Abstimmung über Glyphosat-Verbot:"Einfache Tricks werden kaum genügen"

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Ein Landwirt bringt das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat aus. (Foto: FrankHoermann/SVEN SIMON; via www.imago-images.de/imago images / Sven Simon)

Aus ökologischer und gesundheitlicher Sicht wäre ein Glyphosat-Verbot erstrebenswert. Doch die Frage ist, wie Landwirte reagieren würden.

Von Hanno Charisius

Bereits am Ende dieser Woche könnte eine Entscheidung über die Zukunft des Pflanzenvernichtungsmittels Glyphosat fallen: Ein Entwurf für eine Verordnung der EU-Kommission sieht vor, dessen Zulassung zu verlängern. Landwirte in der EU dürften dann weitere zehn Jahre Unkrautvernichtungsmittel nutzen, die diesen Wirkstoff enthalten. Da hielt es am Mittwoch der Glyphosat-Hersteller Bayer für geboten, dem Bundeslandwirtschaftsministerium eine Petition mit - laut Bayer - mehr als 17 000 Unterschriften gegen ein Verbot zu überbringen. "Setzen Sie sich dafür ein, dass sich die deutsche Bundesregierung für eine Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat einsetzt", heißt es darin, gerichtet an die Mitglieder des Bundestags. Dabei sind Petitionen sonst eher Werkzeuge der Glyphosat-Gegner.

Mehr als 800 000 Tonnen des Mittels werden jährlich verbraucht; auf die EU entfallen laut der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft rund vier Prozent davon, etwa 35 000 Tonnen. Gut 4000 Tonnen werden in Deutschland versprüht. Die Chemikalie soll unerwünschtes Grünzeug zum Absterben bringen, damit es nicht mit den ausgesäten Ackerfrüchten um Nährstoffe, Wasser oder Sonnenlicht konkurriert. Bei massenhafter Verwendung bleiben ökologische Folgeschäden jedoch nicht aus. Insekten und andere Tiere, die auf die abgetöteten Pflanzen angewiesen sind, bekommen Schwierigkeiten, sich zu vermehren. "Der Vorschlag der EU-Kommission offenbart ein systematisches Leugnen des dramatischen Rückgangs der Biodiversität und der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Glyphosat dazu beiträgt", sagt Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur in Wien.

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Die öffentliche Debatte konzentriert sich dagegen auf mögliche Gesundheitsgefahren. Dazu hat auch die Einstufung von Glyphosat als "wahrscheinlich krebserzeugend" im Jahr 2015 durch die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation beigetragen. Andere Forschungsverbünde und WHO-Einrichtungen konnten dies jedoch nicht bestätigen, jedenfalls nicht bei zulassungsgemäßem Gebrauch des Mittels. Zuletzt hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa Ende Juli eine Untersuchung veröffentlicht, in der sie keine "inakzeptablen Gefahren" beschrieben hatte, jedoch auf offene Fragen hinwies - vor allem hinsichtlich der Folgen für die Umwelt.

Ökologische und gesundheitliche Aspekte sprächen demnach eher für ein Verbot. Es ist nur die Frage, wie Landwirte reagieren würden. Ein spontaner Komplettumstieg auf Ökolandbau erscheint den meisten Fachleuten als äußerst unwahrscheinlich, es sei denn, ein Glyphosat-Verbot würde von entsprechenden Vorgaben flankiert. Auch er meine, dass der Einsatz von Glyphosat reduziert werden müsse, sagt etwa Christoph Schäfers vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie in Schmallenberg. "Ein Verbot hat aber Folgen auf die Anbaupraxis, die mit bedacht werden müssen." Unkrautmittelfreie Anbaumethoden seien arbeitsintensiver und ihre Automatisation nicht in der Breite einsatzbereit - "in zehn Jahren sieht das anders aus". Am Ende müssten die Kunden geringere Erträge und höhere Kosten bezahlen. Andere Herbizide stellen aus Schäfers Sicht keine geeignete Alternative dar, "ihr Risikoprofil sieht durchweg schlechter aus". Er hat den Eindruck, dass mit Glyphosat ein "Sündenbock" aus dem Weg geräumt und Ruhe geschaffen werden soll, sodass "die tieferliegenden Probleme der Landwirtschaft nicht mehr zur Debatte stehen".

Ein Verbot könnte auch Nachteile bringen

"Ja, Glyphosat ist nicht das gefährlichste Herbizid im Giftschrank des Landwirts", sagt auch Johann Zaller aus Wien. Die Erfahrung zeige, dass auch Ersatzwirkstoffe oft wegen negativer Folgen für Gesundheit oder Umwelt vom Markt genommen werden müssen. "Zu den meisten Wirkstoffen wissen wir schlichtweg nicht so viel wie zu Glyphosat, weil sie weniger gut untersucht sind."

Im Falle eines Verbotes würden viele Böden intensiver bearbeitet werden müssen, sagt Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung an der Universität Göttingen. "Das hätte durchaus auch nachteilige Folgen, zum Beispiel zunehmende Bodenerosion." Die intensive Bodenbearbeitung würde auch die Pflanzen entfernen. "Für die biologische Vielfalt wären in beiden Fällen die Auswirkungen nicht wesentlich verschieden." Auch mit der Anwendung anderer Herbizide sei nicht viel gewonnen, "weil solche Ausweichprodukte nicht unbedingt weniger Nebenwirkungen haben als Glyphosat".

Nötig sei vielmehr ein grundlegender Umbau der Landwirtschaft. "Einfache Tricks werden wohl kaum genügen", sagt Steinmann. Allerdings würde es auch bei einem Verbot eine Übergangszeit bis zum endgültigen Aus von Glyphosat geben. "In dieser Zeit muss von staatlicher Seite eine Priorisierung noch zugelassener Mittel hinsichtlich deren Umweltverträglichkeit erfolgen", argumentieren Rita Triebskorn vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen und ihr Kollege Heinz Köhler in einer Stellungnahme. "Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass man den Pestizideinsatz bis 2030 um 50 Prozent reduzieren will. Die Landwirte müssten dann dazu beraten werden, welches Mittel sie für ihre spezifischen Bedürfnisse einsetzen sollten und inwiefern pestizidfreie Alternativen bestehen." Dies entspreche dem Konzept der integrierten Landwirtschaft.

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