Elektroautos:Zusammenrücken in der Krise

Zwischen Euphorie und Depression: Die Autoindustrie lernt den Aufwand für alternative Antriebe realistisch einzuschätzen

Joachim Becker

"Autobranche verschläft die grüne Zukunft", "Elektromobilität macht Pause" - über solche Kommentare zum Genfer Automobilsalon kann Thomas Weber nur den Kopf schütteln. "Ich habe von Anfang an auf die Euphoriebremse getreten. Eine Million Elektroautos bis 2020 bedeuten ein Marktanteil von drei Prozent. Das wird nicht so schnell gehen", warnt der Daimler-Forschungschef, "aber die Katerstimmung jetzt können wir uns auch nicht leisten." Am Technologie-Fahrplan des Konzerns habe sich absolut nichts geändert, betont der Manager, der auch für die Entwicklung der Mercedes-Modelle zuständig ist. "Der Kunde will vor allem coole und effiziente Autos. "

In Genf wurde wieder einmal klar, wie schmal der Grat zwischen dem blauen Himmel einer emissionsarmen Zukunft und dem finanziellen Abgrund horrender Forschungs- und Entwicklungskosten ist. "Wir brauchen nicht alle alternativen Antriebe für alle Modelle zu entwickeln", betont der Daimler-Mann Weber. Trotz nachlassender Hybrid-Euphorie wollen die Stuttgarter aber mit dem Mercedes E 300 BlueTec Hybrid fünfstellige Absatzzahlen bei Firmenflotten erreichen. Gerüchte in Genf, auch BMW und VW würden kurzfristig Diesel-Hybride nachreichen, bewahrheiteten sich trotz der Studie VW Cross Coupé mit entsprechendem Antrieb nicht.

Zu abschreckend ist das Beispiel von PSA: "Allein die Entwicklung der vier Modelle von Peugeot und Citroën mit Hybrid4-Technik hat 500 Millionen Euro gekostet", bekennt PSA-Entwicklungschef Guillaume Faury. Angesichts eines geschätzten Jahresabsatzes von lediglich 40 000 Hybriden in den Jahren 2013 und 2014 rechnet sich so eine riesige Investition nicht.

VW: das große Ganze statt spektakulärer Studien

Martin Winterkorn hatte statt spektakulärer Studien und neuer Spritsparmodelle in Genf eher das große Ganze im Gepäck: Jede neue Modellgeneration werde durchschnittlich um zehn bis 15 Prozent effizienter als die vorherige, erklärte der VW-Chef auf der Messe. "Damit unterschreitet die Konzernflotte 2015 erstmals die wichtige Marke von 120 Gramm CO2 pro Kilometer." Ja wie auch anders, möchte man sagen. Keine große Automobilmarke wird sich die Blöße geben, bei der Nichteinhaltung der verbindlichen europäischen Flottenziele bloßgestellt zu werden. Vermeintliche Aufreger wie das "Verschlafen der grünen Zukunft" gehen daher an der Realität vorbei. Der Entwicklungsaufwand und Innovationsdruck in der gesamten Branche bleibt enorm. Die Verantwortlichen sehen sogar noch einen steigenden Investitionsbedarf für CO2-sparende Technologien. Die Gespräche über Partnerschaften dürften daher noch zunehmen.

Dass der Weg in die Zukunft eher ein Marathon als ein Sprint ist, belegt auch das Beispiel Toyota. Die Japaner gaben sich in Genf kämpferisch, wollen nach dem Katastrophenjahr 2011 weltweit wieder zurück an die Spitze. In den Hybrid-Verkaufszahlen sind sie dort schon lange. Mit dem neuen Toyota Yaris Hybrid für 16 900 Euro werden sie die Schwelle von vier Millionen Fahrzeugen mit dem Doppelantrieb schnell überschreiten. Erstmals passen die zusätzlichen Hochvoltkomponenten problemlos in einen Kleinwagen. Die 100 PS starke Kombination aus Benzin- und Elektromotor wiegt 42 Kilo weniger als das 36 PS stärkere Hybridsystem im Toyota Auris. Solche evolutionären Fortschritte erscheinen unspektakulär, doch sie bringen die Antriebsalternative auf das dringend benötigte Großserienvolumen.

Bis 2013: 50 000 Exemplare vom Plug-in-Prius

Auch die Plug-in-Version des Toyota Prius soll bereits 2013 eine Kapazität von 50 000 Stück pro Jahr erreichen. "Momentan ist die Lithium-Ionen-Batterie der Engpass - deshalb ist das Volumen limitiert", erklärt Gerald Killmann, technischer Direktor der Toyota Antriebsentwicklung in Europa. Mit einer elektrischen Reichweite von 25 Kilometer lassen sich viele Ziele in der Stadt abgasfrei ansteuern. Zudem ist der Teilzeit-Stromer mit 37 000 Euro billiger als sein Konkurrent Opel Ampera.

Zukunftsweisend ist auch die Toyota-Brennstoffzellenstrategie: Mit dem FCV-R Fuel Cell Concept zeigen die Japaner, wohin die Reise geht. 700-bar-Wasserstofftanks sollen eine Praxisreichweite von mehr als 500 Kilometer ermöglichen. Killmann: "Wir werden die Produktion von Brennstoffzellenfahrzeugen ab 2015 schnell auf ein Volumen von 50 000 Stück hochfahren." Der Techniker gibt wie viele seiner Kollegen offen zu, dass es keinen goldenen Weg in die Zukunft gebe: "Die Lösung besteht aus verschiedenen Pfaden", so Killmann, "früher haben wir versucht, alles alleine zu entwickeln. Aber das schafft kein Hersteller. In der Krise haben wir gelernt, mehr in Kooperationen zu denken."

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