Kabinett:CSU will einzelne EU-Staaten vom freien Grenzverkehr ausschließen

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Im Kabinett war die Flüchtlingspolitik das große Thema. (Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Die CSU hat erneut ein Papier zur Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik vorgelegt.
  • Eine Arbeitsgruppe, die Horst Seehofer nach dem Anschlag in Berlin einberufen hat, erarbeitete dafür 61 Vorschläge bezüglich der "Freiheit und Sicherheit durch Recht und Ordnung".
  • Einzelne EU-Staaten wie Italien, Griechenland, Kroatien oder Portugal sollen demnach vom freien Grenzverkehr ausgeschlossen werden.

Von Wolfgang Wittl, München

Verwirrend? Zumindest lohnt es sich darüber nachzudenken, welche Liste inzwischen länger ist: die mit den vielen Vorschlägen, mit denen die CSU die Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik seit Monaten verschärfen will; oder jene Liste allein mit den Auftritten, bei denen sie ihre Forderungen präsentiert. Stapelweise produziert die CSU derzeit Papiere, am Dienstag waren es sogar zwei. Aus diesem Grund ein kleiner Überblick.

Nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach stellte die CSU in Gestalt der Staatsregierung Ende Juli einen dicken Katalog namens "Sicherheit durch Stärke" vor. Bei der Parteivorstandsklausur in Schwarzenfeld debattierte sie über den "Bayernplan" mit den Schwerpunkten Sicherheit, Zuwanderung, Integration.

Die Landtagsfraktion stellte ihre Herbstklausur unter das Motto "Freiheit braucht Sicherheit". Auf dem Parteitag beschloss die CSU ihr neues Grundsatzprogramm "Die Ordnung". Die Landesgruppe verabschiedete im Kloster Seeon soeben ihr Programm "Sicherheit für unsere Freiheit". Und nun also wieder das Kabinett.

"Freiheit und Sicherheit durch Recht und Ordnung" lautet die Überschrift über das 21-seitige Werk, das die Minister Joachim Herrmann, Winfried Bausback und Marcel Huber am Dienstag ihren Kollegen vorgelegt haben. Es enthält eine Fülle von Vorschlägen, mit denen die Staatsregierung das Land noch sicherer machen wolle: im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, gegen Wohnungseinbrüche, gegen Internetkriminalität - oder auch zur "Kontrolle und Begrenzung des Asylbewerberzustroms nach Deutschland".

61 einzelne Maßnahmen hat die Arbeitsgruppe erarbeitet, die Ministerpräsident Horst Seehofer nach dem Anschlag von Berlin einberufen hat. Die meisten davon sind bekannt; viele warten darauf, in der Bundespolitik Unterstützer zu finden. Die Staatsregierung sei daher "unzufrieden über den Zustand, der sich im Moment darstellt", wie Staatskanzleichef Huber mit Blick auf den Bund und die aus CSU-Sicht schleppende Umsetzung bereits gefasster Beschlüsse sagte: "Das ist nicht haltbar."

Neu ist der Vorschlag aus Bayern, einzelne EU-Staaten vom freien Grenzverkehr auszuschließen, darunter beliebte Urlaubsländer wie Italien, Griechenland, Kroatien oder Portugal. "Staaten, die gegen geltendes EU-Recht verstoßen und auf diese Weise die Sicherheit in Europa beeinträchtigen, dürfen nicht weiter vom Schengen-Raum profitieren", heißt es in der beschlossenen Kabinettsvorlage.

Die vier genannten Länder sowie Irland beteiligen sich bislang nicht am EU-weiten Austausch von Kriminalitätsdaten - ein unhaltbarer Zustand, wie Innenminister Herrmann sagte. Er forderte die Bundesregierung auf, ab sofort den Flugverkehr zu diesen Staaten zu kontrollieren. Sowohl der Attentäter von Berlin als auch der mutmaßliche Mörder einer Studentin in Freiburg seien in Italien und Griechenland straffällig geworden, ohne dass diese Informationen verfügbar gewesen wären, kritisierte Herrmann.

Einen "Kompass für das politische Handeln" soll das Positionspapier liefern, das der Ministerrat ebenfalls verabschiedet hat. Seehofer hat dieses "Regelwerk" persönlich verfasst, er will damit "eine dauerhaft tragfähige Antwort auf die Herausforderung der Migration" finden. Neben einer Obergrenze für Flüchtlinge (200 000) fordert Seehofer darin "zuallererst die Bekämpfung von Fluchtursachen". Man müsse "schauen, dass die Lebensperspektiven der Menschen vor Ort so gut sind, dass sie gar keinen Grund haben, ihr Land zu verlassen", sagte Huber.

Seehofer denkt dabei etwa an einen "Afrikapakt" der Europäischen Union. Es müsse allerdings auch möglich sein, Menschen an den deutschen Grenzen zurückzuweisen und "eine faire und solidarische Verteilung in der EU" herzustellen. Überschrieben ist das Papier mit einem Satz von Angela Merkel: "Damit Deutschland Deutschland bleibt."

Ob die Kanzlerin sich von der bayerischen Produktivität beeindruckt zeigt, bezweifeln Fachleute indes. "Horst Seehofer droht und droht und droht und beschließt ein Papier nach dem anderen - doch die Bundeskanzlerin lässt sich anscheinend nicht unter Druck setzen", sagte Ursula Münch, die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, der Deutschen Presse-Agentur: In der ständigen Vorlage von Papieren komme "eine gewisse Ohnmacht zum Ausdruck". Das Problem sei: Wenn Seehofer nachlege, "wird diese Vergeblichkeit seiner Bemühungen erst so richtig sichtbar", sagte Münch.

Seehofer sieht das genau anders: "Unsere Forderungen in Berlin werden Stück für Stück angenommen - leider nur immer erst mit Zeitverzögerung", sagte er der SZ. Er empfinde deshalb kein Gefühl der Ohnmacht, sondern vielmehr der Genugtuung. Aber auch "ein Stück weit Wut, dass das Menschenmögliche, das wir tun könnten, nicht schnell genug geschieht". Die CSU jedenfalls wird zum Thema Sicherheit weitere Papiere verfassen, das nächste wohl bereits kommende Woche bei der Winterklausur der Landtagsfraktion in Banz.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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