Schweinegrippe:Sicher ist nur die Angst

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Nachdem Spanien die erste Infektion bestätigt hat, fürchten sich viele vor den Zuständen, die jetzt schon in Mexiko herrschen.

Javier Cáceres und Peter Burghardt

Der erste Fall der Schweinegrippe in einem europäischen Land betrifft einen 23-Jährigen in Almansa bei Albacete. Laut der spanischen Gesundheitsministerin Trinidad Jiménez befindet sich der Mann bereits seit Samstag unter ärztlicher Aufsicht. Er war am vergangenen Mittwoch, also am 22. April, von einer Studienreise aus Mexiko zurückgekehrt und kurz darauf mit Grippesymptomen in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Behörden sprachen am Montag von landesweit mehr als 25 Verdachtsfällen. Alle Patienten seien wohlauf.

Die spanischen Krankenhäuser sind in Alarmbereitschaft. (Foto: Foto: AP)

Jiménez bemühte sich, jede Panik im Keim zu ersticken. Spanien sei trotz der Verdachtsfälle ein "komplett sicheres Land", sagte sie. Außerdem stünden ausreichend Medikamente bereit. Der Verzehr von Schweinefleisch sei völlig unbedenklich - für das Schinkenland Spanien eine überaus wichtige Information. Dennoch gab die spanische Börse am Montag überdurchschnittlich nach.

Den Behörden zufolge gibt es die meisten Verdachtsfälle in Katalonien. Dort wurden zehn Menschen unter Quarantäne gestellt. Auf den Balearen wurden zwei Menschen untersucht. An den Flughäfen in ganz Spanien wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Passagiere, die mit Flugzeugen aus Mexiko ankommen, werden von ärztlichem Personal in Empfang genommen, Menschen mit Grippesymptomen werden noch an Bord untersucht. Die Personalien aller Mexikoreisenden werden zudem vorsorglich archiviert. Doch das alles ist nichts im Vergleich zu den Szenen, die sich in Mexiko abspielen - und in den letzten Tagen abgespielt haben.

Eine gespenstische Prozession zog vorbei an der Kathedrale von Mexiko-Stadt, als diese Plage selbst Gottesdienste erfasste. Die meisten der Gläubigen trugen Mundschutz, um die Schweinegrippe von den Atemwegen fernzuhalten. In ihrer Mitte bewegten sie den hölzernen Cristo de la Salud, den Christus der Gesundheit am Kreuz. Es heißt, die Jesusfigur sei seit der Pockenpest 1691 nicht mehr aus der riesigen Kirche am Hauptplatz Zócalo im Herzen der mexikanischen Metropole auf die Straße gehoben worden.

Nun ist wieder ihr Beistand gefragt, während das bedrohliche Virus in der katholischen Hochburg ansonsten selbst die sonntäglichen Messen lahmlegte. Drinnen in dem historischen Bauwerk absolvierten die Priester die Litanei mit Gesichtsmasken und weitgehend ohne Publikum. Sogar die Basilika von Guadalupe blieb wie so viele andere Treffpunkte zu, und in dieser Woche könnte es noch schlimmer kommen.

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Nicht nur in Mexiko kämpfen die Behörden gegen den neuartigen Schweinegrippe-Erreger - denn der breitet sich weltweit aus. Die Bilder.

Mit jedem neuen Todesfall erwägen die Behörden weitere Maßnahmen. Bis Montag wurden in Mexiko bereits mehr als 100 Tote gemeldet, offiziell 22 von ihnen eindeutig wegen des Erregers H1N1. 1600 Menschen zeigten verdächtige Symptome, 400 von ihnen lägen in Krankenhäusern, informierte Gesundheitsminister José Ángel Córdova. Bei 900 Patienten sei Besserung festzustellen. Mindestens in den ersten 48 Stunden einer spürbaren Erkrankung mit hohem Fieber, Gliederschmerzen und Husten seien die Medikamente sehr effektiv, sagte Córdova, der im Rahmen des Notstands mit Sondervollmachten ausgestattet wurde. Man werde weiterhin alles tun, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Aber was?

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Der Schulunterricht fällt bis zunächst 6. Mai aus. Die Ausstellungen, Theater und meisten Kinos sind geschlossen, die Bars und Restaurants viel schlechter besucht als zuvor. Feste und Konzerte werden abgesagt. Touristen, sofern sie geblieben sind, müssen auf weltberühmte Attraktionen wie das Anthropologische Museum am Chapultepec-Park, die ehemalige Residenz der Malerin Frida Kahlo und die Pyramiden von Teotihuacan verzichten. Die Fußballspiele in Stadien wie dem Estadio Azteca, 1970 und 1986 Schauplatz des WM-Finales, fanden erstmals ohne Zuschauer statt.

Armeemitglieder suchen nach Kranken. Doch es sieht so aus, als sei dies nicht genug. "Diese Woche ist kritisch, und wir müssen alles Menschenmögliche tun, um die Ausbreitung zu bremsen", erklärte Bürgermeister Marcelo Ebrard. Die Regierung erwägt, die öffentlichen Verkehrsmittel nicht weiter fahren zu lassen. Allein in der Metro von Mexiko-Stadt drängen sich täglich 4,5 Millionen Pendler.

So gelähmt war dieser Moloch selten. Präsident Felipe Calderón versucht zu beruhigen: Man müsse schnell und zuverlässig handeln, allerdings sollten die Bürger auch "die Ruhe bewahren und mit den Behörden zusammenarbeiten", bat er in einer Fernsehansprache. Doch inzwischen sind erste Anzeichen von Panik spürbar, seitdem sich auch Soldaten und Mariachis Nase und Mund bedecken. Schon jetzt leiden obendrein Image und Wirtschaft.

Die Weltbank hat 205 Millionen Dollar bereitgestellt, aber die Verluste sind bereits wesentlich höher. Dem Ruf des Reisezieles Mexiko schadet die Epidemie noch mehr als der Drogenkrieg. Die Fluggäste werden weniger, China und Russland blockieren außerdem den Import von mexikanischem Rindfleisch.

© SZ vom 28.04.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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