Weltklimabericht:Fluch des schwarzen Stroms

Lesezeit: 2 min

Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler (Foto: dpa)

Klimaretter Deutschland? Von wegen. Kurz vor Erscheinen des UN-Klimaberichts wird klar: Die Kohle erlebt eine Renaissance, die Emissionen steigen. Dabei empfehlen die Klimawächter genau das Gegenteil.

Von Christopher Schrader

Die ganze Woche über sind dem Weltklimarat die Farben nicht ausgegangen. Das Gremium brauchte sie dringend, um die Übersicht zu behalten. Die Wissenschaftler des IPCC ( Intergovernmental Panel on Climate Change) brüteten in Berlin mit Regierungsvertretern aus aller Welt über dem letzten Teil ihres fünften Berichts zum Weltklima. Nach den Ursachen und Folgen ging es nun vor allem um Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels und dessen Kosten. Mit den Farben kennzeichnete die Konferenzleitung Vorschläge zur Formulierung wichtiger Passagen. Sie wurden nebeneinander an die Stirnseite des Konferenzsaals eines Berliner Hotels projiziert, wo die Delegierten dann live verfolgen konnten, wie sich der Text änderte. Am Ende mussten der etwa 30-seitigen Zusammenfassung alle zustimmen, Wissenschaftler wie Politiker. Das Ergebnis wird am Sonntagvormittag vorgestellt.

Zeile für Zeile besprachen die Delegierten, immer wieder hielten Bedenken und Empfindlichkeiten den Prozess auf. Wenn zum Beispiel der IPCC laut dem letzten, vertraulichen Entwurf vom Anfang dieser Woche darauf hinwies, dass viele Bodenschätze wie Kohle oder Öl in Zukunft nicht mehr genutzt werden können, falls die Erwärmung wie bereits international beschlossen zwei Grad Celsius nicht überschreiten soll, fühlte sich Saudi-Arabien angesprochen. Schließlich geht es um Milliardenwerte, die einfach unter der Erde bleiben müssten. Seine Vertreter haben nach Aussagen von Teilnehmern hart mit dem Rest der Konferenz gerungen, wie die entsprechende Passage formuliert wurde.

Unheimlicher Kohleboom in China

Ein ähnlicher Stolperstein war die Kernkraft. Der IPCC bezeichnete sie im letzten Entwurf als möglichen Ausweg, wenn die Energiewirtschaft deutlich weniger vom Treibhausgas Kohlendioxid ausstoßen soll - zusammen mit den Erneuerbaren Energieformen und der CCS-Technik, die CO2 aus den Schornsteinen von Kraftwerken abfangen und unter der Erde verpressen will. Der Abschnitt zur Kernkraft sollte auch die Risiken erwähnen. Aber Befürworter der Kernkraft etwa in den USA drängten auf Formulierungen wie "Sorgen über Risiken", die eher psychologisch zu verstehen sind. Gegner der Atomwirtschaft zogen es dagegen vor, von tatsächlichen Risiken zu sprechen.

Welche Vorschläge wird der Weltklimarat am Ende äußern, um die Zwei-Grad-Grenze noch einzuhalten? Der letzte Entwurf hatte ehrgeizige Maßnahmen verlangt, und von einem "grundlegenden Umbau" der Energieversorgung gesprochen. Damit es wenigstens noch eine Chance von 66 Prozent gibt, dass sich die Welt im Durchschnitt nicht um mehr als zwei Grad erwärmt, sollte der CO2-Spiegel in der Atmosphäre bei 450, maximal bei 500 Molekülen Kohlendioxid pro einer Million Luftteilchen (ppm) bleiben. Der aktuelle Wert allerdings liegt bereits bei 400 ppm.

Der Schlüssel zur Trendwende war laut IPCC-Entwurf eine baldige Abkehr von der Kohleverbrennung. Der massive Ausbau von Kohlekraftwerken im vergangenen Jahrzehnt habe entscheidend zum starken Anstieg der CO2-Emissionen beigetragen, hieß es. Diese Meiler müssten ersetzt werden. "88 Prozent der neuen Kohlekraftwerke sind in China entstanden", sagt der Greenpeace-Mitarbeiter Li Shuo. "Das Land ist deswegen allein für mehr als die Hälfte des CO2-Anstiegs verantwortlich."

Großkonflikt um Kohle

Doch vor allem wegen der Smog-Probleme habe eine Trendwende begonnen, besagt eine Greenpeace-Studie, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde: Die Zentralregierung habe es den Provinzen auferlegt, den Kohleverbrauch zu reduzieren. "Eine Verbesserung gehört zu den zentralen Aufgaben, die Peking lösen muss", sagt Shuo.

Während China handelt, steigt in Deutschland der Kohleverbrauch - und damit die CO2-Emissionen. Es gehört zu den paradoxesten Effekten der Energiewende: Zwar ersetzten erneuerbare Quellen die abgeschalteten Kernkraftwerke, schreibt die Umweltorganisation Agora Energiewende in einem Gutachten. Zugleich habe klimaschädliche Kohle aber Gas als Brennstoff überflügelt, unter anderem, weil Strom aus Kohle günstiger produziert werden kann.

"Hier bahnt sich der nächste Großkonflikt an: Beurteilen wir Kohle unter dem Blickwinkel Klimaschutz oder nach der Marktsituation?", sagt Patrick Graichen von Agora. Der Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Bundestag, Anton Hofreiter sieht die Verantwortung für die Entwicklung bei der Bundesregierung: "Sie tut so, als würden die Ergebnisse des IPCC nicht stimmen, als könne sie entscheiden, ob das Zwei-Grad-Ziel wichtig ist."

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: