Brauchtum:Ans Wetterläuten glaub i scho!

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Mittenwald vom Karwendel aus gesehen. Dieses Jahr konnte der Mesner die Gewitter noch fernhalten. (Foto: dpa)

In Mittenwald läutet ein Mesner die Kirchenglocken, um Unwetter abzuwenden - ein uralter Brauch, der aus einem einzigen Grund Erfolg hat.

Kolumne von Hans Kratzer

Blitz- und Hagelschlag sind die täglichen Begleiter dieser frühen Sommertage. Zumindest die Pfarrei Mittenwald ist bis jetzt von diesen Plagen verschont geblieben. Den dortigen Mesner Helmut Hornsteiner wundert das nicht, schließlich zähmt er die Natur auf eine seit Urzeiten bewährte Art. Wenn am Horizont finstere Wolken aufsteigen und anzeigen, dass ein Gewitter "kumma kannt", dann begibt sich Hornsteiner schnellen Schrittes in die Pfarrkirche St. Peter und Paul, wo er die Glocken in Bewegung setzt.

Der Brauch des Wetterläutens werde in Mittenwald "seit Ewigkeiten gepflegt", sagt er, in vielen bayerischen Pfarreien ist er aber ausgestorben. Immerhin wurde das Wetterläuten schon 1783 als Aberglaube verboten. Zu Unrecht, wie Hornsteiner findet: "I glaub schon dran!", sagt er. Dass der Schall einer geweihten Glocke jedes Unwetter vertreibe, ist ein alter Volksglaube, der physikalisch als widerlegt gilt. Das erklärt aber nicht, warum die Gewitter tatsächlich um Mittenwald einen Bogen machen.

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Seltsame Rituale stammen aus Zeiten, als es noch keine Blitzableiter, Tierärzte oder Krankenversicherung gab.

"Überall hagelt es", sagt Hornsteiner, "aber wir sind bisher verschont worden." Er läutet die Glocken im Alarmfall 20 Minuten lang. Noch hat sich niemand darüber aufgeregt, sagt Hornsteiner. "Manche raunzen zwar, jetzt läutet der schon wieder!" Aber insgesamt seien die Bürger mit seinem Wetterläuten doch zufrieden: "Guat hast glitten (geläutet)!", rufen sie dem Mesner Hornsteiner zu, "guat hast den Hagel vertrieben." Weniger gut kommt der Mittenwalder Brauch allerdings in manchen Nachbargemeinden an. Hin und wieder beschwert sich ein Anlieger, Hornsteiner treibe mit seinem Geläute das Unwetter zu ihnen hin.

Hier klingen noch alte Ängste durch, aus jenen Zeiten, in denen das Landvolk den Mächten der Natur hilflos ausgeliefert war und das Wetterläuten oft die letzte Hoffnung verhieß, die Vernichtung der Ernte oder den Blitzeinschlag in den Häusern abzuwehren. Die Angst vor Gewittern machte die Leute narrisch, es gab ja noch keinen Versicherungsschutz und keinen Blitzableiter.

In ihrer Not zündeten sie schwarze Wetterkerzen an, und sie läuteten die Glocken. Aber auch das war lebensgefährlich. Wenn im Kirchturm 30 000 Grad heiße Starkstromfackeln einschlugen, fand so mancher Mesner mitten im Läuten den Tod.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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