CSU und CDU nach der Wahl:Kraftprotz kämpft um seine Pfründe

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Probleme trotz Triumph: Horst Seehofer feiert den Wahlsieg der Union. (Foto: dpa)

Angela Merkel und Horst Seehofer platzen nach der Bundestagswahl beinahe vor Kraft. Doch was, wenn sie aufeinanderprallen? Vor allem der CSU-Chef bekommt Probleme. In einer Koalition mit der SPD kann Seehofer nicht mehr den großen Zampano geben, die versprochene Pkw-Maut wird er kaum durchsetzen können. Wie kommt Seehofer da ohne Gesichtsverlust raus?

Von Sebastian Gierke

Eigentlich wollte er ja mit Angela Merkel feiern. In Berlin. Das hatte Horst Seehofer nach der Wahl angekündigt, nach der für ihn wichtigen Wahl, der Landtagswahl. Doch der bayerische Ministerpräsident änderte seine Pläne - und ist am Abend der Bundestagswahl in Bayern geblieben. "Der Parteivorsitzende muss an so einem Tag in München sein", rief er auf der Bühne in der Hanns-Seidel-Stiftung, wo die CSU-Party stattfand.

Woher der Sinneswandel? Seehofer erklärt ihn nicht. Die Botschaft ist allerdings offensichtlich: Er, der Ministerpräsident Bayerns, kämpft zuallererst für die CSU. Dann kommt lange nichts. Und dann irgendwann die Union und Angela Merkel. Artig gratuliert Seehofer der alten und neuen Bundeskanzlerin zum Sieg - per Telefon.

"Der Sieger des heutigen Abends steht fest: Es ist die Christlich-Soziale Union." Das ist der erste Satz, den Seehofer den CSU-Anhängern zuruft. Dann betont er, welchen Anteil die CSU zum Sieg der Union beigetragen habe. Und dann erst gratuliert er der Kanzlerin, "auch im Namen der CSU".

Die CSU hat ihr Ergebnis in Bayern bei der Bundestagswahl im Vergleich zur Landtagswahl noch einmal verbessert. Vor einer Woche kehrt sie zur Alleinherrschaft zurück, jetzt kratzt die CSU an der 50-Prozent-Marke, holt 49,3 Prozent im Freistaat. Der Verlust der absoluten Mehrheit vor fünf Jahren? 42,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2009? War da was?

In der Hanns-Seidel-Stiftung ist das neue Selbstbewusstsein der Partei überall spürbar, in jedem Satz, doch je länger der Abend dauert, desto mehr Sorgen mischen sich darunter. Je klarer es wird, dass die FDP den Einzug in den Bundestag verpasst hat, desto bewusster wird allen hier: Die kommenden Tage und Wochen werden für die CSU nicht leicht.

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Zu Beginn des Wahlabends hoffen die Parteioberen noch, dass es möglicherweise reichen könnte für eine absolute Mehrheit der Union. Die Träume der Christsozialen fliegen hoch. Sie träumen von einem Vizekanzler Seehofer. Von einer CSU, ohne die nichts mehr geht, nicht in München, da sowieso nicht, aber auch nicht in der Hauptstadt. Mit drei CSU-Ministern im neuen Bundeskabinett wäre es dann auf keinen Fall getan. Doch der Traum platzt.

Und damit beginnen die Probleme für die CSU. Denn trotz ihrer überragenden Wahlerfolge wird die Partei in Berlin wohl künftig weniger zu melden haben als bisher. Eine Koalition mit den Grünen jedenfalls lehnt die CSU ab. In einer großen Koalition mit der SPD ist die CSU aber nur drittstärkste Kraft. Es käme auf die Stimmen der Partei, die umgerechnet auf den Bund 7,4 Prozent erreicht hat, gar nicht mehr an. CDU und SPD könnten prinzipiell auch ohne die CSU entscheiden, Seehofers Kraftmeierei ins Leere laufen lassen. Die Anliegen der Christsozialen wären sehr viel schwerer durchzusetzen.

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Schon kurz nach der Rede zieht sich Seehofer deshalb mit Vertrauten zu Beratungen in die CSU-Zentrale zurück. Es ist wohl nicht nur bei einem Telefonat mit Merkel geblieben. Es wird auch nicht das letzte gewesen sein. Die Verhandlungen mit der triumphalen Siegerin der Wahl werden schwierig.

Angela Merkel hat jetzt drei Wahlen in Folge gewonnen. Vor der Wahl hatten sie sich in der CDU noch Sorgen gemacht über das neue, Franz-Josef-Strauß-hafte Selbstbewusstsein der CSU. Jetzt ist ihre Partei selbst gestärkt. Zwei, die vor Kraft kaum laufen können, prallen aufeinander. Großer Knall nicht ausgeschlossen.

Bei den Verhandlungen über die Pkw-Maut beispielsweise, die Seehofer im Wahlkampf immer und immer wieder versprochen hat. Auf der Wahlparty grummeln wichtige CSUler schon, wenn sie darauf angesprochen werden. Ein hochrangiges CSU-Mitglied nutzt sogar das "Sch..."-Wort, als das Thema auf das Europarecht kommt. Sie alle wissen: Die Pkw-Maut hat im Wahlkampf viele Stimmen gebracht, jetzt wird sie zum Problem. Kein Koalitionsvertrag ohne Maut? Das traut sich im Moment in der CSU keiner zu sagen.

"Die Wahlsieger stehen fest, alles andere müssen wir abwarten", meint Seehofer dazu. Und: "Wie immer das jetzt weitergeht: Wir werden von Bayern aus alles tun, dass wir unsere politischen Vorstellungen bestmöglich und weitestmöglich durchsetzen", sagt er. Bestmöglich also. Und: weitestgehend. Für die CSU bleibe "das beste Wahlprogramm aller Zeiten" die Richtschnur. Seehofer meint damit nicht das gemeinsame Wahlprogramm der Union - sondern das der CSU. Seehofer weiß: Er wird kämpfen müssen um seinen Einfluss in der Hauptstadt. Er rammt deshalb gerade Pflöcke ein. Vor der Vorstandssitzung am Tag nach der Wahl betont er demonstrativ, dass sich an seinen Forderungen nichts ändern werde. Auch nicht bei der Pkw-Maut.

Damit versucht Seehofer den Preis hochzutreiben. Denn klar ist: In einer großen Koalition mit der SPD werden die Christsozialen die Maut wohl nicht durchsetzen können. Ohne Kompromisse wird es nicht gehen. Die SPD ist beispielsweise gegen das Betreuungsgeld. Das wird Seehofer mit aller Macht verteidigen. Doch möglicherweise muss er dafür dann die Pkw-Maut für Ausländer opfern. Diskutiert wird über Umschichtungen im Bundeshaushalt zugunsten des Verkehrsetats, damit Seehofer sein Gesicht wahren kann. Nach all den "Die Maut kommt"-Versprechungen im Wahlkampf wird das in diesem Fall allerdings nicht leicht.

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Immerhin mit den Liberalen muss sich Seehofer nicht mehr herumschlagen. Die wollten den Solidaritätszuschlag abschaffen. Der fällt jetzt allerdings als Verhandlungsmasse ebenfalls weg.

Und dann geht es ja auch noch um das Personal in Berlin. Drei CSU-Minister gehören der Bundesregierung seit 2009 an. Mindestens so viele müssen es nach Ansicht der CSU auch diesmal sein. Generalsekretär Alexander Dobrindt ist Favorit auf einen Ministerposten. Den 43-Jährigen lobt Seehofer im Moment bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Seehofer will, Seehofer muss Dobrindt belohnen. Außerdem hat Seehofer Innenminister Hans-Peter Friedrich schon vor der Wahl eine Jobgarantie gegeben. Für Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer könnte es dagegen eng werden. Er und Seehofer sind sich in herzlicher Abneigung verbunden.

Weil Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner nach München wechselt, braucht Seehofer wohl auch noch eine Frau im Kabinett. Er achtet sehr darauf, dass das Bild der von alten Männern dominierten CSU nicht wieder auflebt. Doch allzu viele Frauen drängen sich im Moment nicht auf. Gerda Hasselfeldt darf Chefin der CSU-Landesgruppe bleiben, Christine Haderthauer hat auch so ihre Probleme mit dem CSU-Chef. Vize-Generalsekretärin und Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär wäre eine Möglichkeit. Allerdings hat sie im Bundestag bislang noch nicht sonderlich viel Eindruck hinterlassen. Genau wie die Landwirtschaftsexpertin Marlene Mortler aus dem Nürnberger Land. Einen Personalwunsch haben die Christsozialen am Montag nach ihrer Sitzung schon geäußert: Barbara Stamm soll nach dem Willen der CSU-Spitze Präsidentin des Bayerischen Landtags bleiben.

Es werden spannende Tage in der Union. Angela Merkel kann am entspanntesten in die Verhandlungen gehen. Horst Seehofer wird bald nach Berlin kommen müssen. Nicht als großer Zampano, der alles glaubt durchsetzen zu können, sondern als einer, der um seine Pfründe hart kämpfen muss. Denn bei der Bundestagswahl hat die CSU besser abgeschnitten als bei der Landtagswahl. Wenn man so will, hat also die Kanzlerin in Bayern mehr Stimmen bekommen als Seehofer.

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