Diese Woche könnte entscheidend sein für das Überleben vieler Tier- und Pflanzenarten auf der Erde. Der globale Bericht zur Lage der Artenvielfalt, den der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) am kommenden Montag in Paris veröffentlicht, dürfte zwar erschreckend ausfallen. "Der Verlust von Arten, Ökosystemen und genetischer Diversität ist bereits jetzt eine globale und generationenübergreifende Bedrohung für das Wohlergehen der Menschheit", sagt Sir Robert Watson, Vorsitzender des IPBES in Paris, wo Experten und Politiker in dieser Woche über den abschließenden Text diskutieren.
Doch könnte das Treffen einen nicht zu unterschätzender Erfolg für den Artenschutz bedeuten - wenn am Ende der Woche alle 132 Mitgliedstaaten den Bericht unterzeichnen. Der IPBES ist ein Pendant zum Weltklimarat IPCC, dessen Berichte Wegbereiter für das Pariser Klimaschutzabkommen waren. Eine vergleichbare Übereinkunft zum Artenschutz wäre zwar wohl kaum verpflichtend. Doch immerhin wäre eine Einigung auf einen wissenschaftlich fundierten Sachstand ein Anfang, um nach Lösungen zu suchen.
Artenschwund:Das Sterben der Feldvögel
Die Zahl der Vögel in Europa schrumpft teilweise dramatisch. Besonders schlecht geht es den Arten, die in Agrargebieten leben. Ihr Bestand ist seit 1980 um mehr als die Hälfte zurückgegangen.
Dass es ein weltweites Massensterben von Tier- und Pflanzenarten gibt, ist unter Experten unstrittig. Doch seit vor 14 Jahren mit dem "Millennium Ecosystem Assessment" der Vereinten Nationen die letzte globale Übersicht veröffentlicht wurde, dürfte sich einiges verändert haben. Um die aktuelle Lage einschätzen zu können, haben 150 Experten aus 50 Ländern Tausende von Studien ausgewertet. "Wir haben es geschafft, in den letzten drei Jahren die aktuellsten Fakten zum weltweiten Zustand unserer Ökosysteme zusammenzutragen, Szenarien ihrer zukünftigen Entwicklung zu beschreiben und Handlungsoptionen aufzuzeigen", sagt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Co-Vorsitzender des IPBES.
Was genau in dem Bericht steht, wird erst am 6. Mai veröffentlicht. Schon jetzt ist aber klar, dass die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Spezies immer länger wird. Wie viele Arten jedes Jahr aussterben, ist kaum festzustellen - allein schon aus dem Grund, dass nicht genau bekannt ist, wie viele Arten es auf der Welt überhaupt gibt. Schätzungen zufolge verschwinden jährlich mindestens 20 000 Spezies aus der Biosphäre dieser Erde, vielleicht sind es sogar 60 000.
Vergleichsweise gut erforscht sind Amphibien; eine Übersichtsstudie in der Fachzeitschrift Science hat kürzlich gezeigt, dass allein in den vergangenen 50 Jahren weltweit mindestens 90 Amphibienarten ausgestorben sind. Ein Pilz hat die Tiere dahingerafft. Gute Daten gibt es auch über die Vögel. Zumindest für Europa erscheinen regelmäßig Berichte, die seit Jahren zeigen, dass vor allem solche Arten unter Druck stehen, die in der Agrarlandschaft leben. Bei Insekten wird das Wissen schon lückenhafter. Eine der bekanntesten Untersuchungen ist die "Krefelder Studie", die gezeigt hat, dass in Teilen Deutschlands die Zahl der Insekten in den vergangenen 30 Jahren dramatisch zurückgegangen ist.
Im aktuellen Bericht des Weltbiodiversitätsrats wird es auch um die Gründe für das globale Artensterben gehen. "Vor allem die Landnutzung zeichnet sich seit langem als entscheidender Treiber des Biodiversitätsverlustes einschließlich des Insektenschwunds ab", sagt Settele. Deren Analyse habe deshalb einen besonders wichtigen Teil der Arbeit ausgemacht.
Damit am Ende alle 132 Mitglieder des Weltbiodiversitätsrats den Bericht unterzeichnen, wird in dieser Woche um Details in den Formulierungen gerungen. Wenn auch nur ein Land seine Unterschrift verweigert, scheitert das ganze Projekt. Allerdings gibt es auch einen gewissen Druck, sich zu einigen. "Die Natur ist von unschätzbarem Wert für die Menschheit", sagt Sir Robert Watson. "Sie zu schützen wird die größte Herausforderung der kommenden Jahrzehnte sein." Angesichts der Dramatik der Lage wäre es sehr schlecht für das Image eines Landes, am Ende der Woche als großer Verhinderer dazustehen.