Einbrüche:Wenn die eigene Wohnung zur Quelle von Ängsten wird

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Ein fiktiver Einbrecher hebelt mit einem Brecheisen eine Tür im Keller eines Wohnhauses auf (gestellte Szene). (Foto: Silas Stein/dpa)
  • Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Bayern sinkt, 2017 ging sie um 19,1 Prozent zurück.
  • Trotz des Rückgangs der Fallzahlen ist die gefühlte Brisanz des Themas hoch.
  • 35 Prozent der Befragten gaben bei einer Umfrage an, persönlich große Angst vor Einbrechern zu haben, 2005 sagten das noch 28 Prozent.

Von Johann Osel, München/Landshut

Über die Terrasse kommt der Täter in das Haus am Finkenweg, er bricht die Tür auf; mit zwei Goldringen und einem vierstelligen Geldbetrag zieht er kurz drauf ab. Wenige Straßen weiter an der Wacholderstraße hebelt ein Unbekannter ein Fenster auf; weil die Bewohner daheim sind, sucht er das Weite. Ein dritter Einbruch in Ergolding bei Landshut scheitert an dem Wochenende an einer hartnäckigen Kellertüre, die Tage davor und danach aber wird üppige Beute gemacht: Uhren, Schmuck, Geld, ganz in der Nähe werden aus einem Rohbau Maschinen im Wert von 7000 Euro gestohlen.

Der Begriff Serie passt gut für das, was zum Jahresbeginn in und um Landshut Bürger in Angst versetzt hat: einige Dutzend Einbrüche, oft im Versuchsstadium. "Hoffentlich hat das bald ein Ende, schrecklich", schrieb eine Frau im Internet unter die Presseberichte. Die Polizei fahre nur einmal am Tag durchs Dorf, klagte ein anderer. Laut Statistik aber sinkt die Anzahl der Wohnungseinbrüche in Bayern, 2017 ging sie erneut zurück - um 19,1 Prozent auf 6045 Delikte. Der niedrigste Wert seit fünf Jahren. Und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) freut sich, dass sich "unsere intensiven Bemühungen" im Kampf gegen Einbrüche auszahlen. Wie passt das zusammen?

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Getrübt werde das Ergebnis nur von der steigenden Zahl der Straftaten, die von Flüchtlingen begangen werden, sagt Bayerns Innenminister Herrmann.

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Seit 2015 registriert die Polizei im Freistaat nun sinkende Zahlen in dem Kriminalitätsbereich. Den 6045 Delikten vom vergangenen Jahr stehen fast 7500 in den Jahren 2015 und 2016 sowie mehr als 8200 noch 2014 gegenüber. Allerdings war bis 2014 der Wert regelrecht in die Höhe geschossen, daher liegt das Niveau jetzt noch immer höher als zum Beispiel vor sieben Jahren. Die Gesamtentwicklung lässt sich durchaus auf die Freizügigkeit in der EU zurückführen. Einbrüche nur den berüchtigten "osteuropäischen Banden" zuzuschreiben, wäre dennoch zu einfach.

In den Reihen der Täter ist etwa auch klassische Beschaffungskriminalität durch örtliche Täter oder Drogensüchtige zu finden. 52 Prozent der 2017 tatverdächtigen Einbrecher in Bayern hatten keinen deutschen Pass. Knapp acht Prozent aller Tatverdächtigen sind abgelehnte oder berechtigte Asylbewerber und Flüchtlinge. Auf diese Gruppe entfallen bei anderen Delikten wie Sexualstraftaten oder Raub höhere Anteile. Die neuen Daten hat der Innenminister vergangene Woche mit der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2017 vorgestellt.

Die mitunter gefühlte Brisanz des Themas trotz Rückgangs der Fallzahlen hat wohl mehrere Gründe. Herrmann sagte sinngemäß, dass die Trend-Umkehr erst in den Köpfen ankommen müsse. Eine Umfrage des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft stützt die These. So meinen fast 80 Prozent der Befragten, dass das Risiko, generell Opfer eines Einbruchs zu werden, gestiegen ist. 35 Prozent gaben an, persönlich große Angst vor Einbrechern zu haben, 2005 sagten das noch 28 Prozent. Fachleute sehen auch den emotionalen Bezug bei Einbrüchen als möglichen Verstärker.

Der persönliche Rückzugsort werde plötzlich zum Ausgangspunkt für Ängste, heißt es bei den Opferschützern vom Weißen Ring. Jeder achte Betroffene eines Einbruchs denke sogar über einen Umzug nach. Der Schaden durch Beute und Zerstörung betrug in Bayern 2017 knapp 22 Millionen Euro - die Beklemmung, selbst bei Einbrüchen in der Nachbarschaft, kann schwerer wiegen als materielle Verluste. Hinzu kommt die Aufklärungsquote: 2017 stieg sie leicht auf 21,2 Prozent - dass nur jeder fünfte Täter ermittelt wird, trübt womöglich das Sicherheitsempfinden.

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Einbruchsserien, die Regionen gezielt betreffen, gehen in der Statistik eines ganzen Landes nahezu unter. Die persönliche Wahrnehmung am Ort ist natürlich eine andere. In der Landshuter Gegend hat die Polizei sogar einmal einen Hubschrauber angefordert und über Ergolding kreisen lassen; dessen Spezialkamera sollte zwei dunkel gekleidete Einbrecher auf der Flucht finden - ohne Erfolg. Inzwischen ist die Serie "abgeebbt", berichtet Polizeisprecher Günther Tomaschko vom Präsidium Niederbayern.

Als Anfang Februar ein Zivilbeamter in Ergolding einen Mann kontrollieren wollte, flüchtete dieser und versuchte noch, den Beamten mit einem Schraubenzieher zu verletzen. Seitdem läuft eine Öffentlichkeitsfahndung. Der Mann - 35 bis 40 Jahre alt, "osteuropäischer/slawischer Typ" - dürfte laut Ermittlungen sowohl an der Serie hier als auch an einer im Raum Ingolstadt beteiligt gewesen sein. Insgesamt hat man im Präsidium den positiven Trend der vergangenen Jahre analog zu Gesamtbayern bemerkt. "Aber jeder Einbruch ist einer zu viel", sagt Tomaschko. "Wir ruhen uns sicher nicht auf Statistiken aus. Einbruch hat weiter ein Hauptaugenmerk."

Herrmann führte die positive Statistik auf Prävention zurück. Jeder zweite Einbruch in Bayern ist nur ein Versuch: Schutz und Sicherung an Gebäuden scheinen zu helfen. Einbrecher halten sich laut Polizei höchstens wenige Minuten an Türen oder Fenstern auf und brechen bei Widerstand rasch ab. Aber der Minister meinte auch Prävention über Ermittlungsgruppen, Polizeipräsenz und Schleierfahndung, zudem bundesländerübergreifende Aktionen.

Bei solchen Schwerpunktkontrollen sollen reisende Täter abgefangen werden - im Idealfall mit Beute oder Beweisen. Der bayerische Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Nachtigall, warnte indes, dass Schwerpunktaktionen und spezielle Ermittlungsgruppen hohen Personalaufwand brauchen. Ein "Boomerang-Effekt" sei zu befürchten. Irgendwann müssten die Polizisten vielleicht an ihre "normalen Dienststellen" zurückkehren - mit vermindertem Aufwand könnten dann die Einbruchszahlen womöglich wieder steigen.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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