Am 9. Oktober 2022 registrierten die Detektoren mehrerer Weltraumteleskope einen gewaltigen Schauer hochenergetischer Gammastrahlung aus dem fernen Kosmos - es war der hellste je beobachtete Gammablitz. Jetzt konnte ein internationales Forschungsteam mithilfe des Weltraumteleskops James Webb die Ursache des ungewöhnlichen Ereignisses entlarven. Vor 1,9 Milliarden Jahren war in einer weit entfernten Galaxie ein großer, schnell rotierender Stern als Supernova explodiert, wie die Wissenschaftler im Fachblatt Nature Astronomy berichten.
Aufgrund der enormen Helligkeit von GRB 221009A - so die offizielle Bezeichnung - vermuteten die Astronomen zunächst, es handele sich um eine Explosion innerhalb unserer Milchstraße. Doch weitere Messungen zeigten, dass die Gammastrahlung aus einer weit entfernten Galaxie stammt. Rasch kam die Vermutung auf, der Gammablitz sei durch eine Supernova ausgelöst worden. Doch die Suche nach Trümmern aus einer solchen Sternexplosion verliefen selbst mit den größten Teleskopen zunächst ergebnislos.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.
Das sei kein Wunder, erläutert Peter Blanchard von der Northwestern University in den USA: "Der Gammablitz war so hell, dass sein Nachglühen alle Spuren einer Supernova in den Wochen und Monaten nach dem Ausbruch hoffnungslos überstrahlt hat. Wir mussten also abwarten, bis dieses Nachleuchten sich ausreichend abgeschwächt hatte, um eine Chance zu bekommen." Blanchard und sein Team haben deshalb ein halbes Jahr nach dem Aufleuchten des Gammablitzes erneut das James-Webb-Teleskop auf die ferne Galaxie gerichtet. Und dieses Mal wurden die Forscher fündig: Sie stießen auf die Strahlung von Kalzium- und Sauerstoff-Atomen - für die Astronomen ein eindeutiges Indiz für die Explosion eines großen Sterns. Doch im Gegensatz zu den Erwartungen handelte es sich um eine ganz normale Sternexplosion. "Bei einem derart hellen Gammablitz würde man auch eine ungewöhnlich energiereiche Supernova erwarten", sagt Blanchard. "Doch das ist nicht der Fall: Sie war nicht heller als andere Sternexplosionen."
Der Strahl muss stark gebündelt und direkt auf die Erde gerichtet gewesen sein
Die Stärke eines Gammablitzes ist also, so folgern die Forscher, nicht an die Heftigkeit der Sternexplosion gekoppelt. Die Gammastrahlung entsteht, so die Vermutung, in einem durch Magnetfelder eng gebündelten Materiestrahl, der bei der Explosion ins All hinausschießt. Dieser Strahl müsse bei GRB 221009A besonders stark gebündelt und exakt auf die Erde ausgerichtet gewesen sein, um die Helligkeit zu erklären. Eine extrem seltene Kombination, so Blanchard: "So ein Ereignis können wir auf der Erde nur alle 10 000 Jahre sehen. Es ist also ein großes Glück, dass wir gerade jetzt die Technologie besitzen, um solche Ausbrüche zu registrieren."
Die Beobachtungen des Teams lieferten noch eine weitere Überraschung: In den Überresten des explodierten Sterns fanden sich keine Spuren von chemischen Elementen, die schwerer als Eisen sind. Bei der Entstehung des Universums, dem Urknall, sind zunächst ausschließlich Wasserstoff und Helium sowie ein wenig Lithium entstanden. Schwerere Elemente konnten sich erst durch Kernfusion im Inneren von Sternen bilden - allerdings nur bis zum Element Eisen.
Als Quelle der schwersten stabilen Elemente im Periodensystem sehen Astrophysiker bislang einerseits den Zusammenstoß von Neutronensternen und andererseits die Explosion großer Sterne wie im Fall von GRB 221009A. Der Nachweis der Supernova bot Blanchard und seinen Kollegen also auch die einmalige Gelegenheit, diese Hypothese zu überprüfen. "Doch wir haben keinerlei Hinweis auf solche schweren Elemente gefunden", berichtet Blanchard. Extreme Ereignisse wie GRB 221009A scheinen also als Quelle für die schwersten Elemente im Kosmos auszuscheiden. Die Frage nach dem Ursprung dieser Elemente bleibe daher weiterhin offen, so die Wissenschaftler.