Insektensterben:Alles nicht so schlimm?

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Bestäubende Insekten wie Wildbienen, die für das Funktionieren vieler Ökosysteme eine zentrale Rolle spielen, wurden in der Studie kaum berücksichtigt. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Anders als in Europa seien die Insektenpopulationen in den USA "robust", schreiben amerikanische Forscher in einem renommierten Wissenschaftsjournal. Von deutschen Experten hagelt es Kritik.

Von Tina Baier

Die meisten Daten zum Insektensterben stammen aus Europa. Das liegt vor allem daran, dass es in den meisten Regionen der Erde keine Langzeitbeobachtungen gibt. Die sind aber erforderlich, um einen Trend erkennen zu können, weil Insektenpopulationen ähnlich wie das Wetter starken jährlichen Schwankungen unterliegen.

Dennoch gibt es viele Hinweise, dass der Schwund der Insekten ein globales Problem ist. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) etwa kam nach Auswertung zahlreicher Studien vor gut einem Jahr zu dem Schluss, dass mindestens zehn Prozent aller Insektenarten in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht sein werden.

Dem scheint nun eine aktuelle Studie im Wissenschaftsjournal Nature Ecology&Evolution zu widersprechen, in der untersucht wurde, ob es in den USA ein Insektensterben gibt. "Die offensichtliche Robustheit der US-Arthropoden-Populationen ist beruhigend", schreibt das Team um Michael Crossley von der University of Georgia. Unter den Autoren sind auch zwei Vertreter des US-Landwirtschaftsministeriums.

"Anhand der Daten lassen sich solche starken Aussagen nicht treffen", sagt dagegen die Landschaftsökologin Alexandra-Maria Klein von der Universität Freiburg. "Ich finde die Kernaussage ,Kein Rückgang von Insekten in den USA' beunruhigend." Ähnlich kritisch äußert sich Christoph Scherber, der sich an der Universität Münster unter anderem mit Tierökologie beschäftigt: "Die Studie ist meiner Ansicht nach kein gutes Beispiel wissenschaftlicher Praxis."

Für ihre Untersuchung haben die Autoren Daten ausgewertet, die regelmäßig über viele Jahre und sogar Jahrzehnte hinweg auf sogenannten LTER-Flächen (Long Term Ecological Research Sites) gesammelt wurden. Diese Gebiete umfassen verschiedene Arten von Ökosystemen wie Tundra, Wälder, Gewässer, Agrarlandschaft, Städte und sogar eine Wüste. An manchen dieser Orte beobachteten die Wissenschaftler einen Schwund - und zwar sowohl bei der Zahl der Tiere als auch bei der Artenvielfalt. Andernorts verzeichneten sie dagegen Zuwächse oder keine Veränderungen. Alles zusammengenommen "sind die Netto-Trends nicht von null zu unterscheiden", schreiben die Autoren.

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Einige der untersuchten Tiere waren nicht einmal Insekten, sondern Krebse

Der Datensatz ist gewaltig, doch das Problem der Untersuchung ist, dass auf jeder dieser Flächen andere Arten ausgewertet wurden. Einige der beobachteten Tiere, wie zum Beispiel Krebse an der Küste von Georgia, gehören nicht einmal zur Klasse der Insekten, sondern lediglich zum übergeordneten Stamm der Arthropoden, zu Deutsch Gliederfüßer.

"Die Autoren haben einige sehr unterschiedliche Datensätze kombiniert, wobei bestimmte Datenreihen den Gesamtdatensatz stark dominieren", sagt der Naturschutzbiologe Axel Hochkirch von der Universität Trier, der sich beim Weltnaturschutzverband IUCN für den Schutz wirbelloser Tiere engagiert. "Mehr als die Hälfte der Datensätze machen zum Beispiel das Blattlaus-Monitoring im Mittleren Westen, das Moskito-Monitoring in Baltimore im Bundesstaat Maryland und urbane Insekten in Phoenix im Bundesstaat Arizona aus." Bestäubende Insekten wie Wildbienen, die für das Funktionieren vieler Ökosysteme eine zentrale Rolle spielen und die in den meisten deutschen Studien zumindest mit untersucht wurden, kommen dagegen kaum vor.

Dass nicht alle Arten von Insekten zurückgehen, sondern dass es auch Gewinner der vom Menschen verursachten Klima- und Umweltveränderungen gibt, ist in Europa zu beobachten. Manchmal ist das tatsächlich ein positives Zeichen. Oft aber auch nicht. Erfasst man beispielsweise die Menge der Nachtfalter in einer Region, in der Schädlinge wie Prozessionsspinner oder Buchsbaumzünsler massiv auftreten, wäre eine Zunahme nicht gerade "beruhigend". Beim Thema Insektensterben sei eine differenzierte Betrachtung extrem wichtig, sagt Josef Settele, Tierökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. Christoph Scherber wird deutlicher: "Es wäre Augenwischerei, von ein paar Moskitos und Krabbengängen darauf zu schließen, dass die globale Diversität nicht gefährdet wäre."

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