der Zielgeraden. Alle drei Städte haben mittlerweile Online-Portale aufgelegt, zentrale "Schaufenster" für Händler.

In Pfaffenhofen ist die Seite "Besser daheim" seit Kurzem im Netz - mit dem Auftritt von Christine Krammer. Eine erste Version zunächst, eine digitale Visitenkarte mit grundsätzlichen Informationen, einigen Fotos, unter einem Dach mit anderen Geschäftsleuten. Was bringt ihr das? Zumal der Laden augenscheinlich gut läuft, in fünfter Generation. "Auf Tradition kann man sich nicht ausruhen", sagt Krammer. Die Leute würden online-affiner, es gebe viele Zugezogene. Sie denkt zum Beispiel an ihre Büffets - wenn jemand ein Fest plant und "Catering Pfaffenhofen" googelt, soll er bei ihr landen.

Auch will sie im Netz zeigen, "was ein Handwerk, was ein Fachgeschäft ausmacht", worin der Unterschied liege zur Wurst aus dem Discounter. Videos über die Herstellung könnten das vielleicht später mal leisten. Und da ist die Idee mit dem "Frischedienst". Pfaffenhofen ist eine Pendlerstadt, Bürger arbeiten nicht selten in München oder Ingolstadt. Wenn sie abends heimkommen, haben die Läden oft zu.

Im Idealfall könnten sich Kunden schon tagsüber Brotzeit oder Einkauf online zusammenstellen und später liefern lassen, vom Metzger, vom Bäcker, vom Gemüsehändler. Krammer sagt: "Das Kundenverhalten entwickelt sich ständig weiter, daher müssen wir uns entwickeln. Das ist ein Zug, den wir nicht davonsausen lassen dürfen."

Shopping im Internet: "Ein Zug, den wir nicht davonsausen lassen dürfen", sagt Christine Krammer über den Online-Einkauf. Mit Bruder Martin führt sie die Metzgerei.

"Ein Zug, den wir nicht davonsausen lassen dürfen", sagt Christine Krammer über den Online-Einkauf. Mit Bruder Martin führt sie die Metzgerei.

(Foto: BesserDaheim.de)

Nicht jeder in der Stadt denkt so, und Philipp Schleef ist deswegen auf Werbetour, seit vielen Monaten. Er erklärt, was mit dem Projekt alles möglich sein könne; dass nicht ehrwürdige Läden plötzlich zu Online-Shops mutieren sollen, dass man allerdings digitale Dinge ergänzend nutzen kann. Vielleicht irgendwann nutzen muss, um zu überleben. Kritischen Geistern, so Schleef, gehe es weniger um die bis zu 50 Euro, die monatlich etwa für den Technik-Dienstleister zu zahlen sind - sondern sie fragten sich, ob sie das wirklich brauchen.

Man müsse sich die Trends anschauen, sagt der Projektleiter dann: Amazon testet mittlerweile auch Lebensmittelhandel im Netz, ebenso große Supermarktketten, Online-Händler aller Branchen drängten auf den Markt. Studien zeigten: Viele Kunden im lokalen Fachhandel recherchierten vorm Kauf im Netz - über die gewünschte Kamera, die Outdoor-Jacke -, stark sei die Versuchung, gleich online zu bestellen.

Die Beliebtheit des Online-Einkaufs ist nicht zu stoppen

"Online-Shopping ist bequem, schnell, unabhängig von Öffnungszeiten. Aber der Schaufensterbummel entfällt, bei dem man vielleicht noch andere Waren entdeckt", sagt Schleef. "Das Schlimmste ist: Das Geld bleibt nicht hier." Mit Kunden, die das Internet von Jugend an nutzen, werde sich das in Zukunft verstärken.

Sein Fazit: Das Geschäft am Ort - mit Beratung, Vertrauen, kurzen Wegen - muss in der neuen Einkaufswelt mindestens präsent sein. "Was wäre eine Stadt ohne ihre Geschäfte? Das lässt sich leider mancherorts sehen." Aktuell gebe es kaum Leerstand in Pfaffenhofen - das soll so bleiben. Das Modellprojekt soll laut Wirtschaftsministerium Wege aufzeigen, die auf andere Kommunen übertragbar sind. Letztere könnten freilich am Ende auch erkennen, was nicht gut klappt.

Generell seien Städte wieder "in", teilt die Münchner Handelsberatung BBE mit, einer der Expertenpartner des Ministeriums. Viele Menschen zögen vom Land wieder zurück in die City. Trotzdem gerieten alteingesessene Geschäfte unter Druck, großflächige Einkaufscenter würden dagegen wachsen.

Es gebe kein fertiges Konzept, das man Kommunen überstülpen könne. Allgemein aber gelte: Die Beliebtheit des Online-Einkaufs sei langfristig nicht zu stoppen, bis 2025 würden 42 Prozent der Textilien im Netz geordert werden, immerhin fünf Prozent der Lebensmittel. Und: "Der Kunde wird noch fauler."

Kann das Stadt-Portal die Lösung sein? Dass Pfaffenhofen, Günzburg und Coburg ein solches auflegen, ist kein Zufall. In einer Bürgerbefragung zum Start des Projekts in den drei Städten sei genau das vielfach gewünscht worden, stellen die bisherigen Projektberichte fest. Philipp Schleef weiß, dass regionale Online-Marktplätze "natürlich keine neue Erfindung" sind. Oft liefen aber mehrere Portale von Städten, Gewerbevereinen und privaten Initiativen nebeneinander, keines davon werde richtig betreut.

40 Geschäfte hat er schon gewonnen, von Dirndlmode bis zum Optiker, von Tierbedarf bis PC-Service, Schuhhaus, Apotheke, Florist. Die Akquise läuft weiter, zahlreiche weitere sollen dazukommen. Schleefs Vision: Im Idealfall würden die Pfaffenhofener, wenn sie zum Beispiel ein bestimmtes Turnschuhmodell suchen, schnell sehen, wo in der Stadt sie es erhalten. Und wer einmal mit der Seite ein "positives Shoppingerlebnis" habe, steuere sie danach direkt an. Vielleicht statt Amazon.

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie emsig die Geschäftsleute sind, wie sie sich präsentieren; und ob die Bürger das Ganze annehmen. Der offizielle Portal-Start mit Werbung und Info-Buhei ist für den Herbst geplant. Sonderlich mit Einträgen bestückt ist die junge Seite jetzt noch nicht. Erste Blumensträuße vom Floristen wurden schon online bestellt und geliefert, hört man.

Doch die Warensysteme der Händler sind nur mit ein paar wenigen Produkten angeschlossen. Die Metzgerei Krammer bietet bisher zum Online-Kauf nur an: hausgemachten Leberkäs und Bierwurst in der Dose. Akut kann man das aber nicht bestellen - erst wieder Anfang September, nach den Betriebsferien.

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