Ölrausch in der Arktis:Schatzkammer unterm Eis

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Ölfirmen drängen in die Arktis, denn Experten vermuten riesige Öl- und Gasmengen unter dem Eismeer. Der russische Staatskonzern Rosneft und die US-Ölfirma Exxon Mobil wollen nun in der Karasee Bohrinseln errichten. Aber Umweltschützer warnen: niemand wisse, wie sich eine Ölpest unter einer Eisdecke bekämpfen ließe.

Oliver Bilger und Gunnar Herrmann

Für Ölfirmen ist die Arktis eine Schatzkammer. Unvorstellbare Mengen von Erdöl und Gas liegen unter dem Eismeer, vermuten Experten - sie auszubeuten beflügelt die Phantasie von Wirtschaftsbossen und Politikern. Mehr als ein Fünftel aller unentdeckten Rohstoffreserven der Erde sollen den Forschern des US Geological Survey (USGS) zufolge in der Region rund um den Nordpol liegen.

Das Eis zieht sich wegen des Klimawandels immer mehr aus der Arktis zurück. Daher drängen Ölfirmen  zunehmend in die Region um den Nordpol. (Foto: AP)

Und weil sich das bislang ewige Eis wegen des Klimawandels zurückzieht, sind diese Reichtümer für die Konzerne immer leichter zugänglich. Auch der Transport der Rohstoffe aus der Region wird einfacher, wenn sich Schifffahrtsrouten über die Nordostpassage im Sommer öffnen.

Der US-Energieriese Exxon Mobil und der russische Staatskonzern Rosneft wollen künftig davon profitieren - die Unternehmen haben nun in einem Abkommen vereinbart, Öl-und Erdgasvorkommen in der arktischen Karasee und im Schwarzen Meer gemeinsam zu erschließen und zu fördern. Dabei ist zunächst von einem Volumen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro die Rede. Im Gegenzug erhält Rosneft Beteiligungen an Exxon-Projekten in den USA. Die Firma in Staatshand wird 66,7 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen halten, Exxon bekommt den Rest.

Das Abkommen hat auch Auswirkungen auf Russland: Das Land könnte sich damit im Wettlauf um die Erschließung der Arktis einen Vorsprung gegenüber den anderen Anrainerstaaten verschaffen. Denn das internationale Rennen um die Öl- und Gasvorkommen des Nordens ist in vollem Gang. Für Premierminister Wladimir Putin geht es um eines seiner Lieblingsprojekte. Vor Kurzem erklärte er, zwar offen zu sein für den Dialog mit den Nachbarländern, doch werde Russland seine geopolitischen Interessen "hart und konsequent verteidigen".

Der Premier fehlte daher auch nicht, als die Chefs der nun kooperierenden Unternehmen, Eduard Chudajnatow und Rex Tillerson, den Vertrag in der Schwarzmeerstadt Sotschi unterzeichneten. Putin sprach von "neuen Horizonten", die sich durch die Partnerschaft eröffnen.

Für Russland ist die Kooperation mit Exxon nicht nur ein wichtiger, sondern vor allem auch ein notwendiger Schritt. Die Förderung von Öl und Gas in der Arktis ist äußerst aufwendig und teuer. Rosneft gehören die Felder in der Karasee zwar bereits. Bisher fehlen jedoch Technologie und Expertise für die Bohrungen am Meeresgrund. Für die Förderarbeiten in der Karasee werden laut Vizepremier Igor Setschin mindestens zehn Bohrinseln notwendig sein, von denen jede bis zu 15 Milliarden US-Dollar koste. Rosneft und Exxon kooperieren bereits auf kleineren Ölfeldern in Sibirien und vor der ostrussischen Insel Sachalin.

Ohne den ausländischen Partner wäre Rosneft zu solchen Projekten in der näheren Zukunft nicht in der Lage - das weiß auch Moskau. Auf einer Arktiskonferenz im vergangenen Jahr kritisierte das russische Ministerium für natürliche Ressourcen die heimischen Ölförderbetriebe: "Wenn jetzt nicht investiert wird, ist es fraglich, ob Russland in zehn bis 15 Jahren imstande sein wird, seine naturgegebenen Vorteile zu nutzen", sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Russen sahen sich deshalb schon länger nach einem Partner um und fanden zunächst den Exxon-Konkurrenten BP. Erste Explorationsbohrungen auf dem Festlandsockel der Karasee waren für 2015 geplant. In zehn Jahren sollte mit der Förderung von Öl auf drei Feldern Ost-Prinowosemelskij begonnen werden, erklärte BP-Chef Robert Dudley im Januar.

Doch es kam anders. Eine Allianz zwischen Rosneft und BP scheiterte wenig später. In diesem Zusammenhang durchsuchten Gerichtsvollzieher am Mittwoch die Moskauer BP-Zentrale. Landeschef Jeremy Huck verurteilte die Razzia als offenen Versuch, das Geschäft des Unternehmens unter Druck zu setzen. Dabei dürfte das Abkommen mit Exxon ohnehin ein schwerer Schlag für BP sein, der gleichzeitig Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der Verhandlungen und einen Einstieg in die russische Arktis beendet.

Experten warnen indes, dass die großen Erwartungen an die Rohstoffvorkommen der Arktis überzogen sein könnten. So ist die Schätzung des USGS bislang eben nur eine Schätzung, die vielerorts erst noch durch Probebohrungen bestätigt werden muss. Und selbst wenn die Suche Erfolg hat, bedeutet dies nicht unbedingt, dass sich eine Förderung lohnt. Die Arktis ist und bleibt ein unwirtliches Gebiet mit vielen Unwägbarkeiten: Stürme, Seegang und Treibeis erschweren jedes Bohrvorhaben.

So ist etwa in Russland in manchen Gebieten die Situation entstanden, dass man zwar von Öl- und Gasvorkommen weiß - aber bislang keinen Weg fand, die Schätze zu heben. Die Existenz des Stockman-Feldes in der Barentssee etwa ist schon seit 1988 bekannt. 3,8 Trillionen Kubikmeter Erdgas sollen dort zu holen sein. Ein großer Teil davon könnte einst durch die Ostsee-Pipeline nach Deutschland strömen.

Aber die Erschließung durch den Gazprom-Konzern gestaltete sich schwierig. Die Barentssee ist an dieser Stelle mehr als 300 Meter tief, Bohrplattformen werden durch umherschwimmende Eisberge gefährdet. Weil ihm selbst das Know-How fehlt, um diese Probleme zu bewältigen, hat der Gazprom-Konzern vor einigen Jahren ein Joint Venture mit Total aus Frankreich und Statoil aus Norwegen gegründet. Mit vereinten Kräften soll das erste Gas nun 2016 geliefert werden - allerdings wurde der Termin bereits mehrmals verschoben.

Umweltschützer sehen den arktischen Wettlauf der Ölmultis mit großer Sorge. "Generell lehnen wir eine Erschließung der Erdölvorkommen in dieser Region ab", sagt Stephan Lutter, Meeresökologe bei der Umweltorganisation WWF. Die arktische Natur sei nicht nur besonders empfindlich, vor allem gebe es in der kargen Gegend auch gar keine Infrastruktur, um eine eventuelle Ölkatastrophe zu bewältigen. Aufräumarbeiten würden zudem durch das raue Klima erschwert - so weiß zum Beispiel niemand genau, wie man eine Ölpest unterhalb einer Eisdecke bekämpfen könnte.

In Norwegen und Kanada haben WWF und andere Umweltschutzverbände mit solcher Kritik bereits einige Erkundungsvorhaben stoppen können. "Dass jetzt die Ausbeutung ausgerechnet in der Karasee forciert werden soll, ist fatal", sagt Lutter. Dieses Gebiet sei besonders dünn besiedelt.

© SZ vom 01.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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