Um "Saisonziele nicht zu gefährden", wird in der Fußballbundesliga viel geboten. Zwar formulieren Vereine seltsame Partikularinteressen, etwa Bayern München den Gewinn des Triples oder - noch origineller - Hertha BSC den Klassenerhalt. Doch übergeordnetes Saisonziel ist Unterhaltungstheater, und dazu liefern der Tabellenführer (Stichworte: "Zillertal", "schockverliebt") wie der Tabellenletzte ("Big City Club") mit ihren Trainerwechseln großartigen Stoff. Der Branchen-Primus führt sich herrlich unberechenbar auf, wozu der neue FCB-Cheftrainer Thomas Tuchel entschieden beiträgt, der einst als verkniffener Low-Carb-Kauz galt, aber derzeit eine Pleite nach der anderen heiter wegmoderiert. In Berlin eilt Pál Dárdai gerade zum dritten Mal der Hertha zu Hilfe, was die Prognose über seine Amtszeit ähnlich euphorisch ausfallen lässt wie die Ankündigung der zehnten Diät nach dem zwölften Jo-Jo-Effekt.
Nach der Erfahrung selbst gutmütiger Fans zeigen Trainerwechsel allenfalls kurzfristig Wirkung. Das erste Spiel unter dem neuen Übungsleiter mag einen Schub bringen, weil sich die vormaligen Bankdrücker dem neuen Chef empfehlen wollen oder der lethargisch gewordenen Stammelf schwant, dass es eventuell an ihren Laufwegen und nicht denen des Trainers lag, wenn Spiele verloren gingen. Dann verpufft der Effekt. Nach Monaten der Mittelmäßigkeit fragt sich der Vorstand, ob ein neuer Trainer vielleicht frischen Wind bringen könnte ... Allerdings zeigen die Vereine mit den meisten Trainerwechseln (Schalke, Stuttgart, Hertha), dass neue Besen keineswegs immer gut kehren - sie sind allesamt Abstiegskandidaten.
Die Wissenschaft zeichnet ein uneinheitliches Bild. "Die Hälfte der Studien zeigt positive Effekte, die andere Hälfte keine", sagt Arne Güllich, Sportwissenschaftler an der TU Kaiserslautern. "Wir haben mit gründlicher Methodik gezeigt, dass ein neuer Trainer schon etwas bringt." Zusammen mit Sebastian Zart hat Güllich fast 4000 Spiele rund um 149 Trainerwechsel in der Bundesliga, der Premier League und Spaniens La Liga zwischen 2010 und 2019 untersucht. Dabei haben sich die Forscher auf Effekte innerhalb einer Saison konzentriert und auf realistische Erwartungen. "In der Sommerpause wird oft der halbe Kader ausgetauscht, manchmal ändern sich Budget und Vorstand, sodass es hinterher ein anderer Verein ist", sagt Güllich. "Und um den Erfolg von Trainerwechseln zu gewichten, reicht es nicht, Punkte zu zählen - man muss berücksichtigen, ob gegen den Letzten oder den Spitzenreiter gespielt wird und womit da realistisch zu rechnen ist."
Nach diesen Kriterien bringen Trainerwechsel kurz- bis mittelfristig Erfolg, der sich bis zu 16 Spieltage lang - wenn auch abgeschwächt - nachweisen lässt. Irgendwann setzt allerdings das Trainerkarussell wieder ein; laut Güllich entsteht der Impuls dazu "unter der Dusche": Spieler sind unzufrieden und bringen dann, bewusst oder unbewusst, weniger Leistung. Ist der Coach weg, spielen diese Spieler befreit auf. Verhindern können diesen Automatismus allenfalls Spielerflüsterer, von denen auch der Vorstand weiß, dass sie nicht "die Kabine verlieren". Heute ist das ein Trainer wie Christian Streich - früher standen Jupp Heynckes, Thomas Schaaf und Volker Finke dafür.