Vom Leben voller Liebe unter dem Himmel von Paris sang einst Edith Piaf. Dass "Sous le ciel de Paris" die Luft jedoch allzu häufig voller Gift und Dreck ist, verschwieg die Chanteuse. Glück reimt sich nun mal nicht auf Feinstaub.
Diese Woche ist die Luft so dick in der französischen Hauptstadt, dass die Dunstglocke die Spitze des Eiffelturms umhüllt. Das lässt Allergiker und Asthmatiker um Atem ringen, gefährdet vor allem Kinder und alte Menschen. Stadt und Staat zogen die Notbremse: Jedes zweite Auto im Großraum Paris hat vorerst Fahrverbot. Metro, Busse und Schnellbahn rollen dafür kostenlos.
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Die Stadt hat Deutschlands höchste Feinstaubwerte und würde dreckige Autos gerne aussperren. Doch das darf sie nicht. Ein Beispiel für die Ohnmacht vieler Kommunen.
Selbst der Ex-Premier brach die Regeln
Die Pariser kennen das. Bereits zum vierten Mal in 20 Jahren gilt seit Dienstag das Regime des "wechselnden Verkehrs" (circulation alternée). Die Grundregel ist einfach: Autos mit einer geraden Endziffer auf dem Nummernschild dürfen nur an Tagen mit geradem Datum rollen, an ungeraden Tagen raucht der Auspuff von Fahrzeugen mit ungerader Zahl auf dem Kennzeichen.
Dass die Sache in der Praxis komplizierter ist, führte ausgerechnet Frankreichs bisheriger Regierungschef Manuel Valls am Dienstagabend Millionen Landsleuten vor Augen. Da verabschiedete sich der Premier aus seinem Amtssitz, um aufzubrechen in den Kampf um Frankreichs Präsidentenamt. Nur leider, an diesem 6. Dezember prangten am Dienstwagen die Nummern "041". Valls Karosse hätte keinen Meter fahren dürfen - weshalb der Sozialist ein Problem haben dürfte, ökologisch denkende Wähler zu umgarnen.
Valls ist nicht die einzige Ausnahme. Das Fahrverbot kennt viele Lücken - so viele, dass auch diese Woche die meisten Pariser im Stau stehen. Feuerwehr und Polizei, Taxis und Beerdigungsunternehmen dürfen starten wie immer, genauso wie alle Busse, alle Hybrid- und Elektroautos sowie alle Zwei- und Vierräder mit ausländischen Kennzeichen. Zudem haben alle Fahrzeuge freie Fahrt mit mindestens drei Insassen.
Die Behörden hoffen auf 18 Prozent weniger Autoverkehr
Und es gibt viele Mogler, die trotz Kontrollen, Sondereinsatz von 400 Polizisten und drohendem Bußgeld (22 Euro) ihr Glück hinterm Steuer versuchen. Eine halbstündige, zugegeben unwissenschaftliche Verkehrsbeobachtung der SZ am Arc de Triomphe ergab am Mittwoch, dass ungefähr jedes achte Fahrzeug an diesem 7. Dezember mit gerader Endziffer unterwegs war. Die Ordnungshüter am Rande des Straßensterns beobachteten wohlwollend den Verkehrsfluss.
Die Behörden hoffen auf etwa 18 Prozent weniger Autoverkehr. Die Messagentur Airparif, die täglich Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Werte in Paris erhebt, meldete am Mittwoch die höchsten Messwerte seit zehn Jahren. Zum Unglück der Inversions-Wetterlage kam noch Pech dazu: Jene Schnellbahn, die jeden Tag über 900 000 Menschen auf der Strecke zwischen dem Flughafen Charles-de-Gaulle im Norden und der Innenstadt transportiert, brach zusammen. Der "wechselnde Verkehr" wurde dennoch verlängert bis mindestens Donnerstagabend. Zugleich macht Paris Schule: Auch in Lyon muss ab sofort jedes zweite Auto stehen bleiben. Theoretisch.