Archäologie:Genetische Fingerabdrücke aus der Steinzeit

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Draufsicht auf den durchbohrten Hirschzahn aus der Denisova-Höhle in Südsibirien. Paläogenetiker konnten menschliche DNA-Reste aus dem Knochen waschen. (Foto: MPI für evolutionäre Anthropologie/dpa)

Wissenschaftlern ist es gelungen, aus Steinzeitgegenständen den genetischen Fingerabdruck von deren Besitzern zu gewinnen. Die Archäologie steht damit vor neuen Möglichkeiten.

Von Jakob Wetzel

Archäologinnen und Archäologen sind vor Missverständnissen nicht gefeit. Immer wieder stoßen sie in der Erde auf prähistorische Gegenstände aus Stein, Knochen oder Zähnen von Tieren. Es sind solche Werkzeuge und Schmuckstücke, die von verschwundenen Kulturen erzählen, davon, wie die Menschen miteinander umgingen, und wie geschickt sie waren. Doch mit der Zuordnung ist es so eine Sache: Was gehörte wem? Gehörte ein Werkzeug demjenigen, dessen Knochen sich in der Nähe befinden - oder liegen die Relikte nur zufällig beieinander?

Bislang lassen sich solche Fragen kaum klären. Doch womöglich können Archäologen darauf bei künftigen Ausgrabungen Antworten geben, und zwar dank einer Methode, die an Forensik erinnert: dank genetischer Spuren.

Wäscht man die Artefakte bei 90 Grad, gelangen Erbgutstücke ins Waschwasser

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Elena Essel vom Leipziger Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie ist es gelungen, menschliches Erbgut von der Oberfläche eines Gegenstandes aus der Steinzeit zu gewinnen. Wie das Team, an dem auch Nobelpreisträger Svante Pääbo beteiligt war, nun in der Fachzeitschrift Nature berichtet, eröffnen sich der Forschung damit womöglich neue Möglichkeiten. Denn um Erbgut aus der Vorzeit zu untersuchen, brauchen Paläogenetiker bislang menschliche Fossilien - idealerweise einen Schädel, wo die Chancen gut stehen, etwa im Felsenbein alte DNA gewinnen zu können. Mit Glück lassen sich auch in Sedimenten alte Knochen- oder Kotpartikel mit Erbgut finden. Doch jetzt bieten sich neue Optionen.

Elena Essel bei der Laborarbeit. Hauptsache, die Probe wird nicht verunreinigt. (Foto: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie)

Elena Essel verglich die Technik in einer Mitteilung des MPI mit einer Waschmaschine und einem Waschmittel auf Phosphatbasis: "Wenn wir die Artefakte bei Temperaturen von bis zu 90 Grad Celsius waschen, sind wir in der Lage, DNA aus dem Waschwasser zu extrahieren, während die Artefakte intakt bleiben." So gelang es den Forschern, Erbgut aus einem vor etwa 19 000 bis 25 000 Jahren gefertigten Anhänger aus Hirschzahn zu identifizieren, der in der Denisova-Höhle in Südsibirien gefunden wurde. Aus ihm gewannen die Wissenschaftler nicht nur ein genetisches Profil des Wapiti-Hirsches, dem der Zahn ursprünglich gehörte, sondern sie fanden auch große Mengen des Erbguts einer menschlichen Frau, die den Anhänger mutmaßlich einmal getragen hat. Sie war eng verwandt mit Menschen, die damals weiter östlich in Sibirien lebten.

Trivial ist die Technik jedoch nicht. Wie die Forscher in Nature berichten, scheiterten erste Analysen daran, dass die untersuchten Fundstücke mit dem Erbgut von Archäologen kontaminiert waren. Man habe sich deshalb auf frische Ausgrabungen konzentriert und mit Handschuhen und Gesichtsmasken gearbeitet sowie Fundstücke umgehend in Plastikbeutel verpackt.

Entwickelt wurde die Technik für Knochen und Zähne. Gegenstände aus Skelettbestandteilen seien poröser, deshalb finde man in ihren Oberflächen mit größerer Wahrscheinlichkeit Erbgut aus Hautzellen, Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten als etwa in Steinwerkzeugen, erklären die Forscher. "Forensiker werden nicht überrascht sein, dass menschliche DNA aus einem Gegenstand isoliert werden kann, der viel benutzt wurde", sagt der Biochemiker Matthias Meyer vom MPI. "Aber es ist erstaunlich, dass dies nach 20 000 Jahren noch möglich ist." Es ist denkbar, dass archäologische Ausgrabungen künftig vermehrt aussehen wie Spurensicherung an einem Tatort.

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