Debatte um Asylpolitik:Skepsis vor dem Flüchtlingsgipfel

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Ludwig Hartmann (Grüne) lehnt Obergrenzen für Flüchtlinge ab - und damit eine zentrale Forderung der CSU. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Horst Seehofer will sich am Freitag mit den Fraktionschefs von SPD, Freien Wählern und Grünen treffen, um eine gemeinsame Linie bei der Begrenzung von Flüchtlingen zu finden.
  • Die Positionen der Parteien gehen jedoch weit auseinander.
  • SPD und Grüne sprechen sich etwa gegen Transitzonen aus. Die Freien Wähler liegen mit der Forderung nach einer beschleunigten Abschiebung eher auf CSU-Kurs.

Von Wolfgang Wittl, München

Es wird ein ungewohntes Gefühl sein, mit dem die Opposition am Freitag in die Staatskanzlei einziehen wird. Aber es handelt sich ja auch um einen ungewöhnlichen Termin. Seit zwölf Jahren ist Margarete Bause die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, doch am Tisch der bayerischen Regierungszentrale saß sie noch nie. Fünf Stunden hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in seinem Terminkalender freigeräumt, um mit den Fraktionschefs von SPD, Freien Wählern und Grünen einen Nenner bei der Begrenzung von Flüchtlingen zu finden. Wer die Erwartungen der Teilnehmer vor dem Treffen hört, könnte auf die Idee kommen, dass das Gespräch kürzer ausfällt.

Zu unterschiedlich sind die Überzeugungen der Parteien, die sich seit Wochen beharken. Seehofer hat sieben Vorschläge aufgelistet, wie er sich eine Begrenzung vorstellt. Neben internationalen Maßnahmen, die auch bei der Opposition auf Zustimmung stoßen, gibt es aber auch unvereinbare Positionen. Dazu gehört vor allem die Forderung der CSU nach Transitzonen, in denen ankommende Flüchtlinge gesammelt, registriert und schnell abgeschoben werden können.

Die SPD spricht von "Inhaftierung", die Grünen werfen Seehofer "unpraktikable und rechtsstaatlich fragwürdige Scheinlösungen" vor. Auch eine von der CSU geforderte europaweite Kontingentierung von Bürgerkriegsflüchtlingen lehnen die Grünen ab.

Was sich die Opposition erhofft

Am Mittwoch stimmten sich die Spitzen von SPD und Grünen im Landtag ab. Es gehe ihm darum, mit dem Ministerpräsidenten die ganze Bandbreite der Flüchtlingsthematik zu besprechen, sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Dazu zählten die Integration, die Situation am Wohnungs- und Arbeitsmarkt und die Gesundheitskarte für Flüchtlinge ebenso wie eine humanitäre Rückführung. Er wolle konkrete Vorschläge unterbreiten, um Bürokratie abzubauen und Kommunen zu entlasten. Von der CSU erwarte er, das "Doppelspiel" aufzugeben, sagte Rinderspacher: auf der einen Seite "der Staatsmann Seehofer", auf der anderen die "Scharfmacher".

Auch die Grünen gehen mit sieben Punkten in das Gespräch. Ein Vorschlag zur Begrenzung von Flüchtlingen findet sich nicht darunter. Man werde sich nicht an einem Wettbewerb der Abschottung beteiligen, sagte Fraktionssprecher Ludwig Hartmann: "Wir konzentrieren uns darauf, was Bayern besser machen kann." Man fühle sich "nicht dafür zuständig, dass wir jetzt auf die Kanzlerin eindreschen".

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Mit Seehofer wollen die Grünen über eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen sprechen, über eine frühere Einstellung von mehr Lehrern, über eine Auflistung leer stehender staatlicher Gebäude und über eine Wiederherstellung des Drehkreuzes in München, um die ostbayerischen Grenzgebiete zu entlasten. Sie erhoffe kein öffentliches Fingerhakeln, sondern ein Treffen, das von gegenseitigem Respekt geprägt sei, sagt Bause. Andererseits erlebe sie einen immer "schneller rotierenden und hysterisch agierenden Seehofer", wenn sie dessen Angriffe auf die Kanzlerin sehe.

Freie Wähler wollen Zuwanderung reduzieren

Hubert Aiwanger hingegen fühlt sich bestätigt. Der Chef der Freien Wähler hatte Seehofer schon vor zwei Wochen aufgefordert, die Berliner Regierungskoalition mit der CDU aufzukündigen. Es sei nun höchste Zeit, dass Seehofer einen Kurswechsel der Kanzlerin erzwinge, um Schaden vom Land abzuwenden, erklärte Aiwanger am Mittwoch: Aus dem "Wir schaffen das" müsse ein "Wir müssen die hohe Zuwanderung reduzieren" werden. Bayern müsse an den Grenzen "personell aufrüsten" und die Schleierfahndung intensivieren - also "alles erfassen, was zu uns reinkommt". Auch mit seiner Forderung nach einer beschleunigten Abschiebung liegt Aiwanger auf CSU-Kurs.

Ob die großen Hoffnungen in die Gespräche am Freitag, die Rinderspacher hegt, jedoch gerechtfertigt sind,? Abgeordnete aus allen Parteien sehen in dem Angebot Seehofers auch taktisches Kalkül, um die Opposition entweder auf Linie zu bringen oder als Verweigerer abzustempeln. Er hoffe vereinzelt auf Annäherung, sagt CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, in der Frage der Begrenzung sei er aber skeptisch. Seehofer erklärte, er sei schon froh, wenn sich die Opposition an der Lebensrealität orientiere. Wenn man sich dann auf drei, vier Maßnahmen zur Begrenzung der Zuwanderung verständigen könne, sei das bereits ein Erfolg.

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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