Klimawandel:Wie Wälder durch den Klima-Flaschenhals kommen

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Bunte Ahorn-Blätter sind im Herbst ein vertrautes Bild in Süddeutschland, zumindest bislang. Mit dem Klimawandel wird sich das laut Forschern ändern. (Foto: Patrick Pleul/picture alliance / dpa)

Für heimische Baumarten wie Spitz-Ahorn und Fichte ist es bald zu warm, für Neulinge wie die Esskastanie noch zu kalt – das macht den Spielraum für den Waldumbau eng, warnen Forscher. Lösungsansätze gibt es – aber die sind umstritten.

Von Christoph von Eichhorn

Wie stark Hitze und Trockenheit die heimischen Wälder gefährden, haben die vergangenen Jahre überdeutlich gezeigt. Die lang anhaltende Dürre von 2018 bis 2021 ließ auf einer Fläche von 5000 Quadratkilometern Bäume absterben, schätzt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das entspricht der doppelten Fläche des Saarlands. Waldexperten sind sich daher einig, dass der Wald umgebaut werden muss, um mit dem Klimawandel zurechtzukommen.

Der Spielraum dafür könnte jedoch kleiner sein als bislang vermutet, warnen nun Forscher im Fachmagazin Nature Ecology & Evolution. Wissenschaftler um Johannes Wessely von der Universität Wien und Rupert Seidl von der TU München haben dafür die künftigen Verbreitungsgebiete von 69 in Europa heimischen Baumarten untersucht. Demnach schränkt der Klimawandel die Anzahl geeigneter Baumarten für das 21. Jahrhundert um mindestens ein Drittel im Vergleich zu heute ein – selbst für den Fall, dass die Klimaziele weitgehend eingehalten werden. Bei schwachem Klimaschutz könnte sich die Anzahl geeigneter Baumarten pro Quadratkilometer sogar um die Hälfte reduzieren.

Die Erderwärmung sei vergleichbar mit einem Flaschenhals, schreiben die Autorinnen und Autoren: Einige Baumarten, die unter heutigen Bedingungen noch klarkommen, fallen bis Ende des Jahrhunderts aus – in Süddeutschland unter anderem der Spitz-Ahorn. Mit fortschreitender Erwärmung wird es dafür möglich, andere Baumarten anzupflanzen, etwa die Esskastanie. Für diese an höhere Temperaturen gewöhnten Pflanzen ist es jedoch heute mitunter im Winter noch zu kalt. Um den Wald möglichst schnell fit für den Klimawandel zu machen, sind also Bäume nötig, die sowohl heute als auch in Zukunft gedeihen können, was die Auswahl einengt.

Schädlinge wie der Borkenkäfer oder neu eingeschleppte Arten wurden noch gar nicht berücksichtigt

Daher haben die Forscher die Arten ermittelt, die im gesamten 21. Jahrhundert gute Bedingungen vorfinden. In Nordeuropa kommen dafür in einem mittleren Klimaszenario nur vier Baumarten infrage, etwa die Fichte. Dieser für die Forstwirtschaft wichtige Baum würde aber aus vielen anderen Gebieten verschwinden, beispielsweise aus großen Teilen des Voralpenlands. Insgesamt dürften geeignete Flächen für Nadelwälder schrumpfen, während sich Flächen für Laubwälder ausdehnen. Einigermaßen robust scheint etwa die Eiche zu sein. In den Alpen und Mittelgebirgen könnten die etwas niedrigeren Temperaturen die Auswirkungen der Erderwärmung etwas abfedern.

Jedoch werde die zukünftige Eignung der Baumarten in der Studie nur durch die klimatischen Bedingungen ermittelt, gibt Henrik Hartmann vom Julius Kühn-Institut für Kulturpflanzen zu bedenken. Dabei hätten die vergangenen Jahre gezeigt, dass klimatischer Stress auch Schädlinge und Krankheiten begünstigen könne. „Der Borkenkäfer ist vielleicht das offensichtlichste Beispiel, aber Rußrinden-Krankheit beim Ahorn, Eichenprachtkäfer bei der Eiche oder Komplex-Krankheiten bei der Buche belegen dies ebenso“, sagt Hartmann, der an der Studie nicht beteiligt war. Zudem begünstige die Erderwärmung die Einschleppung neuer Arten wie des Eschentriebsterbens oder der Eichennetzwanze, „mit oft verheerenden Konsequenzen für bestehende Waldgemeinschaften“. Die Ergebnisse der Forscher stuft Hartmann daher „als eher konservativ“ ein.

„Mehr Arten im Bestand erhöhen die Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel“, sagt Christoph Leuschner von der Abteilung Pflanzenökologie und Ökosystemforschung an der Universität Göttingen. Förster würden unter Mischwäldern aber meist Zwei-Art-Mischungen verstehen, etwa Douglasien als Nadelgehölz gemischt mit Buchen. „Artenreiche Mischwälder, wie sie zum Beispiel von Natur aus in Mitteldeutschland – mit fünf bis acht Arten – vorkommen oder eher vorkamen, sind fast nirgends geplant“, kritisiert Leuschner. Er fordert, auch heute wirtschaftlich wenig attraktive Arten wie die Hainbuche oder die Winterlinde einzubeziehen. Diese stresstoleranten Laubbaumarten fehlten heute, so Leuschner, „weil unsere Holzindustrie komplett auf Nadelholz eingestellt ist. Hier müsste eine wahre Waldwende ansetzen und die stoffliche Holznutzung auf Laubholz umstellen.“

Eine Durchmischung der Wälder sei zwar geboten, zugleich dürfe man sich nicht allein darauf verlassen, warnen die Wiener und Münchner Forscher. Um die europäischen Wälder zu erhalten, sei es unerlässlich, auch die Treibhausgas-Emissionen zu senken.

Nicht berücksichtigt ist in der Studie die Möglichkeit, Baumarten zu importieren, die bislang nicht in Europa vorkommen. Diese könnten womöglich helfen, die gefährdeten einheimischen Bäume zu ersetzen. Doch nicht alle Experten sind von dieser Option angetan. „Überall in Deutschland werden derzeitig schon Bäume aus aller Welt wegen ihrer vermeintlichen günstigen klimatischen Eignung gepflanzt, während gleichzeitig Böden, Mikro- und Lokalklima sowie der Landschaftswasserhaushalt beschädigt werden“, sagt Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Solche Managementfehler könnten kurzfristig nicht nur zu ökologischen, sondern auch zu ökonomischen Risiken führen.

Mit Material vom Science Media Center

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