Als Johanna Wanka im April vor die Presse trat, hatte sie allen Grund zu guter Laune. Ein Rekord-Förderprogramm für die Energiewende kündigte sie an. 400 Millionen Euro sollen in den kommenden zehn Jahren in vier "Kopernikus-Projekte" fließen, um die Energiewende auf die nächste Stufe zu heben. "Bis 2025 bringen wir neue Energiekonzepte auf den Weg, die im großtechnischen Maßstab angewendet werden können", erklärte die Bundesforschungsministerin.
Eines der vier Projekte verdient besondere Aufmerksamkeit. Es verspricht, die je nach Wind und Sonnenstand wechselhaften Öko-Energien zu stabilisieren. "Power to Gas" nennt sich das Verfahren, mit dem überschüssiger Ökostrom in Wasserstoff oder Methan umgewandelt wird, welches in bestehende Gasnetze gepumpt und dort gespeichert werden kann. Bei Windstille oder nachts kann das Gas in Gaskraftwerken verbrennen - annähernd CO₂-neutral. Jetzt, so die politische Botschaft, soll dieser Technologie der Durchbruch gelingen.
Die Pioniere der Idee zweifeln allerdings, wie ernst es der Bundesregierung ist. Die habe zwar mit viel Fördergeld Pilotprojekte belebt. Aber der Markt für die Speichertechnik wird nicht entfaltet. "Die Projekte werden sich nur durchsetzen, wenn es dafür einen ökonomischen Anreiz gibt", sagt Michael Specht vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Angesichts der "katastrophalen politischen Rahmenbedingungen" sei derzeit kein Geld damit zu verdienen.
Am Kopernikus-Projekt selbst hat Specht nichts auszusetzen. Aber mit dem Fokus auf Forschung und Entwicklung schiebe die Bundesregierung den großtechnischen Einsatz der Speichertechnologie auf die lange Bank.
Das künstlich hergestellte Methan kann man problemlos in das bestehende Erdgasnetz einspeisen
Dabei sei Power-to-Gas längst bereit für die Umsetzung, erklärt er. Specht muss es wissen - er hat die Idee entwickelt. Das Grundprinzip ist für alle Anlagen gleich: Mit Strom wird Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Inzwischen ist ein regelrechter Wettkampf um das beste Verfahren entbrannt: Manche Anlagen setzen auf alkalische Elektrolyse, die mit einer Kaliumhydroxid-Lösung einen flüssigen Elektrolyten nutzt. Sie ist ausgereift, aber etwas träge und benötigt viel Platz. Andere Anlagenbetreiber setzen auf die kompaktere PEM-Elektrolyse mit einem festen Elektrolyten, der als Membran zwischen den Elektroden steckt. Noch ist das allerdings recht teuer. Die Dresdner Firma Sunfire geht einen ganz neuen Weg mit der Hochtemperatur-Elektrolyse. Sie nutzt nicht Wasser, sondern Wasserdampf. Auf bis zu 70 Prozent konnten sie damit den Wirkungsgrad steigern - und damit den wichtigsten Kritikpunkt an der Technologie entkräften.
Eine "Power to Gas" Anlage - sie wandelt überschüssige Energie um.
(Foto: Jasper Juinen/Bloomberg)Der separierte Wasserstoff kann ins Erdgasnetz eingespeist werden, Heizungen befeuern oder Autos antreiben. In der Raffinerie Heide in Schleswig-Holstein soll künftig gar Rohöl mit dem grünen Wasserstoff verarbeitet werden, um die Klimabilanz des fossilen Energieträgers ein wenig aufzubessern.
Da sich Wasserstoff nur begrenzt ins Erdgasnetz einspeisen lässt, wandeln ihn viele Anlagen unter Zugabe von Kohlendioxid in Methan um, den Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas. Das lässt sich nahezu unbegrenzt ins Erdgasnetz pumpen - und bei Bedarf rückverstromen. Wieder andere produzieren über die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese flüssigen Treibstoff. So unterschiedliche Wege all diese Projekte einschlagen, eines ist fast allen gemein: Sie schreiben rote Zahlen.
Gregor Waldstein hatte sich das anders vorgestellt. Vor sechs Jahren investierte der Österreicher Millionen, um die Idee von Michael Specht in Deutschland umzusetzen. Heute steht im niedersächsischen Werlte eine 6-Megawatt-Anlage, die äußerlich wenig spektakulär aussieht: eine Stahlkonstruktion aus Tanks und Rohren, versehen mit etlichen Ventilen und Schraubverschlüssen. Eine Vorzeige-Anlage sollte es werden, um einen aufblühenden Markt wachsender Stromüberschüsse damit zu beliefern. Nicht gerechnet hat Waldstein damit, dass solche Anlagen bis heute als sogenannte Letztabnehmer eingestuft sind, also ähnlich wie ein Familienhaushalt, und damit die EEG-Umlage bezahlen müssen. In der Praxis seien das mehr als zehn Cent pro Kilowattstunde - zu teuer, um wirtschaftlich zu arbeiten. Ein Aluminiumwerk hingegen ist weitgehend von der EEG-Umlage befreit. "Der Frust ist natürlich groß", sagt Waldstein.
Der Firma Sunfire geht es nicht anders. In Dresden hat sie eine Testanlage aufgebaut, mit der sie aus Ökostrom Diesel, Kerosin oder Benzin produziert. Für ihren Ansatz bekommt sie viel Lob aus der Fachwelt. Denn die Elektrolyse funktioniert dort auch rückwärts - als Brennstoffzelle. Bei Bedarf lässt sich der chemische Energieträger wieder in Strom umwandeln, was die Auslastung der Anlage erhöht. Sunfire würde gerne eine erste Industrieanlage bauen. Solange aber die EEG-Umlage anfällt, lohne sich das nicht. "Wir werden uns andere Geschäftsfelder suchen müssen, wenn die politischen Rahmenbedingungen nicht stimmen", erklärt der technische Entwickler Christian von Olshausen.