Einen Betrieb ohne Wildtiere kann man sich jedenfalls beim Circus Krone nicht vorstellen. "Wir sehen an der Euphorie des Publikums, dass die Menschen die Tiere wollen. Die drei Säulen des Zirkus sind die Exotik der Tiere, der Nervenkitzel durch Akrobaten und die Späße durch Clowns", sagt Keller. Was er nicht sagt: Es gibt durchaus Zirkusunternehmen, die ganz ohne Tiernummern auskommen - wie der kanadische Cirque du Soleil, der um die ganze Welt tourt. In Deutschland verzichtet etwa der Circus Flic Flac erfolgreich auf Tiere im Programm.
Während viele tierhaltende Zirkusse versuchen, ihr Image durch öffentliche Proben mit den Tieren sowie Informationen über deren Haltung zu verbessern, gibt es unter den 16 deutschen Bundesländern seit Jahren eine politische Mehrheit für tierfreie Manegen. Schon dreimal forderte der Bundesrat die Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag zu einem bundesweiten Wildtierverbot für Zirkusse auf: 2003 startete die hessische CDU-Landesregierung die erste Initiative. 2011 wurde eine weitere durch das SPD-regierte Hamburg eingebracht. 2016 initiierte wieder Hessen, nun regiert von einer Koalition aus CDU und Grünen, den bisher letzten Antrag.
Hohe verfassungsrechtliche Hürden für ein Verbot
Die ersten beiden Male lehnte die jeweilige Bundesregierung den Antrag ab. Keine offizielle Antwort der Regierung gibt es bislang auf den zuletzt gestellten Antrag. Eine Sprecherin des zuständigen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erklärt dazu gegenüber natur: "Der Einführung eines Verbots sind aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der Zirkusbetreiber verfassungsrechtlich hohe Hürden gesetzt." Interessanterweise sah das die Bundesregierung 2012 noch etwas anders. In einem Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes hieß es damals, dass "Verbote oder die Einschränkung der Haltung bestimmter Arten wild lebender Tiere im Zirkus keinen Eingriff in die Berufswahlfreiheit" darstellen würden. Es handele sich zwar um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, dieser könne aber durch den Schutz der Tiere gerechtfertigt sein.
Immer mehr Städte versuchen derweil, Zirkussen mit Wildtieren den Auftritt zumindest auf ihren kommunalen Flächen zu untersagen. Laut der Tierrechtsorganisation Peta haben bisher 78 deutsche Städte ein ganzes oder teilweises Verbot gegenüber Zirkussen mit Tieren erlassen, darunter Düsseldorf, Erfurt, Gießen, Köln, Leipzig und Marburg. Im Januar dieses Jahres entschied der Gemeinderat in Stuttgart, städtische Flächen ab 2019 nicht mehr an Zirkusbetriebe zu vermieten, die Wildtiere wie Löwen, Tiger und Elefanten mitführen.
Zikurs klagt gegen Auftrittsverbote
Die betroffenen Zirkusbetriebe sehen durch das Vorgehen der Kommunen Grundrechte verletzt. "Gegen solche Verbote klagen wir und kommen sofort durch", sagt der Krone-Tierschutzbeauftragte Frank Keller. "Das haben wir in Darmstadt und Chemnitz erfolgreich gemacht. Willkürliche Wildtierverbote widersprechen dem Grundgesetz, weil die Tierlehrer in der Ausübung ihrer Tätigkeit beeinträchtigt werden." Auch praktisch sieht er keinen Sinn in kommunalen Wildtierverboten: "Dann nimmt der Zirkus sich eben einen Privatparkplatz oder eine Wiese. Welchen Mehrwert hat das im Sinne des Tierschutzes?"
Zuletzt klagte der Zirkus Knie in Hameln, weil die Stadt eine bereits zugesicherte kommunale Fläche für das Gastspiel wegen der Wildtierfrage letztlich doch nicht zur Verfügung stellen wollte. Der Grund: Im Zirkus Knie treten auch Zebras, Lamas und Kängurus auf. Der Fall landete vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Dort entschied die Richterin zugunsten der Zirkusbetreiber. In dem nicht anfechtbaren Urteil steht, es werde der "unzulässige Versuch unternommen, das insoweit rechtspolitisch als defizitär angesehene Bundesrecht auf kommunaler Ebene zu 'verbessern' bzw. zu 'verwässern'". Im Klartext: Was auf Bundesebene erlaubt ist, kann durch die Städte nicht einfach verboten werden.
Damit wirft das Urteil die Frage auf, ob auch andere städtische Verbote hinfällig sind. "Der Beschluss hat keine unmittelbaren bundesweiten Auswirkungen", so die zuständige Richterin Michaela Obelode. "Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich andere Städte an den Ausführungen orientieren, wenn sie künftig über Anträge auf Gastspielerlaubnisse von Zirkusunternehmen entscheiden."
Tierrechtsorganisationen sehen die kommunalen Verbote vor allem als Wegweiser, wohin die Reise politisch gehen wird. "Unterm Strich sind diese Verbote für die Zirkusse zwar nicht mehr als Nadelstiche, aber sie sind ein starkes Signal an die Bundesregierung und die Zirkusbranche", sagt Peter Höffken, Fachreferent für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei der Tierschutzorganisation Peta.
Auch ein Blick über die Landesgrenzen spricht dafür, dass die Abschiedstour der deutschen Zirkustiere eher früher als später bevorstehen könnte. In 19 europäischen Ländern gilt bereits ein totales oder teilweises Verbot von Zirkus-Wildtieren. Österreich war 2005 der erste EU-Staat, der ein generelles Verbot erließ. Das zuständige österreichische Bundesministerium für Gesundheit begründete dies mit dem für die Zirkustiere herrschenden Platzmangel, den ständigen Transporten und "zweifelhaften Dressuren". Die European Circus Association reichte daraufhin bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde ein. Die EU-Kommission bestätigte das österreichische Gesetz jedoch und stellte ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Seit dieser Entscheidung haben immer mehr Länder ein Verbot erlassen, zuletzt Norwegen. Seit diesem Jahr dürfen dort die meisten Wildtierarten nicht mehr in der Manege auftreten.