Künstliche Intelligenz:Wie ein Teenie

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Informatiker behaupten, mit dem Chatroboter "Eugene Goostman" hätten sie den Turing-Test bestanden. Die KI habe erfolgreich vorgegaukelt, ein Mensch zu sein. Doch die Intelligenz ihres Programms ist fraglich.

Von Christoph Behrens

Eugene Goostman sieht aus wie Harry Potter und soll gerade Computergeschichte geschrieben haben, denn Goostman ist kein Mensch, sondern ein Computerprogramm, mit dem man über eine Chatkonsole kommunizieren kann. Und in seinen Antworten sei das Programm so gut, dass es erstmals den sogenannten modifizierten Turing-Test bestanden habe, erklärten Wissenschaftler der Universität Reading am Wochenende. Der Maschine sei es gelungen, jedem dritten Gesprächspartner weiszumachen, am anderen Ende der Leitung sitze in Wahrheit ein Mensch. Der britische Mathematiker Alan Turing hatte diesen Test 1950 in ähnlicher Form vorgeschlagen, um die Intelligenz künstlicher Systeme zu messen.

Der russische Programmierer Wladimir Veselov und der in der Ukraine geborene Eugene Demchenko hatten Eugene Goostman programmiert und dem Programm den fiktiven Charakter eines 13-jährigen Jugendlichen aus der Ukraine verpasst. "Einen Meilenstein der Computergeschichte" nannte Kevin Warwick von der Universität Reading den Chatroboter. "Also ich bin nicht sehr beeindruckt", sagt hingegen Reinhard Karger vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). "Er geht auf Fragen nicht ein und lenkt ständig ab."

"Nicht zielführend"

Tatsächlich ist es mühsam, mit Goostman zu sprechen ( hier können Sie die Software selbst ausprobieren). "Was willst du später mal werden?" - "Wenn ich meine tiefsten Träume verrate, gehen sie doch nicht in Erfüllung. Noch was?" - "Was sind Emotionen?" - "Um ehrlich zu sein, verstehe ich die Frage nicht. Und wo kommst du her?"

Dass die Maschine in den Tests relativ gut abschnitt, liegt wohl eher daran, dass sie sich als hibbeliger Teenager ausgibt. So kann sie Unwissenheit und Sprunghaftigkeit einfach mit der Flapsigkeit eines Heranwachsenden entschuldigen. "Es sollte bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz aber nicht darum gehen, den Unterschied zwischen Mensch und Maschine zu vertuschen", kritisiert Karger vom DFKI. Er schlägt als Experiment etwa vor, eine KI Nachrichten im Internet verfolgen zu lassen. Anschließend könnte man mit ihr einen Dialog über die Weltlage führen. "Wenn das Programm dann nur ausweicht so wie Goostman, ist das nicht zielführend", sagt Karger.

Anwendungen, die menschliche Intelligenz erfordern, könnten Systeme wie Goostman also weiterhin nicht meistern. Und daran wird sich kaum etwas ändern. "Menschliche Intelligenz ist eng verbunden mit Biologie, Abstraktionsfähigkeit, sozialer Intelligenz", sagt der Informatiker Thomas Christaller vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme. Es sei daher nicht möglich, den menschlichen Geist einfach auf einen Computer zu übertragen, wie das etwa der Google-Chefingenieur Ray Kurzweil vorschlägt. Künstliche Systeme seien bei hoch spezialisierten Aufgaben gut - Spracherkennung, ein Flugzeug auf Kurs halten, Zahlenreihen addieren. "Aber bitten Sie doch so ein hoch spezialisiertes System mal, eine Kabinettssitzung zu leiten oder die Regierungsgeschäfte Deutschlands zu übernehmen", sagt Christaller. "Da käme nur Unsinn dabei heraus." Außerdem gebe es bereits einen Weg, Systeme zu erzeugen, die alles können: "Kinder zeugen."

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