Jubel in Würzburg:Wir sind Nowitzki!

Lesezeit: 3 min

Ausnahmezustand in Unterfranken: Dirk Nowitzkis Heimatstadt Würzburg feiert ihren Basketball-Helden. Und Vater Nowitzki? Der wäre gerne in die USA geflogen, bleibt aber in Deutschland - weil im heimischen Malerbetrieb die Arbeit ruft.

Olaf Przybilla

Jürgen Weber kann sich noch gut an die Situation erinnern. Vor ihm steht ein 13 Jahre alter Bub mit Tennisschläger, ein sympathischer Schlaks und einer, der die anderen Jungen um anderthalb Köpfe überragt. Das Bild dieses Schülers hat sich dem damaligen Würzburger Oberbürgermeister eingebrannt, aber nicht eigentlich deshalb, weil der Junge so begnadet Tennis gespielt hätte - obwohl Weber dem hoffnungsvollen Würzburger damals eine Ehrung zukommen ließ, im Namen der Stadt.

Beim Public Viewing in der Cafeteria des ehemaligen Gymnasiums von Dirk Nowitzki feiern die Fans. (Foto: dapd)

Weber bewegte mehr die Frage, ob dieser unglaublich siegeswillige Schlaks mit dem Schläger in der Hand wirklich glücklich werden würde in seinem Sport. Dem Jungen, Dirk Nowitzki, ging es offenbar ähnlich.

Wer mit Jörg Nowitzki, dem Vater des Jungen, zehn Jahre nach dieser Ehrung durch Würzburg streifte, bekam eine verblüffende Geschichte zu hören: Sein Sohn Dirk, der NBA-Spieler, bekam den ersten Basketball tatsächlich erst mit 14 Jahren geschenkt. Warum? Die Zeiten waren andere damals, Tennis war in den frühen 1990er Jahren angesagt und wurde im Hause Nowitzki gepflegt.

Bis irgendwann Sohn Dirk dem Papa mitteilte, dass er von nun an keine rechte Lust mehr auf Filzbälle habe - weil die Gegner stets zwei Köpfe kleiner waren, und die hübschen Erinnerungsfotos mit Besiegten dadurch allesamt einen irgendwie albernen Beigeschmack bekämen. Der Sohn bekam also größere Gegner - und ein größeres Spielobjekt. Mit diesem hat er seine Heimatstadt in der Nacht zum Montag in Verzückung versetzt.

Es ist mitten in der Nacht in Würzburg, als der 32-Jährige mit den Dallas Mavericks den NBA-Sieg klarmacht und Sportgeschichte schreibt. Würzburg ist eine große Universitätsstadt, im Kneipenviertel zwischen der Münz- und der Sanderstraße ist um diese Zeit normalerweise trotzdem nur noch überschaubar viel geboten. In der Nacht aber ist das anders.

Zwar vermuten die wenigsten, dass der entscheidende Sieg bereits in dieser Nacht fallen könnte. Die Sportbars aber sind prall gefüllt und sogar im Röntgengymnasium, dort wo Dirk Nowitzki Abitur gemacht hat, haben sie spontan eine Leinwand aufgebaut. Als es dann doch schon passiert, als einer der Ihren endgültig zum Weltstar wird, feiern die Würzburger, bis es hell wird.

Dirk Nowitzki: Reaktionen
:"Dirk ist ein ganz Großer"

Die Teamkollegen überschütten Dirk Nowitzki mit Lob, auch von NBA-Legende Magic Johnson kommen große Worte. Sogar die deutschen Formel-1-Piloten schicken Glückwünsche - Nowitzkis Heimatstadt Würzburg steht ohnehin Kopf.

Die Reaktionen in Bildern

Von Dallas aus kann man das vorzüglich beobachten: Dort schalten die Fernsehstationen immer wieder nach Unterfranken, die Zuschauer sehen enthusiastische Würzburger und hupende Autos. Am Tag nach dem Triumph feiert Würzburgs Rathauschef Georg Rosenthal Nowitzki als einen der "größten Basketballer aller Zeiten".

Angespannt: Niko Weber (Mitte), Dirk Nowitzkis erster Profitrainer. (Foto: dapd)

Mittendrin feiert Jörg Nowitzki, der Vater des Mannes, der gerade Geschichte geschrieben hat. Nowitzki hat ein leicht errötetes Gesicht, er sagt, er habe diesen Sieg seinem Sohn so gegönnt, denn dieser habe "darauf hingearbeitet wie ein Verrückter". Die Geschichte des Jörg Nowitzki ist eine ganz eigene in diesen Tagen und wäre der Triumph seines Sohnes nicht so überwältigend, könnte man auf die Idee kommen, dass dieser Geschichte auch ein kleiner melancholischer Nebenaspekt innewohnt.

Denn natürlich wäre der Vater in der Stunde des Sieges gerne bei seinem Sohn gewesen. Das aber hat nicht geklappt, weil Vater Nowitzki, 68, weiterhin ein Würzburger Malergeschäft betreibt. Für die Zeit, in der sein Sohn um den NBA-Sieg spielte, hatte der wichtigste Mitarbeiter des Betriebs Urlaub eingereicht. Und weil es kaum einer für möglich hielt, dass Nowitzki um den Titel spielen würde, hatte der Vater also zugesagt, den Betrieb im Juni zu leiten. So etwas ändere man dann nicht kurzfristig, sagt der Malermeister und frühere Würzburger Stadtrat, "Ehrensache".

So kennen sie die Nowitzkis in Würzburg. Wen immer man um eine Charakterisierung dieser Familie bittet, ein Wort fehlt bestimmt nicht: Bescheidenheit. 1998, als 19-Jähriger, ist Dirk Nowitzki vom damaligen Zweitligisten DJK Würzburg nach Amerika gewechselt, nach der NBA-Saison aber kommt er regelmäßig nach Franken zurück, trainiert dann in Rattelsdorf bei Bamberg, bei seinem Mentor Holger Gschwindner. Oder aber auf einem früheren Brauereigelände im Westen Würzburgs, dort wo die künftige Erstliga-Mannschaft seiner Heimatstadt trainiert - aber auch der Würzburger Nachwuchs versucht, erste Körbe zu werfen.

Wer zuschaut, mit welcher Selbstverständlichkeit dieser 2,13-Mann da Seite an Seite mit der Jugend in die Körbe wirft, der möchte kaum glauben, dass da ein NBA-Star seiner Arbeit nachgeht. Das nächste Mal, wenn Nowitzki zurückkommt, werde "das ganz sicher kein bisschen anders sein", sagt einer, der ihn lange kennt. "So sind die Nowitzkis", sagt der Vertraute, "und die Würzburger lassen sie genauso - möglichst unbehelligt."

Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Chancen, Nowitzki irgendwann nach München zu lotsen, schlechter stehen, als sich das mancher wünschen würde. Die Main Post hat Jörg Nowitzki dieser Tage gefragt, ob es wohl denkbar wäre, dass sein Sohn möglicherweise künftig bei den aufstrebenden Basketballern von Bayern München spielen könnte. Die Antwort des Vaters war unmissverständlich: "Also, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Nein, nein, dass er dort hingeht, das übersteigt wirklich bei weitem meine Vorstellungskraft."

© SZ vom 14.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

NBA-Titel für Dirk Nowitzki
:"Ich habe ein bisschen geheult"

Als die Schlusssirene ertönte, rannte Dirk Nowitzki erstmal aus der Halle. Die Emotionen hatten ihn übermannt. Später wurde jedoch kräftig gefeiert, auch Nowitzki fand schnell seine Worte wieder - und sprudelte vor Glück.

Das entscheidende Spiel in Bildern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: