Raumfahrt:"Indien ist jetzt auf dem Mond"

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Journalisten filmen die Live-Übertragung, die zeigt, wie "Vikram" auf dem Mond aufsetzt. (Foto: Aijaz Rahi/dpa)

Erfolg im zweiten Anflug: Eine unbemannte Sonde landete am Südpol des Mondes. Dem Land ist gelungen, woran Russland erst vor wenigen Tagen gescheitert ist. Greift Indien nun nach den Sternen?

Von Andreas Jäger

Der Jubel ist groß im Kontrollraum der indischen Raumfahrtagentur Isro (India Space Research Organisation): Pünktlich um 14.34 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit ist die unbemannte Landefähre Vikram erfolgreich auf dem Mond gelandet, in der Nähe des Mond-Südpols. Per Livestream konnten Zuschauer auf der ganzen Welt die Landung mitverfolgen. "Indien ist jetzt auf dem Mond", sagte Premierminister Narendra Modi, der sich vom Gipfeltreffen der Brics-Staaten in Johannesburg live zuschalten ließ. Es handle sich um einen Erfolg für die ganze Menschheit.

Den Indern ist damit geglückt, woran einige staatliche und private Agenturen in jüngerer Vergangenheit gescheitert sind, zuletzt vor vier Tagen Russland mit der Landefähre Luna-25, die ebenfalls in der Nähe des lunaren Südpols aufsetzen sollte, die jedoch aufgrund eines Defekts des Bremstriebwerks nicht mehr wie geplant angesteuert werden konnte und auf der Oberfläche zerschellte.

Chandrayaan-3 ist die dritte Teilmission des indischen Monderkundungsprogramms "Chandrayaan"; der Name bedeutet übersetzt "Mondfahrzeug". Die Mission Chandrayaan-1 war im Jahr 2008 erfolgreich verlaufen, die indische Raumfahrtbehörde hatte damals eine Sonde erfolgreich zum Mond befördert, wo sie in einen Orbit eintrat und fortan ihre Runden um den Erdtrabanten zog, bis im August 2009 der Funkkontakt abbrach. Bereits das war ein prestigeträchtiger Erfolg für Indien, auch weil es die bis dato günstigste Mondsonde war.

Im Rahmen des Nachfolgeprojekts Chandrayaan-2 wollte die Isro dann im September 2019 mit einer unbemannten Landefähre weich auf dem Mond aufsetzen. Die Mission jedoch ging nahezu im letzten Moment schief: Nur etwa zwei Kilometer oberhalb der Mondoberfläche brach der Funkkontakt ab, woraufhin der Lander nicht mehr gesteuert werden konnte und abstürzte.

Candrayaan-3 hat diesen Rückschlag nun wettgemacht. Am 14. Juli war eine Trägerrakete vom Typ LVM3 vom Satish Dhawan Space Centre gestartet, dem indischen Raketenstartplatz, der sich im südöstlichen Bundesstaat Andhra Pradesh auf der Insel Sriharikota befindet. Als Nutzlast flogen ein Antriebsmodul, der Lander Vikram sowie der Rover Pragyan mit; Letzterer steckt im Inneren von Vikram und kann nach der Landung über eine ausfahrbare Rampe auf den Mondboden rollen.

Zuschauer feierten am 14. Juli den Start der "LVM3"-Rakete, die "Vikram" zum Mond gebracht hat. (Foto: R.SATISH BABU/AFP)

Nach dem Start verlief alles nach Plan. Gut hundert Sekunden nach Abheben der Trägerrakete fielen zunächst die beiden Boostertriebwerke wie geplant ab, nachdem ihr Treibstoff aufgebraucht war. Nach fünf beziehungsweise 15 Minuten klinkten sich auch die weiteren Triebwerk-Stufen aus. Anschließend entkoppelte der eigentliche Satellit, der daraufhin mehrere Swing-by-Manöver um die Erde ausführte, um mit Hilfe der Erdanziehungskraft Schwung für den Flug zum Mond aufzunehmen.

In einen Mondorbit trat Chandrayaan-3 am 5. August ein. Mit Hilfe des Antriebsmoduls wurde die Umlaufbahn in der Folge stetig verkleinert, am 17. August fiel schließlich das Antriebsmodul planmäßig ab. Anschließend drehte sich der nun auf sich allein gestellte Lander um 180 Grad, um seine Geschwindigkeit mit Hilfe von vier eigenen Landetriebwerken entgegen der Flugrichtung abbremsen zu können.

Studentinnen und Studenten mit bemalten Gesichtern stellen am 22. August 2023 die vorgesehenen Manöver auf dem Mond nach. (Foto: R. Satish Babu/AFP)

Das maßgebliche Missionsziel von Chandrayaan-3 war die Landung an sich. Indien ist damit nach den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion sowie China erst das vierte Land, dem eine Mondlandung geglückt ist. Zudem ist das Land das erste, dem eine Landung auf dem anspruchsvollen Terrain nahe dem Mond-Südpol gelungen ist. Bereits in den Tagen vor der Landung herrschte in Indien Euphorie. Große indische Medien wie die Times of India berichteten in Livetickern über den Landeversuch. Vielerorts herrschte Volksfeststimmung; in manchen Regionen versammelten Schulen ihre Klassen, um die live übertragene Landung mitzuverfolgen. Menschen in Indien und im Ausland beteten auf öffentlichen Plätzen, in Schulen und in Tempeln für den Erfolg der Mission.

Ein Hindu-Priester vollzieht bereits am 20. August ein Gebet für den Erfolg der Mission "Chandrayaan-3". (Foto: Dibyangshu Sarkar/AFP)

Doch auch aus wissenschaftlicher Sicht soll Chandrayaan-3 Erkenntnisse liefern. So sind Lander und Rover mit diversen Messinstrumenten ausgestattet worden, wie etwa einer Langmuir-Sonde zur Bestimmung der Dichte geladener Teilchen, die an Vikram ebenso angebracht wurde wie ein Instrument, mit dem die seismischen Aktivitäten rund um die Landestelle untersucht werden sollen.

Menschen in Delhi beteten am Mittwoch bei einem hinduistischen Feuerritual für eine glückliche Landung von "Vikram". (Foto: ADNAN ABIDI/REUTERS)

Der Rover Pragyan soll zudem im Landebereich umherfahren und die chemische Zusammensetzung des Regoliths - des lockeren Mondbodens - mittels zweier Spektrometer analysieren, auch hinsichtlich solchen Materials, das auf herabgefallene Asteroiden zurückgeht. Die Lebenszeit von Pragyan ist allerdings begrenzt: Mangels einer Heizung kann der Roboter nur etwa zwei Wochen auf Entdeckungstour gehen, er ist nicht für den Betrieb in eisigen Mondnächten konzipiert.

Sowohl ein Vikram- als auch ein Pragyan-Modell waren bereits bei Chandrayaan-2 mit an Bord. Überhaupt scheint sich technisch seit der missglückten Mondlandung von 2019 nicht viel verändert zu haben. Aus diesem Grund hatten viele Beobachter die Erfolgsaussichten von Chandrayaan-3 zuvor als schlecht eingestuft, zumal in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe anderer staatlicher sowie privater Mondprogramme gescheitert waren, zum Beispiel Beresheet, ein privat finanzierter Mondlander der israelischen Firma Space IL, der 2019 zerschellte, oder Hakuto-R, eine ebenfalls privat finanzierte Sonde des japanischen Unternehmens Ispace, der das gleiche Schicksal widerfuhr. Jüngst stürzte auch Luna-25 ab, mit dem die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos den Glanz vergangener Sowjet-Mondmissionen wiederaufleben lassen wollte.

Die Mondmission bietet auch Anlass und Grund für indischen Nationalstolz. (Foto: Ajit Solanki/dpa)

Jedoch nicht nur Moskau, das bis 2040 eine eigene Raumstation auf dem Mond errichten will, auch Delhi verfolgt durch Monderkundung politische Ziele. So wird das Chandrayaan-Programm von Indiens Premierminister Narendra Modi persönlich beaufsichtigt. Kritiker bemängeln, Modi nutze das prestigeträchtige Projekt nur, um sich für die 2024 anstehenden Wahlen als Macher inszenieren zu können, von Wissenschaft und Technik habe der Politiker jedoch keine Ahnung. Der indischen Raumfahrtbehörde Isro wird zudem vorgeworfen, ihre Strategie der Landeversuche gleiche einer Lotterie, nach dem Motto: Gehe eine Mission schief, werde einfach das nächste Chandrayaan-Raumschiff zum Mond geschickt, irgendwann werde es schon klappen mit der Landung. Ein solcher weiterer Versuch ist nun indes nicht mehr nötig.

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