Parasiten:Wie ein Wurm Gottesanbeterinnen zu Zombies macht

Lesezeit: 2 min

Der Rosshaarwurm befällt Gottesanbeterinnen. (Foto: Takuya Sato)

Der Rosshaarwurm übernimmt die Kontrolle über seinen Wirt und treibt diesen am Ende in den Tod. Nicht gemein genug? Nun stellen Forscher fest: Der Parasit nutzt dafür einen üblen Trick.

Von Sina Metz

Sein Leben lang beutet er andere aus: Als Larve kommt er per Anhalter auf Wasserinsekten an Land. Dort wartet er, bis ihn eine Gottesanbeterin verspeist. In ihr nistet er sich ein, zehrt von seinem Wirt, wächst in ihm, übernimmt schließlich die Kontrolle über dessen Gehirn und zwingt ihn, ins Wasser zu springen: Die Gottesanbeterin stürzt. Weil sie stirbt, lebt der Parasit weiter. Er braucht das Wasser, um sich zu paaren und zu vermehren. Der Kreislauf beginnt von vorn.

Die Rede ist vom Rosshaarwurm, einem weißlichen, bräunlich-goldglänzenden oder schwarzen Saitenwurm, etwa so dünn wie eine Spaghetti und in der Regel ähnlich lang. Wie der Parasit die Gehirnwäsche seiner Wirte anstellt, hat jetzt ein Team um den Biologen Takuya Sato von der Kyoto University in Japan herausgefunden: Der Wurm stiehlt der Gottesanbeterin Gene, um sie auf tödliche Weise zu manipulieren, sodass sie sich ins Wasser stürzt. Die Studie erschien im Wissenschaftsmagazin Current Biology.

Frühere Studien vermuteten bereits, dass Rosshaarwürmer die Gehirne ihrer Wirte unterwandern, indem sie auf eine Weise, die man nicht genau verstand, Biomoleküle der Gottesanbeterin kopierten, die die Insekten selbst nutzen, um sich am Licht zu orientieren. Die Würmer missbrauchen diese Signalmoleküle, um ihre Wirte zum Licht und dadurch zum oft glitzernden Wasser zu drängen. Wie sie genau an diese Biomoleküle kamen, blieb bisher ein Rätsel.

Einen Gentransfer nutzen viele Lebewesen, um sich schnell an neue Bedingungen anzupassen

Nun haben die Forscherinnen und Forscher um Takuya Sato herausgefunden, wie der Parasit die Gottesanbeterin einer Gehirnwäsche unterzieht. Wenn die Würmer das Insekt manipulieren, arbeiten in ihnen rund 3000 Gene, die in Würmern, die keinen Wirt befallen, nicht aktiv sind. Diese Gene beeinflussen teils, wie Signale in Nervenzellen übertragen werden oder wie ein Lebewesen auf Licht reagiert. Die neue Studie zeigt also: Die Würmer produzieren die manipulativen Biomoleküle selbst, anstatt die Gottesanbeterinnen dazu zu bringen, diese Moleküle herzustellen, wie man das von Viren kennt.

Rund tausend der 3000 aktivierten Gene stimmen fast vollständig mit Genen der Gottesanbeterinnen überein - und sie sind offenbar geklaut. "Viele der Gene der Rosshaarwürmer, die bei der Manipulation ihrer Wirte eine wichtige Rolle spielen könnten, waren den Genen der Gottesanbeterinnen sehr ähnlich", sagt Tappei Mishina, Mitautor der Studie. Der Wissenschaftler schlussfolgert daraus, "dass sie durch horizontalen Gentransfer erworben wurden".

Horizontaler Gentransfer ist ein Prozess, bei dem Gene ohne Fortpflanzung von einem Organismus auf den anderen übertragen werden. Lebewesen nutzen den Mechanismus, um schnell an neue Gene zu kommen, mit denen sie besser an ihre Umgebung angepasst sind. Bekannt ist das bei Bakterien: Sie entwickeln so die Fähigkeit, resistent gegen Antibiotika zu werden. Der Rosshaarwurm nutzt horizontalen Gentransfer, um seinen Fortpflanzungserfolg zu erhöhen: Nur wenn sich die Gottesanbeterinnen ins Wasser stürzen, können sich seine Larven vermehren.

Mit seinem manipulativen Verhalten ist der Parasit nicht alleine: Ein Saugwurm zum Beispiel befällt Schnecken und macht sie zu Zombies. Er lässt ihre Fühler anschwellen und farblich pulsieren. Sein Ziel: Er will einen Vogel anlocken, der die Schnecke für eine Raupe hält, von ihm gefressen werden und sich dann in dessen Darm vermehren. Ein weiteres Beispiel: Ein parasitärer Pilz befällt das Nervensystem von Ameisen und bringt sie dazu, in Baumwipfel zu klettern. Oben angekommen, wächst er aus ihnen heraus und lässt seine Sporen nach unten regnen. Auch vor dem Menschen machen Parasiten wie Mücken, Zecken und Würmer nicht halt. Sie benutzen ihn ebenfalls, um sich zu vermehren. Der Erreger der Toxoplasmose macht Infizierte zudem risikobereiter und senkt ihre Reaktionsgeschwindigkeit. Aber Beispiele, in denen Parasiten Menschen zu einem bestimmten, von diesen eigentlich nicht gewünschten Verhalten zwingen oder sie gar in Zombies verwandeln wie etwa in der TV-Serie "The Last of Us", gibt es bisher nicht.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes fehlte der Hinweis auf den Erreger der Toxoplasmose. Wir haben das Beispiel ergänzt.

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