Chevrolet Camaro Cabriolet:Der amerikanische Traum lebt

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Unter der Motorhaube arbeitet ein V8-Motor mit 432 PS, von außen demonstriert das bullige Cabriolet eine aggressive Sportwagenoptik: Der offene Chevrolet Camaro gibt sich anachronistisch. Auf den zweiten Blick aber ist er deutlich moderner.

Axel F. Busse

Sie waren so amerikanisch wie Baseball oder Hot Dogs: Die Muscle Cars, hemmungslos übermotorisiert, bevölkerten in den 60ern und 70ern amerikanische Straßen. Als Charger, Mustang oder Corvette erwarben sie sich einen Ruf als donnernde Vehikel von Machos, denen selbst dann noch Sympathie zuteil wurde, als die erste Ölkrise eine Ahnung davon aufkommen ließ, dass Kraftstoff ein teures Gut ist. 1970 wurde der Hubraum-Fetischismus beim Camaro von Chevrolet bis auf 7,4 Liter getrieben, doch auch manche Designverirrung konnte den Kultstatus nicht wirklich beschädigen.

Für ein V8-Cabriolet mit 432 PS relativ günstig: Der Chevrolet Camaro kostet ohne Dach knapp 44.000 Euro. (Foto: HBA)

Das ist lange her. Die Formensprache des aktuellen Camaros sucht dennoch die stilistische Nähe der Modelle von 1969/70. Mächtig und kantig steht die Nase im Wind, die Radhäuser sind aufgepumpt wie ein anabolisch gezüchteter Bizeps, und das flache Greenhouse betont die Optik eines Athleten im eingelaufenen Trainingsanzug. Überhaupt scheint der Camaro eher auf Provokation zu zielen, denn ein dezenter Auftritt ist mit diesem Cabrio nicht möglich. Fette rote Streifen auf Motorhaube und Heckklappe (als Sonderausstattung 500 Euro teuer) korrespondieren mit einer knallroten Innenausstattung, die obendrein im Dunkeln noch von leuchtenden LED-Streifen in derselben Farbe bekräftigt wird. Gemeinsam mit dem Blau der Instrumenten-Inlays und den schwarzen Akzenten an Verkleidung und Schaltknauf ergibt das eine ebenso ungewöhnliche wie gewagte Farbgebung. Andererseits kauft keiner einen Camaro, um sich damit zu verstecken.

Der Sound: dezentes V8-Brabbeln

Seltsamerweise ist ausgerechnet die Abgasanlage, wo die Ausatmungen von acht Zylindern in nur zwei Endrohre münden, ziemlich mager ausgefallen. Und auch der Sound des V8 quillt zwar mit sonorem Brabbeln hervor, ist aber keineswegs gattungstypisch aufgebrezelt.

Dafür geht es im Innenraum des 44.000 Euro teueren Cruisers bequem und ziemlich entspannt zu. Das Dach öffnet nach dem manuellen Entriegeln elektrisch in 15 Sekunden (zum Schließen braucht es etwas länger) und verschwindet danach komplett hinter den Sitzen. Es kann dort noch mit einer leicht zu befestigenden Persenning abgedeckt werden, muss es aber nicht. Schnell fahren kann man auch ohne. Aber wer fährt schon schnell mit so einem Auto? Die hinteren Seitenscheiben lassen sich auch bei geöffnetem Dach hochfahren, doch angenehmer wird die Belegung der hinteren Sitze dadurch nicht. Den Camaro sollte man zu zweit nutzen. Und stilvoll langsam zu fahren war schon immer eine Stärke von US-Autos. Das Head-Up-Display im Blick, das über Tempo, Drehzahl, oder eingestellten Radiosender informiert, sieht man vor der mächtigen Haube das Asphaltband dahingleiten wie dereinst in einem Roadmovie, man hat Steppenwolf im Ohr und das Brabbeln der acht Zylinder.

Doch ach, die Ekstase des Romantikers wird durch das Hier und Jetzt jäh unterbrochen - zum Beispiel durch die lapidare Frage: "Wie schnell fahren wir eigentlich zurzeit?" Mit zunehmender Geschwindigkeit zeigen im Testwagen Analog-Tacho im Armaturenbrett und Digital-Tacho des Head-Up-Displays nämlich nicht unwesentliche Abweichungen - ein weiterer Beweis für die sichere Annahme, dass es beim Camaro eher um Entertainment als um Zweckmäßigkeit geht. Auch am Kofferraum ist das zu erkennen. Mit einem Volumen von knapp 300 Litern ist er noch annehmbar groß, doch der Zugang des Gepäckfachs macht dem Begriff Luke alle Ehre. Öffnen kann man es nur per Knopfdruck vom Fahrersitz aus. Immerhin lässt sich die Klappe per Reißleine von innen entriegeln, sollte man sich versehentlich einmal darin einsperren.

Der Motor: altertümlich, aber charmant

So ein 6,2-Liter-V8 vom Schlage eines Camaro ist trotz seiner 432 PS nur bedingt geeignet, heutige Maschinenbau-Studenten in Begeisterung zu versetzen. Hubraum satt, zwei Ventile pro Zylinder, das war's. Kein Turbo, keine Direkteinspritzung, kein Schnickschnack. Der Motor, den Kenner als "Small Block" identifizieren, ist ein ebenso solider wie ehrlicher Spritverbrenner - und kann trotzdem verblüffen. Bekanntlich weichen die echten Verbrauchswerte der meisten Autos erheblich von dem auf dem Prüfstand ermittelten EU-Normwert ab. Das können durchaus auch mal zwei Liter mehr sein, als im Prospekt steht.

Anders der Camaro. Natürlich ist er verglichen mit einer Vierzylinder-Familienkutsche ein gewaltiger Schluckspecht, aber eben auch ein rechtschaffener. Nur 0,2 Liter mehr als versprochen genehmigte sich der Achtzylinder, was umso erstaunlicher ist, als auf dem EU-Prüfstand niemals 200 km/h gefahren werden, wie wir das taten. Wer das Cruisen bevorzugt und auf die Ampel-Duelle mit den Local Heroes verzichtet, kann ihn auch mit zwölf Litern je 100 Kilometer bewegen - der Zylinderabschaltung sei's gedankt. Dass der Einfüllstutzen in Europa mit einem Extraschloss versehen ist, liegt wohl daran, dass das Problem Spritklau in Amerika unbekannt ist.

© SZ vom 23.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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