Luftfahrt:Klimawandel verstärkt Turbulenzen auf Flügen

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Vor allem über den Ozeanen kommt es häufiger zu Turbulenzen in der Luft. Für Piloten sind sie nicht frühzeitig zu erkennen. (Foto: Robert Michael/dpa)

Die Erderwärmung macht Flugreisen holpriger. Doch der Effekt ist nicht überall gleich stark.

Von Christoph von Eichhorn

Die Anschnallzeichen sind erloschen, das Flugzeug hat seine Reisehöhe erreicht. Vor dem Fenster blauer Himmel, kein Sturm in Sicht. Doch dann sackt das Flugzeug erst nach links weg, dann nach rechts. Passagiere, die eben aufgestanden waren, stolpern, suchen Halt an Armlehnen, Gepäckfächern und Sitzen. Holprig geht der Flug weiter. Die Anschnallzeichen leuchten wieder auf, sicher ist sicher.

Wer so etwas erlebt, ist während einer Flugreise in eine Turbulenz in klarer Luft geraten, hervorgerufen von schnellen Windbewegungen - für Piloten unmöglich vorher zu entdecken. Wie Meteorologen nun im Fachmagazin Geophysical Research Letters berichten, treten solche Turbulenzen mittlerweile deutlich häufiger auf als noch vor einigen Jahrzehnten. Als wahrscheinlichste Ursache für die verstärkte Unruhe in den Luftschichten vermutet das Team um Mark Prosser von der Universität Reading in Großbritannien den Klimawandel.

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Die Forscher hatten sich globale Messwerte zu Windgeschwindigkeiten und Temperaturen seit dem Jahr 1979 angesehen. Auf dieser Datenbasis schätzt das Team, dass mittelschwere Turbulenzen über dem Nordatlantik seither um 37 Prozent zugenommen haben, schwere Turbulenzen sogar um 55 Prozent häufiger vorkommen als noch vor einigen Jahrzehnten. An einem durchschnittlichen Punkt 12 000 Meter über dem Nordatlantik, der typischen Reisehöhe von Langstreckenflügen, herrschten demnach 1979 insgesamt für 467 Stunden im Jahr turbulente Bedingungen, im Jahr 2020 waren es hingegen 547 Stunden. Somit nehme auch das Risiko zu, auf Reisen zwischen Europa und Nordamerika so eine Turbulenz zu durchfliegen, argumentiert die Gruppe in ihrem Fachaufsatz.

Über dem Ozean ist das Risiko für Turbulenzen besonders groß

Bereits einige andere Studien waren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erderwärmung Turbulenzen in der Atmosphäre verstärkt. So warnte eine Arbeit von 2017, dass atmosphärische Turbulenzen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts dreimal so oft herrschen könnten wie in vorindustrieller Zeit. Vermutlich führt der Klimawandel dazu, dass im Bereich des Jetstreams, einem Band aus Höhenwinden, das sich um den Planeten zieht, vermehrt Windscherung auftritt. Diese schnellen horizontalen oder vertikalen Windböen erzeugen dann die gefürchteten Turbulenzen. Viele Flugrouten führen entlang des Jetstreams, um Reisezeit zu sparen.

Alleine in den USA verursachen Turbulenzen jedes Jahr Schäden zwischen 150 und 500 Millionen US-Dollar, etwa durch Materialermüdung an Flugzeugen, mehr Wartungsaufwand oder Arbeitsausfälle nach turbulenten Flügen. Außer in klarer Luft können Turbulenzen auch in der Nähe von Unwettern auftreten, oder oberhalb von Bergketten. Diese Arten von Turbulenzen können jedoch im Vorfeld einigermaßen abgeschätzt werden, Pilotinnen und Piloten können die Reiserouten ihrer Maschinen entsprechend anpassen. Klarluft-Turbulenzen erkennen Piloten aber in der Regel erst, wenn sie mit dem Flugzeug mittendrin sind.

In manchen Regionen ist das Risiko für Klarluft-Turbulenzen deutlich ausgeprägter als in anderen. So haben Turbulenzen außer über dem Nordatlantik auch über den USA deutlich zugenommen sowie an der Nordostküste Brasiliens. Über Nordafrika, dem Mittelmeer und Europa beobachteten die Forscher um Mark Prosser ebenfalls eine Zunahme, während das Risiko über Südostasien eher gesunken ist. Über Ozeanen sei der Effekt besonders ausgeprägt, schreiben die Wissenschaftler, da der Jetstream hier am schnellsten wehe, und weil Temperaturunterschiede zwischen Land und Wasser zur Windscherung beitragen.

In den vergangenen zehn Jahren hätten sich die Anzeichen dafür verdichtet, dass der Klimawandel Turbulenzen in klarer Luft in Zukunft verstärken werde, erklärt der an der Studie beteiligte Atmosphärenwissenschaftler Paul Williams in einer Mitteilung der Universität Reading. "Jetzt haben wir Belege dafür, dass dieser Anstieg bereits begonnen hat."

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