SZ-Klimafreitag:Auf dem Weg ins Plastozän

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Laut WWF landen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr weltweit in den Meeren. Das entspricht einer Lastwagenlandung pro Minute. (Foto: imageBROKER/Andrey Nekrasov via www.imago-images.de/imago images/imagebroker)

Die weltweite Plastikflut ist enorm, Tendenz stark steigend. Können eine Verpackungssteuer oder ein UN-Plastikabkommen helfen?

Von Thomas Hummel

Sind wir auf dem Weg ins Plastikzeitalter? Mit Schwung hinein ins Plastozän? Oder sind wir da schon mittendrin? Die Zahlen legen das nahe.

2019 wurden weltweit 460 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert. Doppelt so viel wie im Jahr 2000. Nur ein Zehntel des anfallenden Mülls wird recycelt. Der Rest wird verbrannt (wobei klimaschädliches CO₂ entsteht), deponiert oder irgendwo in die Umwelt geworfen. Pro Minute landen vier Lkw-Ladungen Plastikmüll neu in Flüssen, Seen, Meeren oder im Boden.

Etwa acht Prozent des jährlich geförderten Erdöls geht heute in die Chemie- und Verpackungsindustrie, um Kunststoffe herzustellen. Die OECD prognostiziert, die Plastikproduktion könnte sich bis 2060 verdreifachen. Den Erdölproduzenten kommt das gelegen: Wenn irgendwann tatsächlich die meisten Autos und Heizungen mit Strom laufen und dieser fast nur noch aus erneuerbaren Quellen kommt, könnte die Plastikproduktion die Geschäfte mit fossilen Rohstoffen retten.

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Es gibt aber auch Gegenwind. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer landete einen Coup, als das Bundesverwaltungsgericht kürzlich seine kommunale Verpackungssteuer für rechtmäßig erklärte. Ein Sieg über McDonald's! Bald dürften weitere Städte und Kommunen folgen. Tübingen ist schon jetzt ein Mehrweg-Paradies, wie ich diese Woche vor Ort erleben durfte (SZ Plus).

Am globalen Problem der Plastikflut werden vereinzelte kommunale Initiativen indes nur wenig ändern. Schon eher ein Plastikabkommen der Vereinten Nationen, das in der vergangenen Woche in Paris verhandelt wurde und bis Ende 2024 stehen soll. Das Ziel: Bis 2030 die jährliche Plastikproduktion um 80 Prozent zu reduzieren und zum Beispiel lieber auf nachwachsende Rohstoffe setzen. Warum das nicht so einfach ist, hat meine Kollegin Vivien Timmler vor zwei Jahren recherchiert. Ihr Text zur Verpackung der Zukunft ist nach wie vor lesenswert (SZ Plus).

Aus den Verhandlungen zum Plastikabkommen ist zu hören, dass Länder wie Saudi-Arabien, China, Russland oder Brasilien von Einschränkungen der Plastikproduktion eher wenig halten. Und dass etwa der Lobbyverband American Chemical Council nicht einmal die chemische Zusammensetzung von Kunststoffen vereinheitlichen möchte, um Recycling besser zu ermöglichen. Aktuell können Plastikprodukte mehr als 13 000 verschiedene Chemikalien enthalten.

Ob die Welt die Kraft hat, sich dem Plastozän entgegenzustemmen? Kann Palmers Verpackungssteuer wenigstens ins Deutschland etwas bewirken? Was halten Sie von der Debatte rund um die Kunststoffe?

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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