Fischerei:Im Walkampf

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Drei tote Zwergwale auf einem japanischen Walfangschiff. Japan darf in der Antaktis keine Wale mehr jagen. (Foto: Tim Watters/Sea Shepherd Australia/dpa)

In Norwegen beginnt die jährliche Jagd auf Meeressäuger - kurz nach dem UN-Urteil gegen Japans Walfänger. 1286 Tiere sind zum Töten freigegeben, dabei wird immer weniger Walfleisch gegessen.

Von Silke Bigalke und Birgit Lutz

Thilo Maacks Freude ist verhalten. Maack ist bei Greenpeace Deutschland Spezialist für alle Fragen rund um Wale und deshalb derzeit ein gefragter Mann - seit am Montag der Internationale Gerichtshof Japan verboten hat, weiterhin für wissenschaftliche Zwecke Wale zu erlegen. Doch das Verbot betrifft nur das Forschungsprojekt in der Antarktis, der Walfang der Japaner im Nordpazifik bleibt unberührt. Der japanische Walfang geht also weiter, wenn auch eingeschränkt.

Dieser Umstand ist umso absurder, sagt Maack, als es in Japan keinen Markt mehr für Walfleisch gibt. Mit der steigenden Information über die Belastung des Walfleischs - unter anderem mit Quecksilber - sinke auch dessen Beliebtheit.

"Trotzdem ist, während wir sprechen, gerade ein riesiger Walfleischtransport von Island nach Japan unterwegs", sagt Maack, "2000 Tonnen Fleisch von Finnwalen." Im vergangenen Jahr hat die geschwundene Nachfrage in Japan dazu geführt, dass Walfleisch zu Hundefutter verarbeitet wurde. Dass Japan, Island und Norwegen am Walfang festhalten, habe politische Gründe: Ein Nachgeben beim Walfang könnte als der Beginn eines Einknickens beim Aushandeln um die Fischfangquoten generell gedeutet werden, sagt Maack.

Und so beginnt nun in Norwegen die jährliche Jagdsaison - kurz nach dem UN-Urteil gegen Japan. 1286 Tiere hat das Ministerium für Fischerei dafür freigegeben, so viele wie in den vergangenen drei Jahren. Norwegens Walfänger fahren jedes Frühjahr raus auf den Nordatlantik, in die Nähe von Spitzbergen, und zur Insel Jan Mayen in der Grönlandsee. Dort wird die Population der Minkwale auf etwa 100 000 Tiere geschätzt - an dieser Zahl orientiert sich Norwegens Fangquote. "Auch in diesem Jahr haben wir für eine Quote entschieden, die Kontinuität und gute Rahmenbedingungen für die Walfangbranche garantiert", sagt Fischereiministerin Elisabeth Aspaker.

Der Minkwal wird bei der Jagd der Norweger wie schon im Mittelalter mit Harpunen erlegt, heute allerdings mit modernen Versionen, die wie Granaten in den Tieren explodieren. Dabei steht er auf der sogenannten Cites-Liste, die den Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten verbietet. In den Achtzigerjahren hat die International Whaling Commission (IWC) ein Fangverbot für die 13 Großwalarten erlassen, zu denen auch der Minkwal zählt.

Norwegen, so steht es auf der Homepage des Fischereiministeriums, habe sich das Recht genommen, beide Regeln zu missachten. Es begründet das damit, dass der Minkwal in den norwegischen Fanggründen keine bedrohte Spezies sei. Seit 2001 dürfen die Wahlfänger ihre Produkte zudem auf die Färöer, nach Island und Japan exportieren. Norwegen ist, neben Island, das einzige Land der Welt, das sich den kommerziellen Walfang quasi selbst erlaubt. Das internationale Urteil aus Den Haag betrifft die Regierung in Oslo daher nicht.

Dabei laufen die Geschäfte mit Walfleisch schlecht. Vergangenes Jahr haben die norwegischen Walfänger nur 594 Tiere erlegt, weniger als die Hälfte der erlaubten Quote. Die haben sie seit zehn Jahren nicht mehr erreicht, sagt Truls Gulowsen, Greenpeace-Chef in Norwegen. Während die Industrie diesen Umstand gerne auf hohe Spritpreise und lange Wege zu den Jagdgründen schiebt, begründet Gulowsen das mit mangelnder Nachfrage. Die meisten Norweger essen kein Walfleisch. "Die Industrie wird irgendwann sterben", sagt er.

Dass man sie nicht gleich abschafft, habe politische Gründe. Der Walfang sei in Norwegen eine Sache nationaler Identität und Tradition. "Es geht nicht um Geld, nicht um Jobs, nur um Politik", so Gulowsen. Eine Politik, mit der sich das Königreich international oft selbst isoliert. Norwegens Fischereirechte, in die es sich nicht reinreden lassen möchte, gelten als eines der Hindernisse für die EU-Mitgliedschaft.

Dasselbe gilt für Island, das seinen Beitrittsgesuch in Brüssel nun zurückziehen möchte. Auch hier spielen Fischereiinteressen eine Rolle. In Reykjavík haben einige Parlamentsmitglieder der Opposition die Regierung Medienberichten zufolge aufgefordert, Kosten und Nutzen des Walfangs für Island zu bewerten. Sie soll dabei Wirtschaftsinteressen, aber auch den Einfluss auf Tourismus und internationale Beziehungen berücksichtigen.

Zur blutigsten Waljagd kommt es jährlich auf den Färöer-Inseln, die zwischen Island und Norwegen liegen. Hier wird das Abschlachten von Pilot- und Minkwalen als Teil der Inselkultur betrachtet. Der Pilotwal gehört zu den 71 Wal- und Delfinarten, die nicht durch das IWC-Fangverbot geschützt sind. Bei der Jagd werden die Wale in Buchten getrieben und getötet. Weil die Tiere sehr sozial sind und sich gegenseitig nicht im Stich lassen, werden so komplette Walfamilien ausgerottet.

Anders als in einigen Gebieten Alaskas und der Tschuktschen-Halbinsel in der Beringsee, wo Einheimische eine geringe Zahl an Walen in der Subsistenzjagd töten, seien diese Gründe hier nicht mehr anzuwenden, sagt Thilo Maack. "Die Färöer sind eine hoch entwickelte Nation. Dort müsste niemand Walfleisch essen, um zu überleben."

© SZ vom 03.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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