Hypo Alpe Adria: Alltag in Kärnten:Eine Hand beschmutzt die andere

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Genussregion Kärnten: Wo Haider einst 100-Euro-Scheine verteilte und man anstelle einer Stadtbibliothek lieber eine Fußballarena baut.

Josef Winkler

Der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hat in Klagenfurt bedürftige und arme Leute zum Amt der Landesregierung hin gelockt und auf der Marmortreppe diesen Menschen, denen es auch durch ihre lebenslange Arbeit nicht gelungen ist, am Wohlstand teilzuhaben, mit der kleinlichen Geste und mit seinen kurzen Armen 100 Euro in die Hände gedrückt.

Der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider mit Wahlkampfmanager Stefan Petzner (re.) und dem Kandidaten Peter Westenthaler (li.). (Foto: Foto: AP)

Und gleichzeitig hat er mit einer maßlos großzügigen Geste und mit einem vergoldeten, langen Arm, gemeinsam mit dem Vorsitzenden der christlichen und auch noch sozialen Volkspartei, Josef Martinz, dem Villacher Steuerberater Dietrich Birnbacher beim Verkauf der Kärntner Hypo-Bank an die Bayern für seine Beratung sechs Millionen Euro zugeschanzt. Der so begünstigte Steuerberater hat die Aktion mit diesen Worten begründet: "Es waren zwei arbeitsintensive Monate!"

Diese Aktion des Landeshauptmanns war eine schwere Demütigung bedürftigen Menschen gegenüber. Aber er hat es vorgezogen, mit diesem Geld aus Landesvermögen, einem Steuerberater, mit dem der christliche und auch noch sozial denkende und fühlende Mensch, Kärntner Spitzen-Politiker und Lourdes-Marien-Wallfahrer, Josef Martinz, befreundet ist, zum Multimillionär zu machen.

Der röm.-kath. Josef Martinz, den man oft bei Werbeeinschaltungen in Zeitungen - "Genussregion Kärnten" - mit einer Holzplatte in der Hand sieht, auf der er Kärntner Speck und Kärntner Selchwürste präsentiert und der deshalb von vielen Leuten "Brettl-Jausn-Sepp" genannt wird, hat vor über einem Jahr einen schweren Verkehrsunfall überlebt und nach seiner Genesung demutsvoll erzählt, dass ihm die "Lourdes-Mitzi" bei diesem Unglück das Leben gerettet hat.

Ein Stadion, aber keine Stadtbücherei

In Klagenfurt, in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern, haben größenwahnsinnige Politiker - selbstverständlich war auch der inzwischen Verstorbene dabei - für viereinhalb Stunden Fußball, die drei Spiele der Europameisterschaft 2008, ein Stadion mit 30.000 Sitzplätzen bauen lassen, das 70 Millionen Euro gekostet hat. Jetzt steht der Krempl da, und sie wissen nicht so recht, was sie damit anfangen sollen, damit sich auch die laufenden Kosten dieses Ungeheuers aus Stahl in dieser Kleinstadt rentieren.

Die Universitätsstadt Klagenfurt hat außerdem seit dem Zweiten Weltkrieg keine Stadtbibliothek, seit also mehr als 60 Jahren nicht. Das ist europaweit einzigartig. Und ich fürchte auch, dass diese das Land Kärnten regierenden politische Banditen gar kein Interesse haben, dass sich die jungen Menschen auch außerhalb der Schule weiterbilden und vielleicht sogar - Gott behüte! - zu kritisch denkenden, diese Art von ausbeuterischer Politik verachtenden Menschen werden.

Jeder zweite nicht mehr in die Schule gehende Jugendliche hat keine Arbeit, aber anstatt endlich eine Stadtbibliothek zu bauen oder dieses Geld zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu verwenden, hat man mit einem zentnerschweren Goldklumpen die Brieftasche dieses Villacher Steuerberaters aufgefettet; für sechs Millionen Euro bekommt man 280 Kilogramm reines Gold.

Der jetzige Landeshauptmann, der auf der Blutsuppe von Jörg Haider dahergeschwommen ist, hat sich ebenfalls vor Weihnachten auf die Marmortreppe des, wie es so schön heißt, Amtes der Kärntner Landesregierung gestellt und hat die Bedürftigten mit lächerlichen 100 Euro abgespeist, dieser Nachfolger, der auch mehrfach der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, dass er sich am allerliebsten im Wald bei Holzfällerarbeiten aufhält und der den Klingelton seines Handys auf ein Motorsägengeräusch gestellt hat. Er hebt ab und sagt: "Dörfla!"

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Er hat sich nicht davor geschämt, am ersten Todestag von Jörg Haider ebenfalls auf der Marmortreppe Gratis-Kerzen ans Volk verteilen zu lassen.

Gerhard Dörfler und Claudia Haider halten ein Bild des verstorbenen Jörg Haider hoch. (Foto: Foto: Reuters)

Dieser neue Landeshauptmann von Kärnten, der in seiner noch nicht einmal einjährigen Amtszeit auch durch rassistische und frauenfeindliche Äußerungen aufgefallen ist, der aber beweisen wollte, dass er alles andere als ein Rassist ist, hat vor kurzem bei einem von den Fernsehkameras verfolgten internationalen Dauerlauf in Kärnten den siegreichen Schwarzen auf seinen Schultern getragen, um dann einige Wochen später die Verstaatlichung der grauslich maroden Hypo-Bank gemeinsam mit dem Marienverehrer Josef Martinz zu bejubeln und der österreichischen Öffentlichkeit frohlockend mitzuteilen: "Kärnten ist nicht Neger!"

Mehr Geld für alle Parteien

Die Kärntner Landtagsparteien (BZÖ/ÖVP/SPÖ/Grüne) haben sich im Mai 2009 in einer Nacht- und Nebelaktion, als die Leute von der Presse und der Rechnungshofpräsident bereits außer Haus waren, für diese Legislaturperiode bis 2014 Parteienförderung in der Höhe von 60 Millionen Euro durch Handaufzeigen genehmigt - die eine Hand beschmutzt die andere!

Gleichzeitig haben die beiden Regierungsparteien, die Partei des Landeshauptmannes (BZÖ) und die christliche und erst recht herzerwärmende soziale Kärntner Volkspartei vom Marienverehrer und Lourdes-Wallfahrer Josef Martinz, durch Handaufzeigen beschlossen, den Heizkostenzuschuss zu kürzen. Und jetzt, im Bergbaumuseum, in einem ehemaligen Nazistollen, wurde von seinen Totenkulterern ein Haider-Museum (Steuergeldkosten: 80.000 oder auch 40.000 Euro, keiner weiß es genau) auf die Beine gestellt, in dem man auch das von in Kärnten ausgeschlüpften Motten malträtierte Hochzeitskleid des ehemaligen Brautpaares begutachten kann.

Auf einem ausgestellten farbigen Foto sieht man das Autowrack von Jörg Haider mit seiner Blutlache unter den trauerfolkloristisch berieselnden Klängen Kärntner Heimatlieder: "Valosn, valosn, wie a Stan auf da Stroßn, so valosn bin i!" (Übersetzt: Verlassen, verlassen, wie ein Stein auf der Straße, so verlassen bin ich!) In diesem Mini-Maus-Oleum kann man ein sich ununterbrochen abspulendes Leichenbegängnis verfolgen, ein Tränendrüsenspektakel sondergleichen, wo ER ständig einbalsamiert und ausbalsamiert wird, den ganzen Tag über. Einbalsamieren! Ausbalsamieren! Einbalsamieren! Ausbalsamieren!

Mein Onkel Hermann, der ein Nazi und Kriegsgefangener in Italien war, sagte mal zu mir: "Seppl! Weißt, was ich dir sag?! Die Italiener gehören alle mit einer Schubraupe bis zum Stiefel hinuntergeschoben!" Ähnliche Ausdrücke habe ich von politisch redlichen, über dieses Land und deren Politiker verzweifelnden, in Wien lebenden Menschen auch über Kärnten gehört. Mich hat man schon oft gefragt, warum ich denn hier überhaupt noch wohne in Klagenfurt, in Kärnten. Ich halte es mit Herbert Achternbusch, der über Bayern gesagt hat: "Diese Gegend hat mich kaputtgemacht, und ich bleibe, bis man ihr das anmerkt!"

Der Schriftsteller Josef Winkler, 56, lebt in Klagenfurt. 2009 hielt der Büchnerpreisträger die Eröffnungsrede beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Titel: "Der Katzensilberkranz in der Henselstraße."

© SZ vom 12. Januar 2010/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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