Kassel/Bonn (dpa) – Mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch: Wer sich gesund und zugleich umweltschonend ernähren möchte, sollte laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vor allem auf pflanzliche Lebensmittel setzen.
„Wir empfehlen, bunt und gesund zu essen und dabei die Umwelt zu schonen. Dazu empfehlen wir eine pflanzenbetonte Ernährung“, sagte Anne Carolin Schäfer, Ernährungswissenschaftlerin im DGE-Referat Wissenschaft.
Gesunde Ernährung und Umwelt müssten zusammen gedacht werden, betonte DGE-Präsident Bernhard Watzl. Die neuen Richtlinien der unabhängigen wissenschaftlichen Fachgesellschaft mit Sitz in Bonn berücksichtigten daher neben der Empfehlung zu einer gesunden Ernährung gleichzeitig auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Umweltbelastung sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten.
Drei Viertel pflanzlich, ein Viertel tierisch
Eine gesundheitsfördernde und ökologisch nachhaltigere Ernährung besteht den Empfehlungen zufolge zu mehr als drei Vierteln aus pflanzlichen Lebensmitteln und zu knapp einem Viertel aus tierischen Lebensmitteln. Der Anteil tierischer Lebensmittel fällt damit geringer aus als bisher. Die überarbeiteten Richtlinien berücksichtigen beispielsweise täglich zwei Portionen Milch und Milchprodukte, eine Portion weniger als bei den vorherigen Empfehlungen. Zudem ist es laut DGE ausreichend, wöchentlich maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst sowie ein Ei, etwa zum Frühstück, zu essen. Beim Fisch bleibt es bei ein bis zwei Portionen wöchentlich.
Hülsenfrüchte bekommen eigene Empfehlung
Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Linsen sowie Nüsse werden mit einer eigenen Empfehlung stärker hervorgehoben. Obst und Gemüse stellen auch weiterhin die mengenmäßig wichtigste Gruppe dar. Die Empfehlung, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen, bleibt, allerdings entfallen die ergänzenden einzelnen Portionsangaben von drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst.
Die neuen Richtlinien basieren laut DGE auf einem neu entwickelten mathematischen Optimierungsmodell, das die Gesellschaft mit Unterstützung von Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen entwickelt hat. Sie gelten für gesunde Erwachsene in Deutschland im Alter von 18 bis 65 Jahren, die sowohl pflanzliche als auch tierische Lebensmittel essen. Die Empfehlungen richten sich laut DGE immer an die gesunde Allgemeinbevölkerung, also Personen ohne besondere Bedürfnisse oder Ansprüche an die Ernährung.
WWF und Greenpeace sehen Politik am Zug
Die neuen Richtlinien seien „ein wichtiger Schritt hin zu einer bundesdeutschen Ernährung innerhalb der Grenzen unseres Planeten“, sagte Elisa Kollenda von der Umweltorganisation WWF Deutschland laut Mitteilung. Die mit unseren Essgewohnheiten einhergehenden Umweltauswirkungen auf die Erde seien massiv. „Insbesondere unser zu hoher Verzehr von tierischen Lebensmitteln befeuert die Klima- und Biodiversitätskrise“. Die DGE-Empfehlungen preisten das nun erstmals ein und gäben damit wichtige Impulse an die Verbraucherinnen und Verbraucher. „Bei Fleisch bewegt sich die DGE auf einem Pfad gen planetare Grenzen. Bei Milchprodukten gilt dies nur eingeschränkt. Bei den Hülsenfrüchten besteht noch deutlich Luft nach oben, was die empfohlenen Verzehrmengen angeht“, bilanzierte Kollenda.Wichtig sei, wie die neuen DGE-Empfehlungen im nächsten Schritt weiter heruntergebrochen werden. „Zum Beispiel steht jetzt die Überarbeitung des Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung an. Damit Veränderungen im Qualitätsstandard dann flächendeckend in Kantinen von Kitas, Schulen oder Seniorenheimen umgesetzt werden, braucht es Verbindlichkeit und finanzielle Rahmenbedingungen. Hier müssen Bund und Länder nun nachlegen.“Die Umweltorganisation Greenpeace sieht nicht nur die Konsumenten und Konsumentinnen gefordert, sondern allen voran den Lebensmitteleinzelhandel sowie die Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. „Sie müssen ihr Angebot nach den neuen Empfehlungen ausrichten. Das bedeutet: Billigfleisch und Industriemilch raus aus dem Sortiment und Produkte, die gesund sind für Mensch und Planet, für alle bezahlbar machen“, erklärte sie in einer Mitteilung. Auch die Politik müsse ihren Teil beitragen und Werbung für ungesunde und umweltschädliche Produkte endlich verbieten. Mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte bei einer gleichzeitigen Senkung der Steuer auf Obst und Gemüse könne sie eine gesunde Ernährung aller Menschen weiter vorantreiben.
Bundesregierung will mehr pflanzliche Produkte in Kantinen und Mensen
In der Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die das Kabinett im Januar beschlossen hat, spielen die Empfehlungen bereits eine Rolle. Ein wichtiger Hebel für gesündere Ernährung sollen demnach Kantinen und Mensen in Firmen und anderen Einrichtungen spielen, in denen täglich Millionen Menschen essen. Dort sollen mehr pflanzliche, saisonale und möglichst regionale und ökologisch erzeugte Produkte auf die Speisepläne kommen und auch „so angeboten werden, dass junge Menschen sie gerne zu sich nehmen“, wie es in der Strategie heißt. Die Qualitätsstandards und praktischen Tipps der DGE sollen in Schulen und Kitas bis 2030 verbindlich etabliert werden.
Die Grünen-Fachpolitikerin Renate Künast begrüßte die Empfehlungen, in denen der Verzehr überwiegend pflanzlicher Lebensmittel besonders hervorgehoben werde. „Gesunde Ernährung ist kein kompliziertes Hexenwerk“, sagte die Bundestagsabgeordnete. „Wir alle können durch unsere Essgewohnheiten mit einfachen Mitteln dazu beitragen, dass wir unsere Gesundheit und gleichzeitig die Umwelt schonen.“ Sie freue sich, dass die Empfehlungen als Grundlage in die Gemeinschaftsverpflegung einfließen würden.
Lebensmittelverband begrüßt Transparenz
Der Lebensmittelverband Deutschland begrüßt die Transparenz der DGE-Empfehlungen. Verbraucherinnen und Verbraucher könnten so eigenständig entscheiden, inwieweit sie ihnen folgen können, sagte Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff laut Mitteilung. „Ungefähr ein Ei oder 300 Gramm Fleisch pro Woche entsprechen nun mal nicht unbedingt der Lebensrealität der Mehrheit der Deutschen.“ Positiv sei unter anderem auch, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiterhin keine Verbote aussprächen, sondern Raum für Genussmomente ließen und dazu aufriefen, innerhalb der Gruppen die Lebensmittelvielfalt zu nutzen.
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