Ernährung bei Demenz:Schneller gehts mit der Magensonde

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In amerikanischen Kliniken und Heimen werden Demenzkranke zunehmend künstlich ernährt. Dabei ist der einzige Nutzen profaner Natur..

Werner Bartens

Ältere Menschen zu pflegen, ist mühsam und zeitintensiv. Besonders wenn Senioren dement werden, ist der Aufwand beträchtlich, denn vielfältige Leiden drohen. Die Gefahr des Wundliegens ist groß, Infektionen kommen häufiger vor und es erfordert viel Geduld, dafür zu sorgen, dass die Patienten genügend zu essen und zu trinken bekommen. Wenn sie sich dabei verschlucken, droht eine Aspirations-Pneumonie - eine besonders lästige Form der Lungenentzündung durch eingeatmete Nahrungsbestandteile. In vielen Pflegeheimen und Krankenhäusern werden Demenz-Patienten Magensonden gelegt, um Zeit zu sparen und Komplikationen zu vermeiden. Altersmediziner um Joan Teno zeigen im Fachblatt Journal of the American Medical Association, dass in großen und privat geführten Kliniken häufiger Magensonden verordnet werden (Bd.303, S.544, 2010). Zum Vorteil der Patienten ist das allerdings nicht.

"In guten Heimen ist es Usus, die Demenzkranken zu füttern". (Foto: Foto: AP)

Die Geriater und Gesundheitswissenschaftler von der Brown University hatten analysiert, wie mehr als 160.000 Demenzpatienten aus Pflegeheimen behandelt wurden, wenn sie in ein Akutkrankenhaus überwiesen werden mussten. Im Durchschnitt bekamen zwischen sechs und sieben von 100 Patienten eine Sonde. In manchen Kliniken wurde keinem Patienten eine gelegt, in anderen erhielten 38 von 100 den Nahrungsschlauch.

Sonden wurden besonders dann häufiger gelegt, wenn das Krankenhaus privatwirtschaftlich geführt war, über mehr als 310 Betten verfügte und Patienten kurz vor ihrem Tod oft noch auf die Intensivstation kamen. "Es kann nicht sein, dass Patienten nur aus Gründen der Zeitersparnis eine Magensonde gelegt wird", sagt Michael Kochen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin. "In guten Heimen ist es Usus, die Demenzkranken zu füttern - das dauert, und manche Kliniken werden sich das nicht leisten können oder wollen."

Magensonden mögen für die Pflege eine Erleichterung darstellen, für die Patienten bieten sie hingegen keine gesundheitlichen Vorteile. "Im hohen Alter gibt es sogar häufiger Komplikationen bei der Anlage der Sonden", sagt Werner Hofmann vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Angehörige sehen in diesem Schritt zudem oft ein Signal dafür, dass die Patienten ihre Selbständigkeit endgültig verloren haben.

Die Klinik als gefährlicher Ort für alte Menschen

Der Nutzen der Magensonde wird immer stärker bezweifelt. Studien kamen zu dem Ergebnis , dass durch Magensonden weder das Überleben der Patienten verlängert noch die Gefahr des Wundliegens verringert wird - die Zeit, die eingespart wird, weil Patienten nicht mehr gefüttert werden, dient offenbar nicht dazu, ihnen mehr Bewegung zu verschaffen. Auch das Risiko einer Aspirationspneumonie wird erstaunlicherweise nicht geringer. "Eine Magensonde bei Dementen entspricht nicht der wissenschaftlichen Beweislage", so Joan Teno. Dennoch haben in den USA mehr als ein Drittel der Heimbewohner eine Magensonde.

Für Deutschland gibt es keine vergleichbaren Studien. Michael Kochen hält es in der Betreuung von Demenzkranken für wichtig, Krankenhauseinweisungen möglichst zu vermeiden. "Mit intensiver Betreuung lassen sich etliche Leiden und sogar viele Formen der Lungenentzündung durch den Hausarzt im Heim behandeln", so Kochen.

"Das Krankenhaus kann gerade für alte Leute ein gefährlicher Platz sein, in dem weitere Komplikationen drohen." Gute Hausärzte würden deshalb Krankenhäuser für ihre Patienten sorgfältig auswählen, wenn die stationäre Versorgung unumgänglich ist. Mit den Klinikärzten kann dann besprochen werden, was die Demenzkranken gewohnt sind und wie sie am besten betreut werden.

© SZ vom 10.02.2010/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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