Anthropologie:Die ersten Spaziergänger

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Mal klettern, mal gehen: Sahelanthropus konnte offenbar beides. (Foto: Illustration: Sabine Riffaut, Guillaume Daver, Franck Guy/dpa)

Sie konnten wohl noch gut klettern, gingen aber meist schon zu Fuß: Schon vor sieben Millionen Jahren bewegten sich Vormenschen aufrecht auf zwei Beinen vorwärts.

Von Jakob Wetzel

Bereits vor sieben Millionen Jahren gingen Vorfahren der Menschen wohl aufrecht auf zwei Beinen durch Afrika. Das bestätigen nun Untersuchungen zweier Unterarm- und eines Oberschenkelknochens von Sahelanthropus tchadensis, die im Tschad gefunden worden waren, berichten Forscher aus Frankreich und dem Tschad in der Fachzeitschrift Nature. Die Beschaffenheit des Oberschenkelknochens weise darauf hin, dass der Vormensch zwar auch in Bäumen unterwegs war, sich aber üblicherweise auf zwei Beinen am Boden bewegte. Zu dem Team um den Paläontologen Franck Guy und den Paläoanthropologen Guillaume Daver gehören Forscher der Universität Poitiers und des Nationalen Wissenschaftlichen Forschungszentrums (CNRS) in Frankreich sowie der Universität N'Djaména und des Nationalen Forschungs- und Entwicklungszentrums (CNRD) im Tschad.

Der Fund des Sahelanthropus tchadensis hatte 2001 Aufsehen erregt. Zum einen waren die Fossilien in der Djurab-Wüste im nördlichen Tschad entdeckt worden, also weit entfernt von den klassischen Vormenschen-Fundorten in Ostafrika. Zum anderen deuteten die Knochen darauf hin, dass die neue Art bereits zu den Vormenschen zählt. Kriterium dafür ist neben der Größe des Gehirns und bestimmten Merkmalen zum Beispiel an den Zähnen auch der aufrechte Gang. Nachdem die Funde auf ein Alter von sechs bis sieben Millionen Jahren datiert wurden, gilt Sahelanthropus tchadensis damit als derzeit früheste bekannte Vormenschenart. Die neue Studie scheint diese Einschätzung zu bestätigen.

Der Unterarmknochen deutet auf einen festen Griff der Hände hin

Gefunden wurden Schädelknochen und Zähne sowie zusätzlich zwei Unterarm- und ein Oberschenkelknochen, die zwar womöglich nicht vom selben Individuum stammen, aber ebenfalls der Art Sahelanthropus tchadensis zugeordnet werden, weil auf dem Ausgrabungsgelände kein weiterer großer Primat entdeckt wurde. Bereits 2001 schlossen Forscher aus der Stelle, an der die Wirbelsäule im Schädel verankert ist, dass Sahelanthropus tchadensis den Kopf aufrecht balancierte, sich also wohl auf zwei Beinen fortbewegte.

Ihre nun vorgelegte Studie bekräftige diese Vorstellung, schreiben die Forscher um Daver und Guy. Sie verglichen die Knochen des Sahelanthropus mit denen noch existierender und ausgestorbener Arten von Menschenaffen. Dabei stellten sie fest, dass die Art zwar mit den Händen fest zupacken konnte und offenbar gut in der Lage war, in Bäumen zu klettern. Die Form der Oberschenkel weise aber auf einen zweibeinigen Gang hin. Die Fortbewegungsweise von Sahelanthropus tchadensis unterschiede sich demnach deutlich von der Vierfüßigkeit bei Gorillas und Schimpansen.

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Dass Vorfahren des Menschen schon vor einigen Millionen Jahren aufrecht gehend unterwegs waren, hatten andere Studien bereits vor Jahren untermauert. Die Vormenschenart Orrorin tugenensis soll vor rund sechs Millionen Jahren in Kenia auf zwei Beinen gelaufen sein, ebenso der Ardipithecus vor sechs bis vier Millionen Jahren sowie der Australopithecus vor rund vier Millionen Jahren, beide ebenfalls in Afrika. Sahelanthropus tchadensis gilt als mögliches Bindeglied zwischen jenen Vormenschen und den frühesten menschenartigen Primaten im vorangegangenen Zeitalter. Dazu zählen zum Beispiel Dryopithecus, Ouranopithecus und Proconsul, deren Fossilien in Afrika, Asien und Südosteuropa gefunden wurden. Sie erinnern von ihrem mutmaßlichen Aussehen her noch stark an Affen. Wie menschenähnlich die Arten waren und ob, wo und wie sie auf der Stammeslinie des Menschen einzuordnen sind, darüber gibt es unter Forschern noch Kontroversen.

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