Die Erde hat eine natürliche Müllabfuhr für Kohlendioxid. Um das klimaschädliche Treibhausgas aus der Atmosphäre zu entfernen, spielen Felsen eine wichtige Rolle, etwa die Flanken von Bergen. Denn mit jedem Regenschauer wird ihr Gestein ein wenig ausgewaschen. Die gelösten Bestandteile wie Calcium binden CO₂ aus der Luft und spülen es ins Meer. Zumindest einen Teil davon, denn um den menschengemachten Klimawandel auszugleichen, ist die natürliche Klimamüllabfuhr nicht stark genug.
Aber könnte das Gestein nicht mehr zum Klimaschutz beitragen als bislang? Diese Idee wird seit einigen Jahren unter dem Stichwort "beschleunigte Verwitterung" diskutiert: Dabei soll zerkleinertes Gesteinsmehl auf Feldern verstreut werden, um dort Treibhausgase zu binden. Doch bislang war unklar, wie gut das in der Praxis funktioniert.
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Nun legen Forscher im Fachmagazin PNAS recht hoffnungsvoll stimmende Ergebnisse vor: Demnach lässt sich mit dem Steinstaub nicht wenig CO₂ aus der Atmosphäre einfangen. Zugleich könnten die Bauern mithilfe der Technik bessere Ernten einfahren und den Einsatz von Düngemitteln reduzieren.
Vier Jahre lang hat das Team um David Beerling von der britischen Universität Sheffield auf einem etwa fünf Fußballfelder großen Versuchsacker in den USA immer wieder Basaltgestein ausgebracht - rund 200 Tonnen im Jahr. Anhand von Bodenmessungen schätzen die Forscher, dass der Boden jedes Jahr zwischen elf und 15 Tonnen Kohlendioxid aufnahm. Das ist etwa das Eineinhalbfache des Pro-Kopf-Ausstoßes in Deutschland.
Auf den Feldern bauten die Wissenschaftler währenddessen abwechselnd Mais und Soja an. Die Maisernte verbesserte sich laut den Forschern nach dem Ausbringen des Basaltgesteins um zwölf Prozent, die Sojaernte um 16 Prozent. Diese Ertragssteigerung führt das Team auf die Freisetzung von Phosphor, Kalium und anderen Mineralstoffen aus dem Basaltstaub in den Boden zurück. Landwirte könnten daher auch kostspieligem Kunstdünger einsparen, so die Forscher. Die eingebrachten Mineralien hätten zudem der Versauerung des Bodens entgegenwirkt, was die Wissenschaftler als positiven Nebeneffekt werten. Außerdem nahmen die Pflanzen nicht mehr Metalle auf als sonst, der Verzehr der auf diese Weise hergestellten Produkte sei also sicher, betonen die Forscher.
Nicht überall wirkt der Basaltstaub gleich gut
Die Versuchsfarm liegt im Bundesstaat Illinois, mitten im "Corn Belt" der USA, wo auf 70 Millionen Hektar Landwirtschaft betrieben wird. Würden alle Landwirte dort auf diese Methode umstellen, wären infolge der Ertragssteigerungen zusätzliche Einnahmen in Höhe von acht Milliarden Euro für Maisbauern möglich und neun Milliarden Euro auf Flächen, wo Soja angebaut wird, schätzen die Wissenschaftler.
Allerdings funktioniert das Binden von Kohlendioxid wohl nicht überall gleichermaßen gut. Bei einem Feldversuch in Kalifornien konnte kürzlich nur ein Sechstel der CO₂-Menge pro Hektar gebunden werden wie nun im "Corn Belt". Die Forscher hinter diesem Experiment führten die geringere Ausbeute auf die anhaltende Dürre in Kalifornien während des Versuchs zurück. "Diese Reaktionen benötigen Wasser", betonte die Erstautorin Iris Holzer von der University of California Davis in einem Statement. Dennoch: "Selbst die seltenen starken Regenfälle, die wir im Westen haben, könnten ausreichen, um eine verstärkte Gesteinsverwitterung zu bewirken und Kohlendioxid zu entfernen."
Weltweit eingesetzt, ließen sich mit der Methode jährlich bis zu zwei Milliarden Tonnen CO₂ binden, hatte eine frühere Studie unter anderem von David Beerling im Wissenschaftsmagazin Nature ergeben. In dieser Schätzung sind die Treibhausgase, die beim Abbau des Basaltgesteins, dessen Zerkleinerung und Transport anfallen, bereits berücksichtigt. Das ist das Dreifache der Treibhausgasmenge, die ein Land wie Deutschland ausstößt. Zugleich werden damit die Grenzen der Methode deutlich: Die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Öl und Gas sind fast 20-mal so groß. An einer Reduzierung der Treibhausgase führt also kein Weg vorbei, trotz verbesserter Müllabfuhr.