Mercedes T-Modell:Als Mercedes den Luxus-Kombi erfand

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Viel Platz, viel Chrom: Der S123 war nicht nur der erste Kombi aus dem Hause Mercedes. Er begründete auch eine neue Fahrzeugklasse. (Foto: Jan Schmidbauer)

Ein Handwerkerauto mit Stern? Als Mercedes vor 40 Jahren das T-Modell vorstellte, kam das einer Mutprobe gleich. Sie sollte sich auszahlen.

Von Jan Schmidbauer

Beinahe hätte es ihn nie gegeben, den weißen Mercedes-Kombi, mit dem es an diesem Tag auf Probefahrt rund um Stuttgart geht. 280TE steht als Typbezeichnung in den Fahrzeugpapieren. Ausgerechnet, möchte man jetzt sagen: Als dieses Auto Ende der Siebzigerjahre vom Band lief, war der große Sechszylinder die Top-Motorisierung in der oberen Mittelklasse der Stuttgarter. Und bei Daimler gab es Leute, die verhindern wollten, dass so etwas in einem Kombi landet.

Ob Audi A6, 5er BMW oder Mercedes E-Klasse - die Oberklasse fährt heute ganz selbstverständlich als Kombi vor. Die hochpreisigen, oft stark motorisierten Kleinlaster sind Statussymbole, besonders im kombibegeisterten Deutschland. Vor 40 Jahren stellte Daimler auf der IAA ein Auto vor, das zu dieser Entwicklung entscheidend beigetragen hat: das T-Modell. Die erste Version, werksintern S123 genannt, basierte auf dem Erfolgsmodell W123 und war der erste in Eigenregie gefertigte Kombi der Stuttgarter. Für Mercedes war das Auto eine kleine Revolution, man könnte auch sagen: eine Mutprobe. Kombis hatten ein völlig anderes Image. Sie standen für vieles, aber sicher nicht für Eleganz. Kombis waren praktische Transportmittel für Handwerker, Sanitäter und, auch das, Bestatter. Vorm Restaurant oder auf dem Firmenparkplatz konnte mit ihnen keiner Eindruck schinden.

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Praktisch und trotzdem schick: Diese Kombination machte das T-Modell so begehrt. Auf Wunsch konnte man ihn sogar in einen Siebensitzer verwandeln.

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Bei Mercedes zweifelten sie lange, ob so ein Auto wirklich zur Marke passt. Eine Handwerkerkarre mit Stern? Noch stärker als heute stand Mercedes damals für Luxus, für elegante Limousinen und teure Coupés. Kombis mit Stern entstanden höchstens bei Karosseriebauern wie Binz oder Miesen, die für ihre Sonderbauten Teile der Stuttgarter nutzten. Als sich der Daimler-Vorstand von 1974 an zusammensetzte, um über die Einführung eines eigenen Kombis zu diskutieren, gab es Bedenken: Ein Kombi, so die Befürchtung, könnte das Image ramponieren, die Luxusmarke beliebig machen. Wenigstens die 280er-Top-Motorisierung sollte Coupé und Limousine vorbehalten bleiben, lautete ein Vorschlag, den die Chefs diskutierten.

Doch es kam anders. Der Daimler-Vorstand gab den Weg für das T-Modell frei - auch mit dem starken Sechszylinder. Und wenn man heute in einem gut erhaltenen Exemplar sitzt, fragt man sich: Warum nicht gleich so? Auch 40 Jahre nach seiner Vorstellung ist der "T" ein alltagstauglicher Begleiter mit hohem Spaßfaktor. Abgesehen vom karamellfarbenen Interieur (offizielle Farbbezeichnung: "Bambus") und der schwammigen Lenkung, beschleicht einen hier nicht das Gefühl, in einem Auto der Siebziger zu sitzen. Kein Klappern im Innenraum, Bodenwellen steckt der Benz souverän weg, und der 185 PS starke Motor schiebt ihn ohne Murren die Hügel des Schwabenlands hoch.

Überhaupt der Motor: Bei niedrigen Drehzahlen hält er sich noch vornehm zurück. Wer entschlossen aufs Gas tritt, bekommt dann aber einen umso kernigeren Klang serviert. Wäre der Sechszylinder zu einer solchen Regung fähig, er würde sich wohl kaputtlachen über den technischen Schnickschnack, den manch moderne Familienkutsche nötig hat, um gut zu klingen. Klappenauspuff? Soundcomposer? Nix da! Hier ist alles echt, auch der Spritverbrauch von bis zu 17,2 Litern (laut Werksangabe für Stadtverkehr).

Das T-Modell kam aber auch mit weniger Kraftstoff aus, etwa wenn man sich für einen der Vierzylinder-Benziner oder den kleinen 240er-Diesel entschieden hatte. Rennen konnte man mit diesen Varianten nicht gewinnen, dafür waren sie günstiger als der 280TE oder der noch teurere 300er Turbodiesel. Wobei: Auch die "kleinen" T-Modelle waren nicht gerade etwas für Sparfüchse. 23 976 Mark verlangte Mercedes für das Einstiegsmodell mit Vierzylinder-Benzinmotor, knapp 4000 Mark Aufpreis gegenüber der Limousine.

Dafür bekamen die Kunden ein beinahe unschlagbares Paket: Ein Auto mit viel Platz, mit dem sich auch noch der Nachbar neidisch machen ließ. Der S123 besetzte eine Nische; er war der erste deutsche Luxus-Laster. Und dessen Qualitäten überzeugen heute noch: Bei umgeklappter Rückbank passen fast 1500 Liter in den Kofferraum. Durch die serienmäßige Niveauregulierung darf das T-Modell außerdem schwerer schleppen als die Limousine, bis zu 700 Kilogramm Zuladung sind drin. Hat der Erstbesitzer das entsprechende Kreuz in der Aufpreisliste gesetzt, lässt sich der Benz sogar zum Siebensitzer verwandeln - dank einer dritten Sitzbank im Kofferraum, die für zwei Kinder zugelassen ist.

Mercedes war damals spät dran mit seinem Kombi. Ford und Opel hatten schon seit den Fünfzigerjahren Modelle auf dem Markt. "Turnier" hießen sie bei Ford, "Caravan" bei Opel. Die Vorurteile gegenüber der Karosserieform schlugen sich auch in den Modellbezeichnungen der Hersteller nieder. Keine bekannte Marke wollte ihr Auto "Kombi" nennen. Auch bei Mercedes wurde die Bezeichnung schnell verworfen. Das "T", auf das man sich einigte, sollte schließlich für "Transport" und "Touristik" stehen. Die Idee dahinter lässt sich in etwa so interpretieren: Mit diesem Wagen, lieber Kunde, kannst du zum Baumarkt fahren. Aber auch an die Côte d'Azur.

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Bei den Kunden kam das an. Das T-Modell wurde für Daimler zu einem Verkaufserfolg, mit dem der Hersteller gar nicht rechnete. Für 18 000 Autos pro Jahr hatte Mercedes das Werk in Bremen ausgelegt. Zu Spitzenzeiten liefen jährlich etwa 30 000 Autos vom Band. Gewiefte Zeitgenossen nutzten die zum Teil langen Wartezeiten und vertickten ihre Kaufverträge mit satten Aufpreisen weiter. Zeitweise lagen die Preise gebrauchter T-Modelle auf Neuwagenniveau - unvorstellbar in Zeiten von Dieselkrise und Rabattschlachten.

40 Jahre später sind die frühen T-Modelle erneut begehrt. Der Kombi ist der Limousine auf dem Oldtimermarkt deutlich enteilt. Wer ein rostfreies Exemplar mit 300er Turbodiesel und nachvollziehbarer Historie sucht, muss etwa 20 000 Euro einplanen. Günstiger ist der 1985 vorgestellte Nachfolger S124, was auch an den noch höheren Stückzahlen liegen dürfte. Während 200 000 Kombis der ersten Version das Bremer Werk verließen, verkaufte sich der Nachfolger bereits 340 000 Mal.

Die Konkurrenz traute sich nicht heran an die kastige Form

Dennoch dauerte es, bis die Konkurrenz auf den Erfolg reagierte. Während Mercedes die ersten T-Modelle auslieferte, experimentierte Audi noch mit Schrägheck-Varianten auf Basis des Audi 100. Auch sie sollten mehr Luxus bieten als etwa der Passat Variant der Konzernschwester VW. Vom Konzept her unterschieden sich die Audi-Kombis aber deutlich vom T-Modell. Die ausgefallene Karosserieform erlaubte weniger Platz für Passagiere und Gepäck, zugunsten einer sportlicheren Optik fiel der Kombi sogar um einige Zentimeter kürzer aus als die Limousine. So urteilte die Auto Motor und Sport 1977 in einem Bericht über den Kleinlaster aus Ingolstadt: "Ein avantgardistisches Auto ist auch der Avant nicht geworden."

Doch nicht nur Audi schreckte zunächst vor dem Bau eines echten Kombis zurück. Auch BMW experimentierte lange mit Mischformen, präsentierte etwa in den Siebzigerjahren eine sogenannte Kombi-Limousine auf Basis der 02er-Modelle, die beim Kunden jedoch nicht ankam. Erst Ende der Achtziger baute BMW wirkliche Kombis, zunächst auf Basis des 3ers, wenig später auch als 5er. Touring hießen diese Autos. Genau wie heute.

Mercedes ist ebenfalls beim Namen T-Modell geblieben. Und wie es der Zufall so will, trifft man auf den letzten Kilometern der Ausfahrt auch noch auf den jüngsten Nachfahren in der langen Ahnenreihe: ein schwarz lackiertes T-Modell der E-Klasse, noch als Erlkönig getarnt - vermutlich ein Testfahrzeug des Herstellers. Die vier Endrohre lassen auf eine kräftige Motorisierung schließen, der betagte T kommt dem Nachfolger kaum hinterher. Aber das Schöne ist ja: Solche Spielchen hat dieses Auto gar nicht nötig.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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