Kombis im Fahrbericht:Zwei Diesel, die sauber bleiben

Kombis im Fahrbericht: Halten Stickoxid-Grenzwerte auch im Realbetrieb ein: die beiden Diesel-Kombis Mercedes E 350 d und BMW 530d.

Halten Stickoxid-Grenzwerte auch im Realbetrieb ein: die beiden Diesel-Kombis Mercedes E 350 d und BMW 530d.

(Foto: Mercedes/BMW)

Guten Gewissens einen Selbstzünder fahren? Das verheißen die beiden Kombis Mercedes E 350 d T-Modell und BMW 530d Touring. Ein Vergleichstest.

Von Joachim Becker

Darf man das? Mitten im Abgasskandal 3000 Kilometer in zwei großen Dieselfahrzeugen abspulen? Und dabei auch noch jede Fahrt genießen? Ja, denn diese beiden Sechszylinder-Kombis zeigen die Gründe und Grenzen der ganzen Misere. Bisher hat kaum ein (Geschäfts-)Kunde nach den Details der Abgasreinigung gefragt. Schon gar nicht bei Selbstzündern der Oberklasse. Passt schon, werden sich die meisten mit Blick auf die Euro-6-Einstufung gedacht haben. Dann weiter zu Rädern, Navi und anderen Ausstattungsdetails. 100 000 Euro kosten sowohl der BMW 530d Touring als auch das Mercedes E 350 d T-Modell in der Testwagenkonfiguration. Volle Hütte mit allem, was Vielfahrern Spaß macht. Aber stimmt die Ausstattung auch im Heizungskeller - also da, wo die Ölbrenner regelkonforme Klimaschützer sein wollen?

Ein Verkaufsstopp macht stutzig: Mercedes hat den E 350 d im Mai dieses Jahres aus dem Programm genommen. Mit einem größeren SCR-Kat aus der neuen Allradversion 4Matic wolle man den "bewährten Motor den künftigen Anforderungen der Emissions-Regularien annähern". Die Formulierung klingt so blumig wie bei den anderen "freiwilligen" Diesel-Rückrufen der vergangenen Monate. Im Klartext bedeutet das: Der Sechszylinder OM 642 schneidet bei Abgastests offensichtlich nicht besonders gut ab, weil der Katalysator zu klein für alle Einsatzbereiche ist. Also machen die Stuttgarter genau das, was die Deutsche Umwelthilfe für alle Euro-5- und Euro-6-Diesel fordert: Die Hardware-Nachrüstung mit einem ausreichend großen SCR-Katalysator. Was dem Zulieferer Twintec zufolge innerhalb weniger Tage inklusive Entwicklung und Absicherung zu erledigen wäre. Mercedes hatte wenige Wochen dafür eingeplant. Nach drei Monaten ist die Lösung von den Behörden immer noch nicht abgenommen worden. Für den Vertrieb eine Katastrophe, denn so ein Ausfall kostet richtig Geld.

Jede Änderung an der Abgasanlage macht eine Neuzertifizierung des Autos nötig. Kaum vorstellbar, wie aufwendig die Nachrüstung bei Hunderten verschiedener Modelle wäre. Im Handumdrehen ist das jedenfalls nicht umsetzbar, um Fahrverboten zuvorzukommen. Die Daimler-Verantwortlichen haben spätestens 2012 realisiert, dass ihre bisherigen Dieselmotoren am Limit sind. Seitdem haben sie drei Milliarden Euro in eine komplett neue Motorenfamilie investiert. Den Anfang machte der Vierzylinder-Diesel OM 654, der mit der aktuellen E-Klasse im vorigen Jahr an den Start ging. Der E 220 d gilt als einer der saubersten Diesel überhaupt: Die unabhängigen Fachleute von Emissions Analytics haben mit einem mobilen Messgerät durchschnittlich 41 mg Stickoxid (NOx) pro Kilometer gemessen. Wohlgemerkt auf der Straße. Das ist die Hälfte des zulässigen Prüfstandswerts von 80 mg/km. Der Vorgänger OM 651 hatte in Straßentests dagegen miserabel abgeschnitten und musste daher dringend ersetzt werden.

Dieser Generationswechsel lässt bei den meisten Sechszylinder-Modellen von Mercedes noch Jahre auf sich warten. In der E-Klasse muss bis zur Modellpflege im Jahr 2019 der alte V6-Diesel schaffen. Das Upgrade der Abgasanlage soll die Zwischenzeit überbrücken. Auch der größere SCR-Kat dürfte jedoch Probleme beim Kaltstart haben. Die gerade überarbeitete S-Klasse fährt dagegen schon mit dem neuen Sechszylinder-Diesel OM 656 vor. Der Reihenmotor aus Stuttgart hat nicht nur geringere Rohemissionen, sondern auch genügend Freiraum auf der heißen Seite: Außer dem Partikelfilter mit Spezialbeschichtung passt ein zweistufiges SCR-System mit Adblue-Einspritzung direkt neben den Motor. Dadurch erreicht die Anlage schneller 200 Grad Celsius, um Stickoxide in unschädlichen Stickstoff und Wasser umzuwandeln.

Vorteil BMW: Die Münchner setzen schon lange auf Sechszylinder-Reihenmotoren. Deshalb kann der BMW 530d über die Euro-6-übliche Abgaswäsche mit Adblue hinaus auch einen NOx-Speicherkat unterbringen, der bei Kaltstarts sofort funktioniert. Was das bedeutet, zeigt der Abgaswert von 84 mg Stickoxid (NOx) pro Kilometer für den BMW 530d, den Emissions Analytics im Praxistest ermittelt hat. Das ist genau die Hälfte dessen, was ab September im Realbetrieb erlaubt ist. Noch besser schneidet der BMW 520d ab. Der Vierzylinder mit 140 kW geht als bester jemals gemessener Diesel aus den Untersuchungen von Emissions Analytics hervor. Mit durchschnittlich 28 mg NOx/km ist er sechs Mal besser als der neue Zielwert von Euro 6d.

Verbrauchswerte noch jenseits der Prospektangaben

Gewohnt wirklichkeitsfern sind dagegen die Verbrauchswerte. Noch wurden weder der BMW noch der Mercedes nach dem neuen, anspruchsvollen WLTP-Zyklus gemessen. Das "Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure" gehört ab September ebenfalls zum Prüfstandard. Dann dürften die Verbrauchswerte näher an der Realität von ziemlich genau acht Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer liegen, die beide Modelle verbraucht haben. Angesichts der Leistung von 195 kW (265 PS) im BMW 530d und fast genauso so viel im Mercedes ist das immer noch ein guter Wert. Zumal die Favoriten für den Vorstands-Fuhrpark auch auf schnellen Autobahnpassagen relativ sparsam bleiben. Das haben sie Ottomotoren voraus, die bei hohem Tempo mit zusätzlichem Kraftstoff innermotorisch kühlen müssen. Wieder so eine Form von Bauteilschutz, der in den Normwerten nicht auftaucht.

Vielfahrer kennen das Problem, deshalb schwören viele weiterhin auf den Diesel. Sowohl der Mercedes als auch der BMW sind typische Reisewagen: langer Radstand, ruhiger Geradeauslauf und ein Fahrwerk, das Stöße gut wegsteckt. Wobei das T-Modell noch eine Spur weicher abgestimmt ist als der Touring. Trotzdem ist der 530d mit seinem Langstreckenkomfort der beste Mercedes, den BMW je gebaut hat: ein kultivierter Gleiter mit leisem, gut gekapseltem Motor, der sich selbst beim Kaltstart das Taxi-Nageln verkneift. BMW hat nicht nur die Qualitätsanmutung im Interieur deutlich verbessert, sondern wirkt im ganzen Gestus viel reifer und ausgeglichener. Selbst im Sportmodus wird der Gentleman nicht zum Wadlbeißer, der abrupt mehrere Gänge herunterschaltet. Der Wagen bleibt die Ruhe selbst, wirkt aber nicht ganz so abgekoppelt von der Außenwelt wie die E-Klasse.

Fahrassistenten mit Kinderkrankheiten

Beide Autos zeigen, wohin die Reise geht: zur Freude am Gefahrenwerden. Mit der richtigen Ausstattung vermitteln die beiden Testkandidaten schon heute einen Vorgeschmack von der Zukunft. Für schlanke 2856 Euro gibt es die E-Klasse mit dem Fahrassistenz-Paket Plus, das verschiedene Sicherheits- und Assistenzsysteme bündelt. Am interessantesten ist die Kombination des Aktiven Abstandstempomaten (ACC oder bei Mercedes: Distronic) mit dem aktiven Lenk-Assistenten. Eine Hand reicht aus, um immer wieder kurz ans Lenkrad zu fassen und bis 210 km/h vorausfahrenden Fahrzeugen automatisch zu folgen. In allzu großer Sicherheit darf sich der Fahrer aber nicht wiegen: Der Mercedes pendelt beim automatischen Spurwechsel bedenklich und fährt in engen Kurven unvermittelt geradeaus. Manchmal werden die gelben Markierungen in einer Baustelle erkannt - manchmal aber auch nicht. Alternativ fährt der Assistent dann stur den weißen Markierungslinien hinterher. Genau wie bei Teslas Autopiloten muss man die Grenzen der Technik also genau im Auge behalten, um entspannt unterwegs zu sein.

Der BMW 5er kann das alles auch, fährt aber nur wenige Sekunden ohne die Hände am Lenkrad. Dafür beschleunigt er schneller auf der Datenautobahn, außerdem ist die Spracheingabe momentan führend in der Branche. Der Mercedes braucht viel länger, um die Navigationsdaten zu laden. Ein Dialog mit dem manchmal schwerhörigen und begriffsstutzigen System ist so unkomfortabel wie eh und je. Auch beim Head-up-Display ist der 5er einen großen Schritt weiter. Es kann nicht nur die Radio-Senderliste im direkten Blickfeld zeigen, sondern auch vorausschauend die kommenden Geschwindigkeitsbegrenzungen. Dieses Umfeldverständnis ist gerade auf langen Strecken eine willkommene Erleichterung. Solche Technik-Schmankerl haben freilich ihren Preis. Die exklusivste Ausstattung ist allerdings serienmäßig: der saubere Motor. Dafür hat der BMW 5er tatsächlich eine blaue Plakette und ganz schnell ganz viele Nachahmer verdient.

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