Ölteppich vor Louisiana:Feuer auf dem Wasser

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Die US-Küstenwache will mit einer umstrittenen Maßnahme die drohende Umweltkatastrophe an Louisianas Küste verhindern. Umweltschützer sprechen von einer "Verzweiflungstat".

Tina Baier

Der Ölteppich im Golf von Mexiko wird abgefackelt. Die US-Küstenwache hat am Mittwochmittag (Mittwochabend MESZ) damit begonnen, an ,mehreren Stellen "kontrollierte Brände" zu entfachen, um das Öl nicht an die Küste des Bundesstaates Louisiana gelangen zu lassen.

Erst wurde das Feuer auf der Bohrinsel bekämpft, nun setzt die US-Küstenwache auf Feuer, um eine Verschmutzung der Küste von Louisiana zu verhindern. (Foto: Foto: Reuters)

Seit am Sonntag die Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko versunken ist, sprudeln täglich 150.000 Liter Rohöl aus dem offenen Bohrloch - neuesten Schätzungen der US-Meeresschutzbehörde NOAA zufolge sind es sogar nahezu 800.000 Liter. Der Ölfilm bedeckte am Mittwoch bereits ein mehr als 74.000 Quadratkilometer großes Gebiet.

"Welche Ausmaße die Katastrophe annimmt, hängt vor allem davon ab, wie schnell es gelingt, das offene Bohrloch zu verschließen", sagt Jörg Feddern, Biologe bei Greenpeace. Am schnellsten ginge es, wenn endlich die Ventile des sogenannten Blowout Preventers geschlossen werden könnten. Mit einer solchen tonnenschweren Vorrichtung sind alle Bohrlöcher ausgestattet, um im Falle eines Unglücks das heraus sprudelnde Öl zu stoppen.

Warum dies trotz mehrerer Versuche an den zwei Lecks bislang nicht gelang, ist nicht ganz klar. Allerdings kann man sich gut vorstellen, dass das Schließen der Ventile in 1500 Metern Tiefe eine schwierige Aufgabe ist.

"Da unten ist es stockdunkel, und alles ist ölverschmiert", sagt Feddern. Weil Taucher maximal in einer Tiefe von 200 Metern arbeiten können, muss eine Art Unterwasserroboter per Fernsteuerung zur Unglücksstelle dirigiert werden. Ein Greifarm dieses Remote Operating Vehicle soll die Ventile dann mechanisch schließen. Soweit die Theorie.

In der Praxis hat sich die amerikanische Küstenwache jetzt für eine sehr viel banalere Methode entschieden. Das Öl soll einfach auf hoher See abgebrannt werden, bevor es die Küste erreicht. "Das ist eine Verzweiflungstat", sagt Feddern. Eine solche Maßnahme könne den Ölteppich auch nicht ganz beseitigen, sondern lediglich verringern.

Es droht eine gigantische Luftverschmutzung

Zudem käme es zu einer gigantischen Luftverschmutzung, deren Auswirkung auf das Ökosystem vollkommen unklar sei. Auch ist fraglich, ob die Verbrennungsaktion überhaupt funktioniert.

"In ruhigem Gewässer, bei wenig Wind, in einem geschützten Gebiet kann das klappen", sagt der Ölpest-Experte Ed Overton aus Louisiana. "Mitten auf dem Ozean, mit Wellenbewegungen und Strömungen, ist das nicht einfach." Zudem sei das Öl von klebrig-teeriger Beschaffenheit und liege tief im Wasser. "Ich bin nicht optimistisch, aber man muss es versuchen."

Schon jetzt werden offenbar Chemikalien eingesetzt, die ähnlich wirken wie Spülmittel auf einen Fettfilm. Die Substanzen sollen den zusammenhängenden Ölteppich aufreißen, um die Selbstheilungskräfte des Ozeans zu aktivieren.

Die Mikroorganismen im Wasser und auf dem Meeresgrund, die das Öl biologisch abbauen, können nämlich schneller arbeiten, wenn das Öl in Tröpfchenform gelöst ist als wenn sie es mit einer großen zusammenhängenden Fläche zu tun haben.

Zudem sinkt das Öl dann schneller ab und kann nicht mehr an die Küste gespült werden. Der zweifelhafte Vorteil dabei: das Problem ist nicht mehr für jedermann sichtbar. "Der Meeresgrund sieht an solchen Stellen allerdings aus wie geteert", sagt Feddern.

Parallel haben die Rettungskräfte jetzt mit dem Bau einer Konstruktion begonnen, die wie eine Art Haube über die Austrittsstelle gehängt werden soll, um das Öl aufzufangen, bevor es an die Oberfläche gelangt. Allein der Bau dieser Schutzglocke dauert nach Angaben der amerikanischen Küstenwache aber bis zu vier Wochen.

Nach Informationen von Greenpeace ist am Mittwoch außerdem eine zweite Ölplattform der Schweizer Firma Transozean an der Unglücksstelle eingetroffen, der auch die Deepwater Horizon gehörte. Mit ihrer Hilfe soll eine so genannte Entlastungsbohrung gelegt werden. Dabei wird der Schacht, aus dem das Öl sprudelt, seitlich angebohrt. Durch die Öffnung werden Zement und Sand hineingepumpt, die das Bohrloch verschließen sollen. "Das kann allerdings Monate dauern", sagt Feddern.

Bei einem vergleichbaren Unglück im Jahr 1979 als die Bohrinsel Ixtoc I vor Mexiko explodierte habe es 295 Tage gedauert bis das Loch mit Hilfe einer Entlastungsbohrung verschlossen werden konnte. Zwar sei die Technik heute ausgereifter, dafür läge aber das offene Bohrloch der Deepwater Horizon in viel größerer Tiefe. Dass das Öl irgendwann von alleine aufhört zu sprudeln, halten Experten wegen des großen Drucks in der jungen Bohrung für sehr unwahrscheinlich.

© SZ vom 29.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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