Space Force:Wettrüsten im Weltraum

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Noch nie war die Welt so abhängig von Satelliten wie heute (Foto: AP)
  • Die US-Regierung plant die Gründung einer "Space Force", eines neuen Zweigs der Armee, um "lebenswichtige amerikanische Interessen" zu verteidigen.
  • Schon heute ist der Weltraum fester Bestandteil der US-Verteidigungspolitik. Hunderte Satelliten dienen der Kommunikation, Aufklärung und für Militärschläge.
  • Die Entwicklung neuer Anti-Satelliten-Waffen gefährdet laut Einschätzung der Regierung Donald Trumps die eigene Überlegenheit.

Von Christoph von Eichhorn

Im Science-Fiction-Roman "Der dunkle Wald" des chinesischen Autors Cixin Liu gründen China, Europa und die USA Weltraumarmeen. Nötig macht das eine Flotte außerirdischer Invasoren, die auf dem Weg Richtung Erde ist, jedoch erst in 400 Jahren ankommt. Die Weltraumarmeen sollen die Invasoren in ferner Zukunft mit mächtigen Raumschiffen abfangen und bekämpfen.

Offenbar braucht es keine außerirdische Bedrohung, damit Weltraumarmeen Wirklichkeit werden. US-Vizepräsident Mike Pence hat angekündigt, eine "Space Force" zu gründen. Der neue Zweig des Militärs solle "lebenswichtige amerikanische Interessen im Weltraum" verteidigen.

Der tatsächliche Start der Space Force ist, vorbehaltlich einer Zustimmung durch den US-Kongress, erst für 2020 geplant. Schon jetzt gibt es natürlich Spott, etwa für die Idee, Militärangehörige über das Logo abstimmen zu lassen. Die Entwürfe mögen tatsächlich lustig sein ("Mars Awaits"), doch sollten diese Details nicht verdecken, dass die Gründung einer Weltraumstreitmacht tatsächlich einen sicherheitspolitischen Paradigmenwechsel bedeuten könnte.

Es kommt nicht oft vor, dass die US-Armee einen neuen Zweig erfindet. Das letzte Mal in den 1940ern, als die US Air Force entstand. Ihrer Luftwaffe haben die USA sicher einen guten Teil ihrer Dominanz im 20. Jahrhundert zu verdanken. Bei der Space Force mag man zunächst auch an neue Kampfjets denken, die nun eben nicht mehr in der Atmosphäre, sondern im Orbit umherfliegen, oder an sonstige futuristische Waffen im Weltraum. Um so etwas wird es aber auf absehbare Zeit nicht gehen.

Satelliten sind entscheidend für die Dominanz der USA

Der Wunsch nach einem neuen Militärzweig entspringt eher der Tatsache, dass der Weltraum bereits jetzt ein fester Teil der Kriegsführung ist. Ob es darum geht, Gegner zu überwachen, Truppen zu befehligen oder Drohnen und Raketen zu steuern - fast nichts geht für das US-Militär mehr ohne Satelliten. Über etwa 300 militärische Satelliten verfügen die USA, im Militärjargon mit "space-based capabilities" umschrieben. "Weltraumfähigkeiten ermöglichen die amerikanische Art der Kriegsführung", schreibt der Luftwaffen-General Robert Kehler zu dem Thema. Sie ermöglichten es, "das Schlachtfeld klarer zu sehen, sicher zu kommunizieren, genau zu navigieren, präzise zuzuschlagen". Eine Vielzahl von Stellen im amerikanischen Militär ist also bereits mit dem Weltraum befasst; die Space Force soll das laut Vizepräsident Pence bündeln und effektiver machen.

Zudem ist die Dominanz der USA in der Erdumlaufbahn nicht mehr unangefochten. "Während die Abhängigkeit der USA vom Weltraum gestiegen ist, haben andere Akteure Zugang zu weltraumbasierten Systemen und Informationen erhalten", heißt es in der nationalen Sicherheitsstrategie der USA. Es wird immer billiger, Satelliten in den Orbit zu bringen. Zugleich wird die Technik, Satelliten abzuschießen, immer ausgefeilter:

  • Am einfachsten lässt sich ein Satellit mit einer ballistischen Rakete von der Erde aus abschießen. Diese Art der "kinetischen Waffe" würde allerdings jede Menge Weltraumschrott produzieren.
  • Sogenannte co-orbitale Anti-Satelliten-Waffen werden zuerst selbst als Satelliten in den Orbit befördert, wo sie jahrelang schlummern können. Im Bedarfsfall greifen sie von dort aus andere Satelliten an, etwa indem sie diese rammen.
  • "Nicht-kinetische" Waffen sollen Satelliten mit Lasern, Mikrowellen oder Elektromagnetischer Strahlung ausschalten.
  • Hacker könnten Computersysteme von Bodenstationen angreifen und so die Kontrolle über Satelliten erlangen.

Doch von wem sollte eine solche Bedrohung ausgehen? Als "strategische Wettbewerber" nennt die US-Regierung vor allem Russland und China. Sie arbeiteten explizit an eigenen Offensivfähigkeiten im Weltall, um jene der USA zu "neutralisieren", fürchtet die US-Regierung. Vor allem die Volksrepublik ist Amerika militärisch auf den Fersen.

Die Space Force könnte das Wettrüsten verschärfen

China investiert mit elf Milliarden US-Dollar pro Jahr nach den USA (48 Milliarden US-Dollar) von allen Staaten am meisten Geld in Weltraum-Aktivitäten. 2007 schoss die chinesische Armee erfolgreich einen eigenen ausgemusterten Satelliten ab. Die Zerstörung hinterließ jedoch mehr als 3000 Trümmer Weltraumschrott, die noch immer andere Satelliten gefährden. 2014 gelang es chinesischen Hackern, einen amerikanischen Wettersatelliten anzugreifen und mehrere Tage lahmzulegen. Laut einem Bericht des US-Thinktanks "Center for Strategic and International Studies" (CSIS) arbeitet die Volksrepublik auch an Strahlenwaffen, die gegen Satelliten eingesetzt werden könnten.

Russland sei ebenfalls dabei, seine militärischen Fähigkeiten im Weltraum zu modernisieren, so das CSIS. Die Anstrengungen blieben aber im Vergleich zu sowjetischen Zeiten bescheiden. Selbst technologisch noch nicht so fortgeschrittene Staaten wie der Iran versuchen Satelliten zu beeinträchtigen, etwa indem sie deren Signale mit Funkwellen stören. Das dient bislang häufig dazu, unliebsame Berichterstattung via Satellit im eigenen Land zu unterdrücken. Das "Jamming" lässt sich aber auch gegen Drohnen einsetzen. Die Space Force der USA soll deshalb laut Darstellung der US-Regierung die eigene Technik sicherer gegenüber solchen Angriffen machen. Ausdrücklich geht es aber auch um "Abschreckung und Optionen für die Kriegsführung", also womöglich die Entwicklung eigener Weltraumwaffen.

Kritiker befürchten, dass so ein neues Wettrüsten ausgelöst werden könnte. "Indem wir diesen Schritt gehen, garantieren wir im Endeffekt die Militarisierung des Weltalls", sagte der Verteidigungsexperte John Watts vom Thinktank Atlantic Council US-Medien. Die Gründung der Space Force gebe anderen Nationen "grünes Licht", militärisch hinterher zu eifern.

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