Delphine:Was für Pfeifen

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Delphine identifizieren sich gegenseitig über Pfeiftöne. Wieso aber verändert sich ihr Signal nicht durch den Druck, der beim Tauchen auf sie wirkt? In einem skurrilen Experiment mit eingeatmetem Helium haben Forscher die Antwort gefunden.

Christopher Schrader

Sein Pfiff ist für den Delphin vermutlich ähnlich wichtig wie der Name für einen Menschen - beides verleiht dem Individuum seine Identität in der sozialen Gruppe.

Die Meeressäuger können ihr Erkennungssignal an der Oberfläche und auch nahezu unverändert beim Tauchen produzieren. "Man hat schon Delphinpfiffe in 800 Metern Tiefe registriert", sagt Peter Madsen von der Universität im dänischen Aarhus.

Aber wie genau das funktioniert, ist Biologen bislang ein Rätsel gewesen. Schließlich drückt das Wasser auf den Körper des Meeressäugers, und jeder luftgefüllte Hohlraum in seinem Körper, in dem ein Ton entstehen könnte, wird zusammengepresst.

Damit müsste sich eigentlich die Frequenz ändern, weil Pfiffe entstehen, wenn die akustischen Schwingungen eine Resonanz erreichen, die wiederum von der Größe und Form des Hohlraums abhängt. "Der Grundton des Pfiffs würde beim Tauchen immer höher werden", sagt Madsen, "kaum geeignet für ein Identitätssignal."

Der dänische Biologe ist der Lösung des Rätsels nun ein gutes Stück näher gekommen, und dabei hat Helium eine wichtige Rolle gespielt. Das Edelgas wirkt bei der Tonbildung in der Nase des Delphins nämlich ähnlich wie der Druck in der Tiefe: gar nicht.

Der sogenannte Pfiff sei kein Pfiff, sagt Madsen, sondern ein Ton; er entstehe nicht durch schwingende Luft, sondern durch schwingendes Gewebe. So produzieren auch Menschen ihre Sprache in den Stimmbändern. Und die Grundfrequenz ihrer Töne hängt wie beim Delphin nicht von der Größe oder Füllung der Hohlräume ab.

Madsen und seine Kollegen haben für ihre Schlussfolgerung 34 Jahre alte Tonaufnahmen mit moderner Technik ausgewertet ( Biology Letters, online). Damals hatten Forscher in San Diego einem Delphin beigebracht, still liegend durch eine Maske auf seinem Blasloch zu atmen. Das dürfte den Meeressäuger nicht gerade begeistert haben, aber Madsen zufolge hielt er still. Fotos von dem Versuch gebe es aber leider nicht.

Delphine tolerieren ohnehin absonderliche Experimente, schwimmen zum Beispiel mit undurchsichtigen Blenden über den Augen durch ein Becken oder lassen sich von lautem Schall berieseln, während sie unter Wasser auf eine Platte beißen.

Bei dem Versuch in San Diego 1977 bekam das Tier abwechselnd normale Luft ( Audiofile auf der ersten Seite) und ein Gas namens Heliox ( Audiofile auf dieser Seite) zu atmen, das aus 80 Prozent Helium und 20 Prozent Luft besteht. In dieser Mischung ist der Schall um 75 Prozent schneller als in der Luft. Das wirkt wie ein zusammengepresster Hohlraum, bei einem Pfiff müsste sich auch die Resonanzfrequenz entsprechend erhöhen.

Das geschah aber nicht: Die Grundfrequenzen der Töne blieben gleich, sie stiegen innerhalb einer knappen Sekunde von etwa vier auf 20 Kilohertz an. Für Menschen unhörbar veränderten sich unter dem Einfluss des Heliums lediglich die Obertöne, die bis zu 60 Kilohertz reichten - für diese Analyse hatte Madsen die moderne Ausrüstung gebraucht. Das ganze Erkennungssignal klingt in einer Tonprobe höchstens etwas langsamer und verhaltener, wenn der Delphin das fremde Gas atmet.

Das ergibt, sagt der Biologe aus Aarhus, ein stimmiges Bild. Die Delphine bringen in ihrer Nase Gewebe zum Schwingen. Dazu pressen sie Luft in eine Art Sack, lassen sie dann aber anders als sprechende Menschen nicht entkommen, sondern saugen sie in die Lunge zurück. "Die Grundfrequenz des schwingenden Gewebes wird weder durch das Helium-Gemisch noch den erhöhten Luftdruck verändert", sagt Madsen. "Die Obertöne entstehen aber in geringem Umfang auch durch Resonanzen im Luftsack, deswegen verändern sie sich etwas."

Beim Menschen spielen die Obertöne übrigens für den Gesamteindruck eine viel größere Rolle: Auch wenn der Grundton der Stimmbänder gleichbleibt, bekommt darum eine Micky-Maus-Stimme, wer Helium atmet.

© SZ vom 09.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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