Zum Tod von Irenäus Eibl-Eibesfeldt:Ein früher Popstar der Wissenschaft

Lesezeit: 2 min

Irenäus Eibl-Eibesfeldt war Botaniker, Zoologe, Evolutionsbiologe und Verhaltensforscher (Foto: Inga Kjer/dpa)

Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist tot. Erst erforschte er mit Konrad Lorenz die Tierwelt, dann wandte er sich der Menschheit zu: Wie viel von unserem Verhalten ist angeboren?

Nachruf von Sebastian Herrmann

Zu Beginn ging es um das Paarungsverhalten der Erdkröte. Später beschäftigte er sich mit dem Wettbewerb unter Meeresechsen, der Symbiose zwischen Zackenbarschen und Putzerfischen sowie mit den Allüren von Hamstern, Iltissen oder Eichhörnchen. Schließlich begab er sich, gerüstet mit Einsichten aus dem Tierreich, auf die Spurensuche nach den Grundlagen menschlichen Verhaltens - und stellte eine Frage, die noch heute (oder heute gerade wieder) über Provokationspotenzial verfügt: Welche Elemente menschlichen Verhaltens sind angeboren und welche sind Ergebnis kultureller Prägung? Irenäus Eibl-Eibesfeldt schlug in den Jahrzehnten seiner Arbeit einen ganz großen Bogen von den Tieren und Pflanzen hin zu den Eigenheiten des Menschen.

Der gebürtige Wiener zählte zu den frühen Popstars der Wissenschaft. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er Zoologie sowie Botanik, promovierte über Erdkröten und schloss sich 1950 dem Verhaltensforscher und späteren Nobelpreisträger Konrad Lorenz an. Bekanntheit erreichte Eibl-Eibesfeldt als Teilnehmer einer Expedition zu den Galapagosinseln, wo er mit dem Meeresforscher Hans Hass den Artenreichtum des damals noch weitgehend unbekannten Archipels im Pazifik erforschte und sich später für dessen Schutz engagierte.

Sein Fokus verlagerte sich von Tieren hin zum Homo sapiens

Mit Lorenz arbeitete er von 1956 an im neugegründeten Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen in der Nähe des Starnberger Sees. Er habilitierte sich, besetzte einen Lehrstuhl an der LMU München und zog immer wieder los, raus in die Welt, um jenseits der Lehrstuben Forschung zu betreiben, die Abenteuerreisen glich.

In den 1960er-Jahren verlagerte Eibl-Eibesfeldt seinen Fokus weg von den Tieren hin zum Homo sapiens, begab sich auf die Suche nach den Universalien menschlichen Verhaltens und begründete die Disziplin der Humanethologie. Der Wissenschaftler beschäftigte sich etwa mit taubblind geborenen Menschen und studierte, wie diese auf Ärger oder Freude reagierten. Schließlich, so die Überlegung, könnten Menschen, die von anderen abgeschnitten leben, nur schwer Verhalten kopieren.

Kritiker warfen ihm "biologischen Reduktionismus" vor

Auch Rituale, Sitten und Gebräuche isoliert lebender Völker wie den Yanomami in Südamerika, den Himba sowie Buschleuten in Afrika, den Eipo und Trobriandern in Neuguinea filmte und studierte Eibl-Eibesfeldt. Wieder trieb ihn die Frage an: Welche Gemeinsamkeiten finden sich im Verhalten von Menschen, deren Lebenswelten vollkommen getrennt voneinander existieren. In den letzten Jahrzehnten interessierte ihn, wie das Leben in Großstädten Verhalten prägt.

Der Forscher formulierte seine Thesen in mehr als 600 wissenschaftlichen Publikationen und zahlreichen Büchern, die ihm einige Kritik einbrachten. Alleine die Idee, Verhalten könnte biologische Grundlagen haben, lehnten Kritiker als "biologischen Reduktionismus" ab. Seine These, im Menschen stecke eine angeborene Furcht oder Scheu vor Fremden, provozierte besondere Kritik. Solche Aussagen seien "chauvinistisch", hieß es, und taugten zur Unterstützung fremdenfeindlicher Ideologien, wogegen sich der Forscher wehrte. Eibl-Eibesfeldt starb am Samstag, 2. Juni, im Alter von 89 Jahren in Starnberg.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Verhaltensforschung
:Können Tiere Erdbeben spüren?

Flüchtende Elefanten, verschreckte Kröten: Immer wieder gibt es Anekdoten, wonach Tiere einen sechsten Sinn für seismische Aktivitäten haben. Geologen sind den Berichten nachgegangen.

Von Tina Baier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: