Straßenverkehr:Dobrindt kündigt Maut für nächste Wahlperiode an - das müssen Autofahrer jetzt wissen

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Europas Autofahrer sollen auch in Deutschland eine Maut zahlen, fordert Verkehrsminister Dobrindt. Aber wie soll die Abgabe konkret aussehen? (Foto: picture alliance / dpa)

Plötzlich gibt es Bewegung bei der Pkw-Maut. Aber wann könnte sie wirklich kommen? Wer profitiert von der Abgabe - und wer zahlt drauf?

Von Valentin Dornis und Thomas Harloff

Seit mehr als zwei Jahren streiten Bundesregierung und EU-Kommission über die geplante Pkw-Maut in Deutschland. Jetzt hat die Kommission ihren Widerstand überraschend aufgegeben. Verkehrsminister Dobrindt ist sich sicher, dass sein Projekt nun doch noch gelingen wird. Der Starttermin soll in der kommenden Legislaturperiode liegen, sagte er. Vorher muss Dobrindt jedoch noch innenpolitische Probleme lösen. Denn die ursprünglich geplante Form der Maut wird die EU-Kommission weiterhin nicht durchwinken. Aber wie soll die Maut aussehen? Und was bedeutet sie für Autofahrer? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum kommt jetzt Bewegung in den Maut-Streit?

Gestoppt hatte das Projekt Maut einst die EU-Kommission. Weil Deutschland seine Autofahrer um den Betrag entlasten wollte, den die Maut kosten würde, sah sie eine Benachteiligung anderer EU-Bürger. Die EU-Kommission hatte vor kurzem verkündet, Deutschland deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. In den vergangenen Wochen haben Bundesregierung und EU-Kommission nun intensiv über das Thema verhandelt, teilte eine Kommissionssprecherin mit. Dabei hat es jetzt - so sieht es zumindest aus - deutliche Fortschritte gegeben.

Die Pkw-Maut kommt also schon bald?

Nicht unbedingt. Eine Sprecherin der Europäischen Kommission sagte der Süddeutschen Zeitung zwar, sie sei "optimistisch", sich noch im November mit der Bundesregierung auf einen Kompromiss einigen zu können. Die Ampel stehe "auf Gelb, kurz vor Grün". Aber selbst bei einer baldigen Einigung könnte sich das Gesetzgebungsverfahren noch hinziehen. Verkehrsminister Dobrindt kündigte am Freitag an, dass die Pkw-Maut erst nach der Bundestagswahl 2017 kommen wird. "Der Starttermin wird in der nächsten Wahlperiode liegen", sagte er.

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Dobrindt muss bei einem möglichen Kompromiss innenpolitische Probleme lösen. So steht im Koalitionsvertrag ( PDF) zum Beispiel, dass bei einer Einführung der Pkw-Maut sichergestellt werden solle, dass "kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute". Der Koalitionspartner SPD hat bereits angekündigt, den Vorstoß von Dobrindt genau zu prüfen. Er müsse im Einklang mit dem Koalitionsvertrag stehen. Die SPD hatte die Pkw-Maut im vergangenen Bundestagswahlkampf sogar ganz abgelehnt. In den Koalitionsverhandlungen stimmte sie ihr jedoch zu.

Was ist vom ursprünglichen Konzept geblieben?

Ursprünglich war im Koalitionsvertrag die Rede von einer Vignette für Pkws, die nicht in Deutschland zugelassen sind. Das ist allerdings eindeutig nicht mit EU-Recht vereinbar. Dobrindt dachte sich deshalb einen Umweg aus: Er entwickelte eine Maut für alle Autofahrer und nannte sie "Infrastrukturabgabe". Deutsche Autofahrer sollten sie für ein ganzes Jahr für die Nutzung von Autobahnen und Bundesstraßen zahlen. Nur so wäre es möglich gewesen, die Maut um exakt den gleichen Betrag mit der Kfz-Steuer zu verrechnen, um deutschen Autofahrern keine Mehrkosten aufzubürden. Die genaue Höhe der Abgabe hätte sich für Autos mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen an Alter, Hubraum und Kohlendioxid-Ausstoß orientiert.

Ausländische Autofahrer dagegen sollten zahlen, ohne steuerlich entlastet zu werden - allerdings nur für Autobahnen, nicht für Bundesstraßen. Sie sollten wählen können: zwischen einer elektronischen Zehntages-Vignette und der Jahres-Maut. Für die EU-Kommission war das allerdings nur Augenwischerei. Aus Verhandlungskreisen war deshalb zu hören, dass es vor einem endgültigen Kompromiss noch wichtige Bedingungen zu klären gebe. Ein solcher Kompromiss könnte deshalb weit entfernt vom ursprünglichen Konzept sein.

Was fordert Brüssel jetzt?

Um das deutsche Mautmodell doch noch zuzulassen, fordert die EU-Kommission mehrere Änderungen. Unter anderem soll es eine zusätzliche Kurzzeit-Vignette geben, die die Kosten vor allem für Autofahrer in den Grenzregionen und solche, die Deutschland nur durchqueren wollen, senkt. Deren Höhe steht allerdings noch nicht fest. Der Bild zufolge werden zudem die Pauschalbeträge günstiger. Die ursprünglich auf 22 Euro taxierte Zehntages-Vignette soll nun zwischen fünf und 15 Euro kosten, jene für zwei Monate zwischen 16 und 22 Euro. Eine Bestätigung dafür gibt es aus dem Verkehrsministerium bislang aber nicht.

Was kostet die Maut die Autofahrer und wie wird sie für Inländer mit der Kfz-Steuer verrechnet?

Für ein Jahr sollen die Kosten bei maximal 130 Euro liegen. Die würden deutsche Autofahrer allerdings nur dann in vollem Umfang zahlen müssen, wenn sie für ihr Auto auch eine mindestens ebenso hohe Kfz-Steuer abführen. Für viele Autofahrer würde sie aber deutlich günstiger, einfach weil die Steuer für ihr Auto geringer ist. Für einen VW Polo 1.2 TSI werden beispielsweise 52 Euro fällig. Dies würde sich nach Dobrindts Plänen künftig in 28 Euro Kfz-Steuer und 24 Euro Pkw-Maut aufsplitten.

Wer profitiert von der Regelung, wer wird benachteiligt?

Nach den bisherigen Plänen war das eindeutig: Für deutsche Autofahrer hätte sich - zumindest bei den Kosten - nichts geändert. Nur Ausländer hätten faktisch für die Autobahnnutzung zahlen müssen. Die Forderungen aus Brüssel deuten nun darauf hin, dass auch Inländer die Maut mitfinanzieren müssen, und sei es nur mit geringen Beträgen. Ausländer könnten beim sogenannten kleinen Grenzverkehr und beim klassischen Transitverkehr von der Kurzzeitvignette profitieren, Urlauber zudem von den geringeren Kosten für die Zehntages- oder Zweimonats-Vignetten.

Und was ist mit der Umwelt?

Die von Brüssel geforderten Nachbesserungen könnten dazu führen, dass die Kfz-Steuer für umweltfreundliche Autos stärker sinkt. Das ist gut fürs Klima. Allerdings könnten Autofahrer, die sich nur ein altes Auto leisten können, höher belastet werden. Wer zum Beispiel einen 20 Jahre alten Benziner fährt und für ihn 302 Euro Steuer im Jahr zahlt, dürfte künftig die volle Mautgebühr von 130 Euro berappen. Der Besitzer eines brandneuen, mindestens 31 000 Euro teuren VW Passat TSI Bluemotion zahlt dagegen sowieso nur 68 Euro Kfz-Steuer - und dementsprechend auch weniger Maut. Der Umweltfaktor könnte also für soziale Ungerechtigkeit sorgen.

Wie sehen die Maut-Modelle anderer EU-Staaten aus?

Deutschland wäre das einzige Land, in dem ein derart kompliziertes Mautsystem umgesetzt würde. In den anderen EU-Staaten gilt dagegen: Jeder, egal ob In- oder Ausländer, zahlt den gleichen Betrag. In den meisten Ländern wird die Autobahngebühr nach Zeit entrichtet, in Österreich gibt es beispielsweise Vignetten für zehn Tage, zwei Monate und ein ganzes Jahr. Streckenabhängige Mautsysteme gibt es beispielsweise in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Hier orientiert sich der Mautpreis an den gefahrenen Kilometern. In Großbritannien, Griechenland und Polen gibt es keine generelle Autobahngebühr. Hier zahlen Autofahrer nur für einzelne Abschnitte der Fernstraßen.

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