Immunsystem:Warum bleibt ein Tattoo auf der Haut?

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Eine Tätowierung erneuert sich stetig selbst - dank hungriger Immunzellen. Bei diesem prachtvollen Werk ist das keine kleine Aufgabe für den Körper. (Foto: Aly Song/Reuters)
  • Die Haut erneuert sich alle vier Wochen, doch Tätowierungen bleiben.
  • Wie französische Forscher nun zeigen, sind kannibalisierende Immunzellen für die Dauerbemalung verantwortlich.
  • Um das zu zeigen, tätowierten die Wissenschaftler ein paar Mäusen grüne Streifen auf die Schwänze.

Von Kathrin Zinkant

Es gibt Jugendsünden, die einen ein Leben lang begleiten - und das bei jedem Blick in den Spiegel. Von der kleinen Rose im Dekolleté bis hin zum oft verspotteten Arschgeweih schleppt mutmaßlich jeder zehnte Deutsche eine Tätowierung mit sich herum. Doch anders als die Erinnerung an alte Zeiten verblasst die Bemalung mit dem Alter nicht. Und das, obwohl die Haut sich doch alle vier Wochen komplett erneuert. Wie ist das überhaupt möglich?

Tatsächlich wussten bislang nicht einmal Wissenschaftler schlüssig zu erklären, warum Tätowierungen über viele Jahrzehnte fast völlig intakt bleiben. Erst jetzt stellen Immunologen von der Aix Université Marseille und dem Pariser Institut Curie einen Mechanismus vor, der die Haltbarkeit von Tattoos plausibel macht. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Journal of Experimental Medicine schreiben, sind kannibalisierende Immunzellen für die Dauerbemalung verantwortlich.

Der Job dieser Zellen besteht vornehmlich darin, Müll zu verschlingen

Diese sogenannten Makrophagen, zu deutsch Fresszellen genannt, stehen an der vordersten Front des menschlichen Immunsystems. Gerade deshalb findet man sie sehr zahlreich auch in den tiefer liegenden Schichten der Haut. Der Job dieser Zellen besteht vornehmlich darin, jenen Müll zu verschlingen, der in der Schlacht des Körpers gegen Eindringlinge und während der steten Erneuerung der schützenden Hülle so anfällt: tote Zellen, Bakterien, kleinste Fremdkörper. Manchmal fressen die Fresszellen aber auch einfach nur Farbe. Zum Beispiel dann, wenn Farbpigmente direkt in die mittlere Hautschicht, die Dermis, gespritzt werden - wie es bei Tätowierungen der Fall ist.

Der Trick ist damit allerdings noch nicht komplett, denn so gesehen wären gewiss auch andere Hautzellen in der Lage, Farbe aufzunehmen und zu speichern - zumindest so lange, wie sie lebendig bleiben. Und das ist nun mal eher kurz. Auch Makrophagen, die Farbe gefuttert haben, leben nicht ewig, doch kommt bei diesen Zellen der Kannibalismus ins Spiel: Stirbt eine mit Farbpigmenten beladene Fresszelle, wird sie samt ihrer bunten Fracht von neuen, eingewanderten Makrophagen verspeist. Und das zumeist an Ort und Stelle. Belegen konnte das französische Immunologenteam diesen Effekt anhand eines Mäuseversuchs: Die Nager bekamen grüne Streifen auf die Schwänze tätowiert. Dann töteten die Forscher alle Makrophagen im gefärbten Bereich der Haut. Zwar wurde die Tätowierung zunächst etwas schwächer, aber mit der Einwanderung der neuen Makrophagen stabilisierte sich das Tattoo - die Farbe blieb erhalten.

Ob diese Erkenntnis nun praktische Bedeutung für all jene hat, die ihre bildgewordene Jugendsünde lieber loswerden möchten, ist allerdings eine andere Frage. Zwar behaupten die Forscher, eine gezielte medikamentöse Attacke auf die Fresszellen und ihre hungrigen Nachfolger könne den Abbau der Farbe vorantreiben. Aber ob das weniger aufwendig und tatsächlich effektiver wäre als die zeitintensive Behandlung mit einem Laser, müsste in Untersuchungen erst noch geprüft und bewiesen werden.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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