Krähen erkennen Gesichter:Die Maske des Bösen

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Ob Teufel, Höhlenmensch, Dick Cheney oder ein Wissenschaftler - Krähen wissen genau, mit wem sie es zu tun haben.

Franziska Draeger

Krähen können sich offenbar die Gesichter von Menschen merken, die ihnen einst Böses antun wollten. Noch Jahre nach einer unangenehmen Begegnung erkennen sie Übeltäter wieder. Das haben Biologen von der University of Washington beobachtet. Vogelkundler wussten zwar bereits, dass Krähen Menschen unterscheiden können. Schon der berühmte Verhaltensforscher Konrad Lorenz schlüpfte deshalb in ein Teufelskostüm, wenn er Krähen fing und kennzeichnete, damit sie beim nächsten Mal nicht alarmiert vor ihm fliehen würden.

Hätten Sie Dick Cheney erkannt? Rechts seine Maske auf dem Gesicht eines Demontranten. (Foto: Foto: AP)

Aber auf welche Merkmale achten die Vögel: auf Gesichter, auf die Kleidung oder vielleicht den Gang? Um diese Frage zu klären, erforschten der amerikanische Ökologe John Marzluff und seine Kollegen fast drei Jahre lang die Reaktionen von Krähen auf Menschen. Dazu zogen sie zunächst eine markante Gummimaske über - sie zeigte das Gesicht eines Höhlenmenschen - und fingen Krähen in Netzen. Sie markierten die erschrockenen Tiere mit einem Ring und ließen sie wieder frei. Krähen, die Zeugen dieses Geschehens wurden, brachen in ein lautes Gezeter aus, das die Vögel als Alarmsignal benutzen.

In den folgenden drei Jahren streiften Gehilfen der Forscher durch den Lebensraum der Krähen, mal unmaskiert, mal mit der Höhlenmensch-Maske oder einer weiteren Verkleidung, mit der die Krähen noch keine schlechte Erfahrung gemacht hatten: Diese zeigte das Gesicht von Dick Cheney, dem Vizepräsidenten der USA in der Regierung von George W. Bush.

Die so verkleideten Versuchsteilnehmer notierten, mit welchen Vogelgeräuschen sie empfangen wurden. Dabei fiel auf, dass die Krähen ihre Besucher ignorierten, wenn sie unmaskiert auftraten oder die Dick-Cheney-Maske trugen. Tauchten dieselben Menschen mit der Höhlenmensch-Maskerade auf, keiften die Tiere und warnten ihre Artgenossen.

Um sicherzugehen, dass nicht ausgerechnet die Steinzeitmaske mit ihren struppigen Brauen und tiefen Augenhöhlen einen heftigen Reiz darstellte, wiederholten die Forscher den Versuch mit sechs weiteren Masken, die unauffälligere Physiognomien zeigten. Auch diese konnten die Krähen sogar nach fast drei Jahren mühelos wiedererkennen. Um diese Leistung zu würdigen, muss man sich vor Augen führen, dass die meisten Menschen wohl kaum zwischen den Gesichtern einzelner Krähen unterscheiden können.

Krähen sind gerissene Tiere. Sie können aus Zweigen und Draht Werkzeuge bauen, um an Futter zu kommen, und verstehen sogar den Verkehr in Tokio: Dort wurden sie beobachtet, wie sie Nüsse vor roten Ampeln auf der Straße platzierten. Geduldig warteten sie, bis die Autoreifen die Schalen geknackt hatten. Als die Tokioter Feuerwehr Krähennester in der Stadt entfernte, um die Vögel zu dezimieren, bedienten die sich an Wäscheleinen und bauten neue Nester aus Kleiderbügeln. Diese verkeilten sich so sehr in den Baumkronen, dass sie kaum mehr zu entfernen waren.

© SZ vom 27.01.2010/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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